Gunzenhausen: Ein Athlet auf Entzug

24.3.2020, 06:27 Uhr
Gunzenhausen: Ein Athlet auf Entzug

© Mathias Hochreuther

Einer, der trotz – Pardon – fortgeschrittenen Alters als im positiven Sinne Sportverrückter gelten darf, ist Werner Hofmann. Der 67-jährige Gunzenhäuser zählt zu den besten bayerischen Tennisspielern im Seniorenbereich und ist auch als Zuschauer ständig bei Sportveranstaltungen in der Region anzutreffen. Ob beim Fußball in Aha mit seinen Enkelkindern, beim Handball in einer der beiden Gunzenhäuser Hallen bei Spielen des TV oder beim Tischtennis bei seinen Vereinskameraden vom FC Gunzenhausen. Zudem ist er leidenschaftlicher Fan des 1. FC Nürnberg, schaut gerne Handball im TV oder kann sich die Nächte mit Golfturnieren im Bezahlfernsehen um die Ohren schlagen.

"Was macht also Werner Hofmann in dieser in jeglicher Hinsicht sportlich tristen Zeit?", hat sich der Verfasser dieser Zeilen gedacht, und bei Hofmann selbst nachgefragt. Fürs Protokoll: Stattgefunden hat das Treffen auf der Tennisanlage des FC, ehe die Ausgangsbeschränkung am vergangenen Wochenende in Kraft getreten ist; auf die Begrüßung per Handschlag wurde verzichtet und im Gespräch im Freien der nötige Abstand eingehalten.

Zum vereinbarten Termin kommt Werner Hofmann – natürlich – mit dem Fahrrad. Auch wenn es ein E-Bike ist, jede Möglichkeit zur Bewegung wird in diesen Tagen gerne wahrgenommen. Denn der Sportbetrieb in Bayern ruht komplett, auch die von Hofmann stark frequentierten Tennisplätze bleiben bis auf Weiteres gesperrt. Seit fünf, sechs Jahren betreibt er den Sport mit dem kleinen gelben Filzball auf ausdauernde Art und Weise, nicht nur im Spielbetrieb mit dem FC Gunzenhausen, dessen Seniorenmannschaften ja auf Landesliga- oder Bayernliga-Niveau aufschlagen.

Werner Hofmann spielt auch Turniere auf nationaler Ebene und ist in der Rangliste der ITF (International Tennis Federation) geführt. Mehrtägige Wettbewerbe in Stuttgart, München, Göppingen, Koblenz oder Essen standen in den letzten Jahren auf dem Programm des Gunzenhäusers. Zu seinen besten Zeiten schaffte es Hofmann auf Platz vier der deutschen Rangliste, aktuell – Stand 31. Dezember 2019 – ist es Rang 68 (von knapp 300).

"In erster Linie fahre ich zu den Turnieren, weil es mir Spaß macht", sagt Werner Hofmann, dem der sportliche Ehrgeiz aber schon in den Erzählungen deutlich anzumerken ist. Was der drahtige Rentner auch gar nicht bestreitet. "Ich gewinne viele Spiele, weil ich den Willen dazu habe. Ich powere mich richtig aus, wenn ich aber im Match-Tiebreak knapp verliere, gehe ich danach trotzdem zum Gegner und gratuliere ihm", erzählt Hofmann – der schmunzelnd zugibt, dass das früher nicht so war. "Mittlerweile kann ich verlieren."

 

Fußball, Triathlon, Motocross, Golf

 

Denn zum Tennis – auf diesem Niveau – ist Werner Hofmann erst relativ spät gekommen. Lange Jahre hatte er Fußball gespielt, vornehmlich beim "Club". Motocross ist er auch eine zeitlang gefahren, hatte mehrmals beim Rothsee-Triathlon über die Olympische Distanz (1,5 Kilometer Schwimmen, 42 Kilometer Radfahren, 10 Kilometer Laufen) gefinisht und Golf gespielt.

"Tennis hat mich dann irgendwann am meisten fasziniert", sagt Hofmann, der eigentlich am 14. April mit einem Turnier in Nürtingen bei Stuttgart in die Freiluftsaison gestartet wäre. Freilich wurde dieses Turnier ebenso abgesagt wie auch der weitere Tennis-Betrieb. Ende April wäre es für Hofmann und einige weitere Tennisspieler aus der Region zudem wieder in ein einwöchiges Trainingslager gegangen, diesmal stand Tunesien auf dem Plan. "Ein Hotel mit Blick aufs Meer, Tennisplätze genau nebenan, herrlich", schwärmt Hofmann – auch dieses Vorhaben hat sich für das Jahr 2020 erledigt, die Reise ist storniert.

Wie es weitergeht mit dem Sportbetrieb, ist die Frage. Der Bayerische Tennisverband hat ja verkündet, die sportlich nicht beendete Winterrunde 2019/20 trotzdem zu beenden und quasi für null und nichtig zu erklären (siehe Artikel auf dieser Seite), die Entscheidung anderer Sportarten und Fachverbände steht diesbezüglich noch aus. Werner Hofmann hatte diese Lösung schon vor der Bekanntgabe des Verbands favorisiert, aber auch nur mit einem Bauchgrimmen. "Was sagt der aktuelle Tabellenführer, wenn er nicht aufsteigen darf?", fragt Hofmann rhetorisch, "aber wem machst du es da schon Recht, was ist fair? Es ist einfach eine beschissene Situation." Und noch ist ja nicht abzusehen, wann sie vorbei sein wird.

Für einen wie Werner Hofmann, der nur schwer stillsitzen kann, eine nervtötende Angelegenheit. Auch auf die geliebten Besuche der Enkelkinder müssen er und seine Frau ja derzeit verzichten. Aber Hofmann verschafft sich Abhilfe: "Im Haus und Garten habe ich immer was zu tun." Die Enkel dürfen sich auf einen frisch gestrichenen Sandkasten freuen und das Unkraut hat es gerade schwer im Anwesen der Familie Hofmann. In sportlicher Hinsicht hat Werner Hofmann den Hometrainer wieder aus dem Dachboden geholt, Fahrradtouren sind geplant und im Garten wird der Golfball – mit Fahne und Loch – gechippt.

Bei aller Kreativität, für einen Sportverrückten wie Werner Hofmann allenfalls ein schwacher Trost. "Hoffentlich sehen wir uns das nächste Mal wieder auf einem Sportplatz oder in einer Halle", sagt der 67-Jährige zum Abschied und schwingt sich auf sein Fahrrad.