Das Leben zu Corona-Zeiten in Pfofeld: Ein Dorf ist aus dem Tritt geraten

7.2.2021, 16:47 Uhr
Das Leben zu Corona-Zeiten in Pfofeld: Ein Dorf ist aus dem Tritt geraten

© Foto: Andrea Lehmann

Dem "lebens- und liebenswerten Dorf", so die selbstbewusste Aussage eines Konzepts von 2018, geht spürbar die Luft aus. "Wir sehen und hören nicht mehr viel", sagt beispielsweise Claudia Schmoll, Tourismuschefin der Gesamtgemeinde. Sie muss es wissen, lebt sie doch seit ihrer Geburt vor 53 Jahren in Pfofeld und kennt sich aus.

Trafen sich in früheren Zeiten rund 500 Kinder und Erwachsene aus allen Ortsteilen im meist wöchentlichen Rhythmus in einem der 14 Vereine, herrscht seit Monaten gähnende Leere in den Übungs- und Versammlungsräumen. Ob Angler, Kindervolkstanz, Motorradfreunde, Obst- und Gartenbau- oder Kulturverein, nicht zu vergessen die weit über die Grenzen ihres Ortes bekannten Pfofelder Vorhangreißer, sie alle kämpfen mit dem Corona-Blues.

Tristesse pur beim Sportverein

Beim Metzger Kleemann oder im Getränkemarkt sehen sich die Bewohner hin und wieder, und das war’s, erzählt Claudia Schmoll am Telefon. Die engagierte Mutter dreier erwachsener Söhne ist außerdem Vorstandsmitglied beim größten Verein, dem TSV Pfofeld mit über 600 Mitgliedern. Auch hier Tristesse pur: Keine Gymnastik, kein Kinderturnen, kein Lauftreff oder Tischtennis, vom abgesagten Training der Fußballmannschaften ganz zu schweigen. Corona zerrt an den Nerven der Protagonisten. Und das wirkt sich vor allem auf die viel gerühmte Gemeinschaft aus.


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Hier ein freundliches "Hallo", dort eine liebevolle Umarmung oder ein kräftiger Handschlag, diese kleinen, aber so wichtigen Gesten der gegenseitigen Wertschätzung vermisst nicht nur Claudia Schmoll. "In der Gemeinschaft macht das Leben einfach mehr Spaß", bringt sie die allgemeine Stimmungslage auf den Punkt.

Der berühmte Flurumritt von Pfofeld beispielsweise ist ein Großereignis, das seit 1949 nur alle 12 Jahre stattfindet. Am 27. Juni soll es wieder soweit sein. 80 Reiter reiten die Flur der Großgemeinde Pfofeld ab, einzige Frau wäre Pfarrerin Dorothee Stadler. Und damit wird wieder einmal der Konjunktiv bemüht: wäre, hätte, könnte. Volkstänze müssten längst einstudiert werden, Trachten längst geschneidert, ein Markt, der die Lebensweise des 20. Jahrhunderts zeigt, sollte organisiert werden und so weiter, und so weiter.


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Alle Vereine wurden um Mitarbeit gebeten, aber ob alles wie geplant über die Bühne geht, steht noch in den Sternen. "Wahrscheinlich findet alles statt, aber deutlich abgespeckt", mutmaßt Schmoll. Das hundertjährige Jubiläum des Posaunenchores wurde schon mal von Mai auf den Herbst verschoben.

Rein tourismustechnisch strahlt die Hauptverantwortliche durchaus Optimismus aus. Für Ostern sei zwar noch nichts vermietet, "ab Pfingsten läuft aber alles fast normal", so ihre Erwartung. Einbußen werden sicher kommen, da keinerlei lockende Messen in diesem Winter stattfinden.

"Fast zum Heulen"

Das Leben zu Corona-Zeiten in Pfofeld: Ein Dorf ist aus dem Tritt geraten

© Foto: Vorhangreißer

Für Bianca Walter, die Vorsitzende des Pfofelder Kulturvereins, ist die derzeitige Situation "fast zum Heulen". Keine Wanderungen, keine Volkstanzgruppen, keine Nähstube, nichts können die Kulturschaffenden des Ortes auf den Weg bringen. "So viel Wehmut, wenn ich daran denke", sagt die 44-jährige Mutter von drei Kindern. Elke Kolb (53), nimmermüde Regisseurin der Pfofelder Vorhangreißer, bläst in das gleiche Horn.

Zwei Theaterprojekte mussten erst mal gestrichen werden, sagt sie und spricht vom "Boandlkramer-Blues", einem Stück über die Sehnsucht nach dem Tod und die Lust am Leben. Dafür wurden bereits für zwei Termine in der Stadthalle Gunzenhausen Karten verkauft, eine Bühne aufgebaut und Kostüme genäht. Gestrichen. Zumindest vorerst. Ob sie und ihre Regiekollegin Monika Guckenberger den Kinderklassiker "Urmel auf dem Eis" im Herbst realisieren können, ist ebenso offen. "Das war alles echt schlimm für uns", stöhnt sie. Jetzt lagert das gesamte Equipment in einer Scheune und wartet auf einen Neustart.

Chorleiterin hofft auf Neustart

Das Leben zu Corona-Zeiten in Pfofeld: Ein Dorf ist aus dem Tritt geraten

© Foto: Kirchenchor Pfofeld

Von einem solchen träumt auch Multichorleiterin Sigrid Popp aus dem Ortsteil Thannhausen. In Pfofeld spielt sie die Orgel, leitet den dortigen Kirchenchor, in Dittenheim ebenfalls und organisiert auch noch überörtliche Hausmusikabende. Improvisieren war angesagt, als der erste Lockdown das Land überzog. Statt in der zu kleinen Kirche in Pfofeld sang der Chor am 12. September bei der nachgeholten Konfirmation kurzerhand vor dem Kriegerdenkmal. Für den Auftritt geprobt wurde im Sommer in einem Garten eines Chormitgliedes. "Das Wir-Gefühl" war in jenen Monaten wieder da, sagt die 54-jährige Leiterin. Aber jetzt? Alles komplett weggefallen. Obwohl ihr das Singen "gscheit fehlt", hilft nur noch warten, ermuntert sie unermüdlich ihre Sängerinnen und Sänger.

Der Mikrokosmos Pfofeld mit seinen unterschiedlichen Vereinen und beachtlichen Initiativen ist aus dem Tritt geraten. Ob er je wieder Fahrt aufnimmt und zurück in die bewährte Spur findet, hängt von der Dauer der Pandemie ab.