Gesundheitsamt: So funktioniert die Kontakt-Rückverfolgung von Corona-Infizierten

28.11.2020, 07:51 Uhr
Gesundheitsamt: So funktioniert die Kontakt-Rückverfolgung von Corona-Infizierten

© Foto: Isabel-Marie Köppel

Er ist der Leiter des Gesundheitsamts in Weißenburg und verfolgt eine andere Taktik: "So lange es geht, wollen wir alle Kontaktpersonen ermitteln und benachrichtigen. Ich hoffe, wir können das dauerhaft leisten." Der 52-Jährige kann zwar nachvollziehen, dass die Kollegen aus Fürth und Nürnberg die Rückverfolgung eingestellt haben. Er möchte jedoch mit seiner Behörde aktiv bleiben, um weiterhin die Richtung bestimmen zu können. Rank ist fest davon überzeugt, dass sie langfristig so weniger Arbeit haben: "Geben wir die Kontaktaufnahme auf, kommen ständig Nachfragen, weil immer jemand verunsichert oder unzufrieden ist. Das hält viel mehr auf."

Damit das Gesundheitsamt die Mehrarbeit durch das Coronavirus stemmen kann, hat Rank die zuständigen Hygienekontrolleuere mittlerweile verdoppelt. Vorher waren es drei, und bald kommt ein sechster Mitarbeiter hinzu, nicht alle davon sind in Vollzeit angestellt. Hinzu kommen Studenten, die helfen, die Reiserückkehrer zu kontaktieren, oder sie koordinieren die Termine beim Testzentrum in Gunzenhausen. Wer welche Aufgabe übernimmt, wird unter anderem nach Naturell und Neigung entschieden.

Turbulente Wochen hinter sich

Auch Auszubildende des Landratsamts sowie Personal aus anderen Behörden unterstützen das CTT. Die Abkürzung steht für Contact Tracing Team, zu Deutsch: Kontaktrückverfolgungs-Team. Den Namen hat sich die Bayerische Regierung ausgedacht, nicht die örtliche Behörde. Für Rank bräuchte es diesen Anglizismus nicht, denn der deutsche Begriff beschreibt die Aufgabe treffend.


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Reibungslos lief der CTT-Zuwachs nicht ab. "Die vergangenen Wochen waren turbulent, weil auf einen Schlag acht, neun neue Mitarbeiter hinzugekommen sind", sagt der Mediziner. Dazu zählen auch die verschiedenen Unterstützungskräfte. Probleme machte dann der Platz, der nicht vorhanden war. Also mussten sie zusammenrücken, was zu Pandemie-Zeiten nicht ideal ist. So teilt sich der Gesundheitsamtsleiter jetzt sein Büro mit seiner Assistentin, und ein Besprechungsraum wurde umfunktioniert.

Gesundheitsamt: So funktioniert die Kontakt-Rückverfolgung von Corona-Infizierten

© Foto: Isabel-Marie Köppel

Um das Infektionsrisiko einzudämmen, muss jetzt jeder, der die Behörde in Niederhofener Straße betritt, eine FFP2-Maske tragen. Hinzu kommt, dass die Integration neuer Mitarbeiter bei laufendem Betrieb stattfindet. "Bildlich gesprochen sind wir ein Schiff auf hoher See im Sturm. Und eine Struktur im Sturm zu finden, ist sehr schwierig", erläutert Rank. Außerdem gibt er offen zu, dass die Gesundheitsämter in Bayern bis vor einem Jahr "noch recht verstaubt waren". "Jetzt herrscht ständig Action. Diese Veränderung ist ein großer Umschwung."

Wie viele Anrufe seine Mitarbeiter täglich tätigen? "Zahllose." Von verschiedensten Laboren bekommt das Amt per Fax Bescheid, wenn jemand aus dem Landkreis positiv getestet wurde. Diese antiquierte Art der Kommunikation wird hier wegen des Datenschutzes geschätzt. Und dann "geht die Maschinerie los", wie es der studierte Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen ausdrückt.

"Jeder Fall, jeder Mensch ist anders"

Als erstes kümmert sich ein sogenannter Hygienekontrolleur um einen Befund, führt erste Erkundungen durch und bewertet ihn. Bewerten? Ja, denn die Annahme, es gebe absolute Kriterien um einen Fall einzustufen, sei ein Irrglaube. "Es gibt nur Hinweise. Jeder Fall, jeder Mensch ist anders", sagt Rank. Es spielt zum Beispiel eine Rolle, wie lange sich Menschen in einem Raum aufgehalten haben, ob sie dabei Masken getragen haben, wie nahe sie sich gekommen sind, oder ob sie draußen waren. Je nach Gegebenheiten muss entschieden werden.


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Wer positiv ist, muss dem Gesundheitsamt eine Liste mit allen Kontakten geben, ab zwei Tage vor den ersten Symptomen, "weil man annimmt, dass die Infektiösität da losgeht", erklärt der Mediziner. Alle Personen mit engerem oder längerem Kontakt zu dem oder der Infizierten fallen unter die Kategorie I, alle anderen laufen unter "Sonstige" und müssen nicht in Quarantäne.

