Bundestag statt Bürgermeister: SPD-Mann Lutz Egerer

21.9.2017, 17:59 Uhr
Ihm droht am Sonntag eine richtig kalte Dusche: Dem SPD-Bewerber Lutz Egerer wird dann wohl auch ein Schirm nicht viel helfen.

© Wolfgang Dressler Ihm droht am Sonntag eine richtig kalte Dusche: Dem SPD-Bewerber Lutz Egerer wird dann wohl auch ein Schirm nicht viel helfen.

Dabei könnte er nach seiner wahrscheinlichen Wiederwahl 2020 sechs Jahre später, mit dann 62 Jahren, als verdientes Stadtoberhaupt in den politischen Ruhestand treten. Glänzende Perspektiven also für einen Sozialdemokraten in Bayern. Eigentlich. Denn Egerer mag’s offenbar spannender.

Der Single, der zunächst in der staatlichen Verwaltung und dann 20 Jahre lang als Kämmerer des evangelischen Dekanats Nürnberg arbeitete, kämpft bei der Bundestagswahl am 24. September gegen Artur Auernhammer (CSU) und weitere fünf Konkurrenten um das Direktmandat im Wahlkreis 241 (Ansbach/Weißenburg-Gunzenhausen).

Zweckoptimismus ist nötig

Ein aussichtsloses Unterfangen, so scheint es. Egerer aber wird – auch im Gespräch mit dem Altmühl-Boten – nicht müde, sich selbst mit einer zweckoptimistischen Frage Mut zu machen: "Warum soll es denn mit dem Direktmandat nicht klappen?" Eine Haltung, die, wie er weiß, selbst wohlmeinende Beobachter als "sehr, sehr selbstbewusst" bezeichnen, ist doch der Wahlkreis im südwestlichen Mittelfranken seit den Zeiten Friedrich Bauereisens 1949 mit bis zu 65 Prozent der Stimmen fest in CSU-Hand.

Wahlkampf-Rhetorik oder nicht – Egerer beteuert, an seine Chance im direkten Duell zu glauben. Und setzt dabei vor allem auf Themen, die ihn auch schon als Bürgermeister beschäftigten: den Breitbandausbau (Petersaurach ist eine der wenigen komplett glasfaserverkabelten Gemeinden Bayerns), die medizinische Versorgung in kleineren Gemeinden und die Sicherung der Mobilität auf dem flachen Land.

"In Berlin kann ich mehr erreichen"

"In den neun Jahren als Bürgermeister bin ich immer wieder an die Grenzen des möglichen politischen Handelns gestoßen", nennt Egerer als Grund dafür, warum er sich in das "Abenteuer" Bundespolitik stürzen möchte. "Ich will etwas für die Menschen erreichen", sagt er. Und das sei in Berlin nun einmal leichter als in Petersaurach.

Die Jahre als Oberhaupt seiner 5000-Einwohner-Gemeinde sieht der Sozialdemokrat, den die Proteste gegen Atomkraft und Nachrüstung in den 1980er-Jahren politisiert hatten, dabei als eine gute Schule: "Da hat man einen direkten Kontakt zu den Menschen, man kennt beispielsweise Eltern, die den Kindergarten-Beitrag nicht mehr bezahlen können", sagt er. Und: Nüchterne Statistiken über Armut in Deutschland bekämen so für ihn eine "andere Dimension". Aber gerade auch beim Thema Sozialpolitik gelte eben: "Da kann man auf lokaler Ebene nur in ganz geringem Umfang etwas erreichen."

Christliche Werte hochhalten: Flüchtlingen helfen

Beim großen Wahlkampfthema Flüchtlinge fühlt sich Egerer, der als Stellvertreter des Gunzenhäuser FW- Stadtrats Gerhard Baumgärtner in der evangelischen Landessynode fungiert, den "christlichen Grundsätzen" verpflichtet. "In der Bergpredigt heißt es: Menschen, die in Not sind, muss man helfen."

Allerdings stellt er auch klar: "Wer nicht anerkannt wird, muss nach Prüfung seines Einzelfalls auch abgeschoben werden." Wenn jemand freilich einen Job habe oder in einer Ausbildung stecke, müsse er ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.

"Eine Regierungspause würde der SPD guttun"

Sollte es mit dem Direktmandat für Berlin nicht klappen, wird Egerer wohl im Petersauracher Rathaus weiter die Fäden ziehen, denn: Mit Platz 25 auf der SPD-Landesliste wäre ein Einzug in den Bundestag ein veritables politisches Wunder – derzeit sitzen 22 "Sozis" aus dem Freistaat im Parlament. Das immerhin räumt Egerer ein, auch wenn er es anders formuliert: "Mir ist bewusst, dass Platz 25 keine sichere Bank ist", sagt er – und kann sich diesmal ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.

Richtig ernst meint er hingegen ein Thema, das seinem Parteichef und Spitzenkandidaten Martin Schulz in Wahlkampfzeiten gar nicht gefallen dürfte. Er wünsche der FDP ein starkes Ergebnis, sagt Egerer, damit es zusammen mit der Union für eine schwarz-gelbe Koalition reiche. Denn: "Eine Regierungspause würde der SPD guttun", sagt der Kandidat. Dann könne sie sich nach den Jahren der Kompromisse in der Großen Koalition neu ausrichten, denn: "Wir haben zwar einige dicke Brocken erreicht, aber wir haben sie auch mit dicken Kröten, wie etwa der Maut, erkauft."

"Im Zweifelsfall auch mal auf einen Posten verzichten"

Er erinnert an Kanzler Gerhard Schröders klares Nein zum Irakkrieg und sagt: "Das erwarte ich von der SPD, andernfalls hätten wir unsere Seele verkauft." Er wünsche sich von seiner Partei "mehr solche klaren Entscheidungen, Standpunkte, bei denen es keine Kompromisse gibt". Dafür müssten sich die Sozialdemokraten auch "personell teilweise erneuern" und "Im Zweifelsfall auch mal auf einen Posten verzichten". Dann sei man eben für eine Wahlperiode "nur Bundestagsabgeordneter", aber davon könne man schließlich auch leben.

Natürlich, schiebt er in einem erneuten Anfall von Zweckoptimismus hinterher, "wollen wir stärkste Partei werden". Aber wenn das nicht klappe, müsse man im Hinblick auf die eigene Glaubwürdigkeit eine Frage ernsthaft diskutieren: "Was kostet uns eine weitere Regierungbeteiligung?".

Mehr Informationen und kurze Videos einiger Direktkandidaten aus dem Wahlkreis Ansbach-Weißenburg-Gunzenhausen finden Sie hier:

 

Verwandte Themen


Keine Kommentare