Fränkischer Rennfahrer: "Auf der Straße ist es gefährlicher"

19.8.2020, 06:15 Uhr
Fränkischer Rennfahrer:

321 Tage hat er gewartet. 7704 Stunden, oder - noch beeindruckender – 462 240 Minuten ist es her, dass er zum letzten Mal mit seinem Motorrad in der Startaufstellung stand. Damals, Ende September 2019, in Hockenheim. Jetzt geht es endlich wieder los. Marco Fetz hat diesen Tag herbeigesehnt. Er will zeigen, dass er mithalten kann in der höchsten deutschen Motorrad-Rennserie für die er sich mit konstant guten Leistungen empfohlen hat. Endlich wieder der Geruch von Benzin, das Dröhnen der Motoren, der Rausch der Geschwindigkeit.

Sonntag, 16. August, 12:50 Uhr, TT-Circuit im niederländischen Assen. Die Einführungsrunde ist absolviert, Fetz parkt mit seiner Suzuki GSX-R 1000 auf Startposition 17. Alle Ampeln stehen auf rot. Ein, zwei Sekunden noch dann werden sie ausgehen und das Rennen freigeben. Doch nichts passiert.

Die Motoren werden heiß, die ersten Fahrer wundern sich, heben die Hand um zu signalisieren, dass der Start abgebrochen werden muss. Inzwischen steht die Ampel auf gelb, eine Farbe, die es eigentlich gar nicht gibt im Rennzirkus. Fast 45 Minuten dauert es anschließend bis Techniker den defekt in der Ampelanlage behoben haben.


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"Meinen ersten Start in der Superbike 1000 habe ich mir anders vorgestellt", sagt Fetz. "So was bringt den Kopf schon ein bisschen durcheinander." Alle 30 Fahrer mussten wieder runter von der Strecke, zurück in die Boxengasse. Das Rennen, das schließlich erst um halb zwei startet, beendet Fetz auf Rang 17. Er konnte seinen Startplatz über die 13 Runden hinweg also verteidigen. "Ein paar lustige Kämpfe", habe er gehabt.

Spitzengeschwindigkeit? Über 300 km/h

Im zweiten Lauf des Tages dann auch einen Zweikampf, der nicht ganz so lustig war. Ein Konkurrent drängte ihn von der Strecke, Fetz musste in die Auslaufzone ausweichen. Am Ende reichte es noch für Platz 20. "Okay", findet er die Resultate seiner Premiere in der 1. Bundesliga des Motorradsports. "Meine Zeiten waren schon gut und auch konstant. Das Niveau in dieser Klasse ist deutlich höher, das Feld immer zusammen."

Fränkischer Rennfahrer:

© Foto: Dominik Mayer

Im Jahr zuvor war er eine "Liga" tiefer, in der Supersport 600 am Start. "Jetzt hat die Maschine 210 PS statt zuvor 130. Auf langen Geraden läuft die über 300 km/h". Die brachiale Beschleunigung und die enorme Höchstgeschwindigkeit sind, neben den talentierteren Konkurrenten, die Hauptunterschiede zur Supersport 600.

Als der 20-jährige Kleinbreitenbronner von seinem Wochenende in Assen berichtet, sitzt er entspannt am Küchentisch seines Elternhauses. Er ist gut gelaunt, beantwortet alle Fragen verständlich und präzise. Vor der Türe steht das Wohnmobil aus dem er in der Nacht zuvor um 3:45 Uhr gestiegen war. Gute sieben Stunden fährt man aus dem Norden der Niederlande zurück nach Mittelfranken.

Exakt eine Stunde und 15 Minuten nach seiner Ankunft klingelte schon wieder der Wecker und erinnerte ihn unsanft an die anstehende Frühschicht. Nach der Realschule hat Fetz eine Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht, jetzt arbeitet er im Drei-Schicht-Betrieb bei einem Ansbacher Unternehmen.

"Ohne Motorrad geht es nicht"

Von seinem Sport kann er nicht leben. "Ich bin sehr abhängig von Sponsoren", erklärt er. Mehrmals betont er, wie dankbar er den Firmen ist, die ihn finanziell und materiell unterstützen. Der Motorradsport sei in Deutschland eben nicht so populär, sagt er. "Würde ich Formel 3 fahren, würde ich genug Geld verdienen."

Stattdessen ordnet Fetz sein Leben dem Motorradsport unter. "Fast mein ganzer Jahresurlaub geht dafür drauf." Schichtdienst und Leistungssport – eine ebenso ungewöhnliche wie herausfordernde Kombination. Warum tut er sich das an? "Wenn man mit 20 in der Superbike 1000 fahren darf, motiviert das natürlich. Und ohne Motorradfahren geht es für mich auch einfach nicht."

Stürze sind unvermeidbar

Das Leuchten in den Augen des jungen Rennfahrers verrät, wie sehr er für seinen Sport brennt. Trotz aller Entbehrungen, die er dafür in Kauf nehmen muss. Corona-bedingt wurde die Saison verkürzt, die verbleibenden Termine sind dicht gedrängt. Das bedeutet zusätzlichen Stress.


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Seit Juli darf Fetz leistungsstarke Motorräder nicht nur auf Rennstrecken, sondern auch im Straßenverkehr bewegen. Er hat seinen Motorradführerschein gemacht. Doch bislang fährt er eher selten. "Aus meiner Sicht ist das gefährlicher als im Rennen", sagt er. Sand in der Kurve, Gegenverkehr, übergroße Landmaschinen – all das ist auf den Rennstrecken dieser Welt nicht zu befürchten.

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© Foto: Dominik Mayer

Fetz weiß, dass sein Sport gefährlich ist: "Ein paar wilde Stürze habe ich auch schon hinter mir." Angst hat er trotzdem nicht. Sein Rennanzug ist mit einer Art Airbag ausgestattet, der schwere Verletzungen verhindern soll. Aber hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht auf der Zeitenjagd im Grenzbereich der Physik.

Gerade einmal drei Jahre alt war Fetz als er sein erstes kleines Motorrad bekommen hat. 2011 dann das erste echte Rennen in einer Nachwuchsserie des ADAC. Vater Günter liebt selbst Motorräder, ist Hobbyrennen gefahren. Und unterstützt seinen Marco auch heute noch intensiv. Bei jedem Rennwochenende ist er mit dabei, schraubt auch mal selber an der Maschine seines talentierten Sohnes, der es schon so weit geschafft hat.

Irgendwann in der Moto-GP?

Allzu viele Aufstiegsmöglichkeiten gibt es jetzt nicht mehr. Die Superbike-WM oder die Moto-GP-Serie könnten ein Thema werden, falls Fetz sich in der Superbike 1000 durchsetzen kann. Zu hohe Ziele will er sich aber nicht setzen: "Das ist alles noch weit weg. Ich möchte dazulernen, schneller werden, vielleicht mal in die Punkte fahren." Mindestens auf Platz 15 müsste er dazu ins Ziel kommen, zwei Fahrer mehr überholen als in Assen.

Irgendwann mal bei einem Team anheuern zu dürfen, das ihn fürs Fahren bezahlt, das ist auch so ein Ziel von ihm. Aber Fetz weiß, dass dafür vieles passen muss. Seine Leistungen auf der Strecke, die Unterstützung durch Sponsoren, und ein wenig Glück braucht es wohl auch. Ob es klappt mit der ganz großen Karriere, das lässt sich weder planen noch prognostizieren. Nur eines ist sicher: Marco Fetz wird weiter alles geben für seinen Sport – Tag und Nacht.

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