Um da die richtige Grenze zu ziehen, brauche es erfahrene Mitarbeiter und im Idealfall ausgebildete Hygienekontrolleure. Aber das sei das Problem der Pandemie, sagt der Gesundheitsamtsleiter: "Das Anlernen geht schnell, aber man braucht immer jemand Erfahrenes neben dran für Rückfragen." Er finde es sehr schön, dass Bundeswehrler aushelfen oder Reisebüros ihre Hilfe anbieten, aber für diese Arbeit brauche es mehr als die reine Theorie, und Rank zieht den Vergleich zum Autofahren.

Eine ausgebildete Hygienekontrolleurin ist Julia Wittmann. Sie hat die zweijährige Ausbildung inmitten der Corona-Krise abgeschlossen. "Eigentlich ist das ein breitgefächerter Job, aber seit der Pandemie dreht sich die Arbeit hauptsächlich darum", sagt sie. Normalerweise ist sie unter anderem für Kontrollen von Trink- und Badewasser, andere Infektionskrankheiten wie Salmonellen oder die normalen Hygienekonzepte der Kitas zuständig.

Wenige Büros weiter sitzt Tobias Dietrich, gebeugt über einen Laptop. Er ist eigentlich Polizist bei der Polizeiinspektion Treuchtlingen. "Die Arbeit ist schon eine ganz andere", sagt der junge Mann, der Uniform gegen T-Shirt und Blue Jeans getauscht hat. Überfordern würde sie ihn aber nicht. Im Rahmen der Amtshilfe unterstützt er seit Kurzem freiwillig das Gesundheitsamt.


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Hinter Dietrich hebt Ann-Kathrin Baierl gerade den Hörer ab. Die junge Frau arbeitet eigentlich im Finanzamt in Gunzenhausen, und obwohl sie sich jetzt immer noch in einer Behörde und im Innendienst befindet, unterscheide sich die Arbeit deutlich: "Sonst bearbeite ich meine Fälle am PC, jetzt muss ich sehr viel telefonieren und Detektiv spielen." Baierl hatte schon Kontakt mit Personen, die ihr sagen "Corona gibt es nicht!", doch den meisten könne man die Situation gut erklären.

Dann klingelt schon wieder das Telefon. Denn das Gros der Leute, ruft zurück. Liegt dem Team mal keine Nummer vor, kann es das Netzwerk der Polizei mitnutzen oder es geht über den jeweiligen Arzt. "Das Telefon ist mit Abstand das effektivste Mittel", weiß Dr. Johannes Rank. "Einmal", erinnert er sich, "haben wir auch einen Brief eingeworfen, weil wir keine Telefonnummer hatten". Das sei aber eine Rarität.

Dynamik stoppen ist wichtig

Wer eine Quarantäne angeordnet bekommt, ist verpflichtet, diese nach dem Infektionsschutzgesetz einzuhalten. Zu einem Test kann das Gesundheitsamt die Personen der Kategorie I nicht zwingen. Das sei auch nicht verhältnismäßig und zudem nicht entscheidend. "Wichtig ist, die Personen abzusondern. Unsere Aufgabe ist es, die Dynamik rauszubringen, um eine mögliche Verbreitung zu verhindern. Zu glauben, dass wir sie komplett aufhalten können, wäre naiv", macht Rank klar.

Ein immenser Aufwand sei auch die Verwaltung, die mit der Nachverfolgung verknüpft ist – schon allein, weil jede identifizierte Person der Kategorie I eine Quarantänebescheinigung bekommt. Die Dateneingabe dafür übernimmt seit etwa vier Wochen Christine Loy, die sonst im Wasserwirtschaftsamt arbeitet. Auch wenn sich die Arbeit jetzt auf dem Ansbacher Schreibtisch häuft, findet sie es gut, ihre Bürokollegin im Gesundheitsamt entlasten zu können: "Sie hat das bisher alleine gemacht und hat eigentlich andere wichtige Arbeit zu erledigen."

Trotz der hohen Belastung – es wird auch samstags und sonntags gearbeitet – berichtet Dr. Johannes Rank von einem guten Arbeitsklima. Das gemeinsame Ziel schweiße zusammen. Sein Team sei zwar klein, aber dafür schlagfertig: "Jeder trägt Verantwortung."

Und auch wenn die Kapazitäten für die Rückverfolgung auf Kante genäht sind, glaubt Rank, dass ihre Vorgehensweise weiter durchführbar ist. Die Strukturen hätten sich hinsichtlich der Tests und der Nachverfolgung schließlich verbessert. Um bei den Schifffahrtsmetaphern zu bleiben: "Wir fahren auf Sicht. Wir haben keine großen Pläne, wann wir in den Hafen einlaufen."

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