Gunzenhausen: Ein Interview über Reisen in Corona-Zeiten

7.6.2020, 07:58 Uhr
Gunzenhausen: Ein Interview über Reisen in Corona-Zeiten

© privat

Frau Böhm, Sie haben schwierige Wochen hinter sich. Gibt Ihnen die jüngste Entwicklung etwas Hoffnung?

Ich denke schon, dass das ein Silberstreif am Horizont ist. Wir spüren, dass es viele Kunden kaum noch erwarten können, in den Urlaub zu fahren; die haben beispielsweise sofort für den Juli gebucht, nachdem ihre Reise im Juni abgesagt werden musste. Wir haben auch schon Anfragen für den Winter und den Sommer 2021; aber das ist noch ein zartes Pflänzchen.

Reagieren viele Kunden so euphorisch auf die ersten Lockerungen?

Es gibt zwei große Gruppen: die eben beschriebene und dann jene Menschen, die schon jetzt sehr besorgt sind und fast Panik bekommen, weil sie im September einen Urlaub gebucht haben. Und ich habe das Gefühl, dass die Verunsicherten in der Mehrzahl sind.

Weil sie Angst um ihre Gesundheit haben?

Ich glaube eher, weil sie unsicher sind. Weil sie zum Beispiel im Internet allerlei Falsches lesen, etwa, dass man nur mit Schutzmaske am Strand liegen darf – was nicht stimmt. Weil sie nicht wissen, wie sie mit den Gegebenheiten vor Ort umgehen sollen. Weil alles ungewohnt und neu ist.

Kann man diese Menschen nicht verstehen?

Gunzenhausen: Ein Interview über Reisen in Corona-Zeiten

© Jürgen Eisenbrand

Doch, natürlich. Aber Neues muss ja nicht unbedingt schlechter sein als das Alte, das Gewohnte. Wir haben es jüngst, als wir bei einer Demo in Berlin waren, im Hotel selbst erlebt: Man ging mit Maske an den Tisch und bestellte dort beim Ober sein Frühstück. Alles wurde dann frisch zubereitet und serviert.

Aber beeinträchtigen die Corona-Schutzmaßnahmen nicht massiv das Urlaubsgefühl?

Natürlich wird man immer wieder daran erinnert. Aber ich fürchte, wenn wir demnächst unbedingt in den Urlaub fahren wollen, werden wir damit leben müssen.

Wird die Corona-Krise die Einstellung zum Urlaub verändern?

Das könnte schon sein. Vielleicht bekommt das Reisen ja künftig einen höheren Stellenwert, erfährt der Tourismus etwas mehr Wertschätzung. Denn man muss schon sagen, dass Urlaubsreisen zuletzt ziemlich verramscht worden sind.

Wie hat Sie die Krise erwischt? Mussten Sie Kurzarbeit anmelden?

Ja. Wir haben unsere Azubis im Büro, und von den Mitarbeitern kommt jeder einen Tag pro Woche. Denn es gibt viel zu tun mit all den Stornierungen und Rückabwicklungen, die wir als besonderen Service für unsere treuen Kunden übernehmen. Das heißt also, dass wir für sie das bereits gezahlte Geld zurückfordern. Und zwar im Grunde ehrenamlich (lacht), denn Geld bekommen wir ja nur für vermittelte Reisen.

Wäre da nicht das von der Politik ins Spiel gebrachte Gutschein-System hilfreich?

Nein, das ist meines Erachtens keine gute Lösung. Denn manche Kunden, vor allem solche, die vielleicht selbst von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sind, brauchen einfach das Geld.

Wie funktioniert das mit den Veranstaltern? Spielen die auf Zeit, oder geht das reibungslos über die Bühne?

Mit den großen gibt es keine Probleme; es dauert zwar etwas, weil es eben viele Vorgänge zu bearbeiten gibt, aber das Geld kommt zurück. Anders bei manchen Internet-Anbietern: Da gibt es keinerlei Informationen, die bestehen auch bis zum Schluss auf Restzahlungen, obwohl klar ist, dass die Reisen gar nicht stattfinden – ein unmögliches Geschäftsgebaren! In der Branche wird schon darüber gesprochen, dass solche Veranstalter künftig gar nicht mehr gebucht werden.

Sie haben die Demonstration in Berlin erwähnt. Fühlen Sie sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt?

Nein, wir fühlen uns ein wenig im Stich gelassen. Der Staat schützt die großen Veranstalter, die aber fordern von uns die Provisionen zurück. Vielleicht hätte man den Konzernen das staatliche Geld nur unter der Bedingung geben sollen, dass sie auf eine Rückforderung der Provisionen von den Reisebüros verzichten. Aber unsere Lobby war da wohl nicht stark genug, obwohl es bundesweit um 11000 Reisebüros mit über 100000 Mitarbeitern geht.

Sie wollten schon als Schülerin ins Reisebüro, um Ihren Traumjob nachzugehen. Ist er derzeit nicht eher ein Albtraumjob?

Nein, das ist immer noch mein Traumjob. Wir haben viele freundliche Kunden, denen wir helfen wollen und können. Und wir werden ja auch belohnt: Einige brachten schon Kuchen vorbei, ein Kunde aus Berlin hat uns eine Flasche Schnaps geschickt – zum Trost. Manche verstehen aber auch nicht, dass wir ja kein Veranstalter sind und nichts für die Umstände können; die sind dann auch mal etwas unfreundlich, das ist schade.

Wie lange können Sie es sich noch leisten, Ihren Traumjob unter diesen Umständen zu versehen?

Wir haben lange Jahre gut gewirtschaftet und können es schon noch einige Zeit aushalten. Ab der Wintersaison und vor allem im nächsten Sommer muss es dann aber schon wieder laufen.

Wenn ich jetzt in den Urlaub fahren möchte, was könnten Sie mir denn überhaupt anbieten?

Wir in den Reisebüros haben ja auch Angebote für Menschen, die mit dem Auto verreisen. Oder einen schönen Wanderurlaub machen möchten. Und auch die beliebten Flusskreuzfahrtschiffe legen bald wieder ab – mit ganz ausgeklügelten Hygienekonzepten. Und wir haben die große Hoffnung, dass es im Juli wieder mit den Flugreisen losgehen wird und dem Weg in den Süden nichts mehr im Weg steht.

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