Döckingen: Ein Kämpfer für die Zuckerrübe

1.2.2020, 07:05 Uhr
Döckingen: Ein Kämpfer für die Zuckerrübe

© Jürgen Leykamm

Wieder einmal, so scheint es, wird ein mittlerweile schon altes Lied von den Bänkelsängern aus den Reihen der Gesetzgeber in Brüssel und Berlin gesungen. In den Strophen erklingen Versprechen zu entbürokratisieren, kleinbäuerliche Betriebe zu stützen und regionale Strukturen zu stärken – bevor im Refrain das Gegenteil besungen wird: mehr Bürokratie, Förderung der Agrarindustrie und Zerschlagung dezentraler Organisationen. Seit geraumer Zeit nun hat es also nun die Zuckerrüben erwischt.

Im Oktober 2017 fiel der entsprechende EU-Schutzmechanismus. Er hatte bis dahin ähnlich wie einst bei der Milch die Mengenproduktion per Quote gedeckelt. Dazu wurde den Bauern ein Mindestpreis garantiert. Beides ist nun weggefallen, dazu gelten auch noch erleichterte Bedingungen für den Zuckerimport. All dies natürlich, um den Rübenbauern in Deutschland neue Chancen zu eröffnen.

Das Ergebnis aber ist ernüchternd: "Die Preise sind im Keller", stellt Georg Niederlöhner fest. Seit 1964 baut er Zuckerrüben an. Er kaufte und kaufte Lieferrechte, um die eigene Quote zu erhöhen. Bis 2002 hat der Döckinger in neue Kontingente investiert. Viele in seinem Ort zogen mit. Ein ganzes Dutzend an Landwirten betrieb in Bestzeiten hier den Zuckerrübenanbau: "Aber jetzt sind es nur noch drei." Denn die teuer erworbenen Lieferrechte sind heute nichts mehr wert und die Einkommen bescheiden.

Zu den derzeitigen Preisen "ist keine gewinnbringende Erzeugung mehr möglich", sagt der Altmühlfranke aus der Gemeinde Polsingen: "Es ziehen richtig dunkle Wolken über dem Zuckerrübenmarkt auf". Denn durch den weggefallenen Außenschutz sind es die Anbauer des Zuckerrohrs aus Indien, Thailand oder Brasilien, die mit ihren Produkten nach Deutschland drängen. Und dank niedrigster Arbeitslöhne in jenen Ländern zu extrem günstigen Konditionen. "Wir sind dem Weltmarkt ausgeliefert!" Der wiederum lässt die heimischen Erzeuger schier verzweifeln. Nicht nur Niederlöhner ist ratlos. Letztlich "muss die Politik entscheiden, ob sie den Zuckerrübenanbau in Deutschland überhaupt noch will".

Nach Eröffnung neuer Chancen klingt das nicht. Gut, eine solche scheint es immerhin zu geben. Der Altrübenbauer liefert die Hälfte seiner Pflanzen an Biogasanlagen, mit denen seine Gemeinde reich gesegnet ist. Die Rüben sind dort als schnelle Energielieferanten begehrt und werden besser bezahlt als von den dezentralen Zuckerfabriken. Eine Lösung ist das aber nicht, denn genau diese "wollen wir unbedingt erhalten – sonst ist der Rübenanbau in Deutschland gestorben, weil die Transporte dann zu teuer wären".

Heftige Diskussionen

Die Fabriken aber können nur bestehen bleiben, wenn sie immer was zu tun haben und beliefert werden. Und die Erzeuger können auf Dauer nur liefern, wenn die Preise stimmen. Was sie immer weniger tun. "Es gibt derzeit heftige Diskussionen darüber, wie es weiter gehen soll", weiß Niederlöhner, "die Rübenbauern kämpfen um ihre Existenz!" Mit Schaudern denkt der Döckinger an eine Versammlung der Rübenrodegemeinschaft Ries zurück, deren Einzugsgebiet vom Hesselberg bis ins Felchbachtal reicht: "Bei jedem Leichentrunk geht es fröhlicher zu." Kein Wunder – haben doch alle Zuckerrübenbauern in ihre Kontingente viel Geld gesteckt und sehen nun "die Felle davonschwimmen."

Dabei sei gerade der Rübenanbau immer der Betriebszweig gewesen, der Defizite in anderen Bereichen ausgleichen konnte – das ist Geschichte. "Es wird doch dauernd davon geredet, dass man autarke Versorgung will", moniert Niederlöhner weiter. Beim Zucker hatte man sie, jetzt bröckelt sie weg. Dass die EU wenigstens hier eng zusammenstehen möge, hat sich auch als Illusion erwiesen.

Im Gegenteil: Man einigte sich auf das Verbot der wichtigsten Pflanzenschutzmittel für die Rübenbauern: die Neonikotinoide – Insektizide. Zu Zeiten des letztjährigen Volksbegehrens natürlich ein absolutes Schreckgespenst. Deswegen lässt Niederlöhner auch kein gutes Haar an Vertretern entsprechender Politik: "Messias Habeck, Quasselstrippe Baerbock und Brechstangenarbeiter Hofreiter" hätten der Misere Vorschub geleistet. In vielen EU-Ländern gibt es Ausnahmegenehmigungen für die besagten Mittel. Auch von dort wird nun umso eifriger nach Deutschland exportiert, wo immerhin "80 000 Arbeitsplätze an der Zuckerrübe hängen".

Eigentlich könnte die Entwicklung dem 79-Jährigen auch egal sein. Doch für den Rentner, "ist das eine Herzensangelegenheit – ich engagiere mich für meine Kollegen!" Wie zum Beispiel Christian Tröster, ebenso Rübenbauer in Döckingen. Er weiß, wie wichtig eine Ausbildung ist und will als Landwirtschaftsmeister durchstarten. Darüber hinaus ist er zudem noch Schreinermeister. Man weiß ja nie. Vor allem nicht im Zuckerrübenanbau.

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