Gunzenhausen: Heimtückische Bluttat am frühen Morgen

27.6.2018, 18:16 Uhr
Gunzenhausen: Heimtückische Bluttat am frühen Morgen

© Wolfgang Dressler

Das Amtsgericht Ansbach hat Haftbefehl gegen den Beschuldigten wegen Mordes in vier Fällen erlassen. Der Mann war nach der Tat vom Balkon im dritten Stock gesprungen. Er liegt mit schweren Verletzungen an Becken und Lunge im Krankenhaus und konnte bisher noch nicht vernommen werden. Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger stellte fest, der Mann habe heimtückisch gehandelt, die Wehr- und Arglosigkeit seiner Opfer — der 29-jährigen Ehefrau sowie der neun, sieben und drei Jahre alten Kinder — ausgenutzt. Ein Indiz für das zielgerichtete Vorgehen des Täters: Er hatte ein Schlachtermesser mit einer 16 Zentimeter langen Klinge gekauft. Dieses Messer benutzte er, um alle seine Familienangehörigen umzubringen. Die Polizei fand das Messer neben dem auf dem Boden vor dem Gebäude liegenden, schwer verletzten Täter.

Das Familiendrama hat eine Vorgeschichte, diese wurde gestern von Michael Schrotberger und Hermann Lennert, dem Leiter der Ansbacher Kripo, erläutert. Es handelte sich bei der Familie, die in dem Mehrfamilienhaus lebte, um deutsche Staatsangehörige. Der Vater ist Arbeiter, die Mutter war nicht berufstätig. Es war eine Aussiedlerfamilie mit Wurzeln in Kasachstan.

Am 21. Juni, einem Donnerstag, war die Familie abends beisammen. Der Vater verpasste um etwa 18 Uhr den beiden Söhnen eine Ohrfeige. Die Mutter fotografierte die geröteten Wangen der Buben und übermittelte das Foto einer ihrer Schwestern, die in München lebt. Diese Schwester verständigte daraufhin die Polizei Gunzenhausen. Eine Streife fuhr zu der Familie und fand dort eine mittlerweile "beruhigte Situation" vor. Die Mutter berichtete den Beamten, es sei nicht zum ersten Mal zu Schlägen gekommen. Die Polizisten verhängten daraufhin gegen den Familienvater ein vorläufiges Kontakt- und Näherungsverbot, was der Mann unterschreiben musste. Er erhielt außerdem einen Platzverweis und musste den Wohnungsschlüssel abgeben. Die Mutter und die drei Kinder verließen noch an diesem Abend die Wohnung und fanden Unterschlupf bei einer zweiten Schwester, die im Landkreis Ansbach zuhause ist. Der Familienvater kam bei seinen Eltern unter, die ebenfalls im Landkreis Ansbach leben.

Frauenhaus verständigt

Wie der Oberstaatsanwalt sagte, schaltete die Polizei ordnungsgemäß die Behörden ein. An das Frauenhaus Ansbach ging direkt ein Fax wegen eventueller Hilfsmaßnahmen für die Mutter. Am Freitag ging auch ein Fax an das Jugendamt des Landkreises in Weißenburg ab wegen des Schutzes der Kinder und einer Gefährdungseinschätzung. Am Montag sollte die Mutter Kontakt mit dem Jugendamt aufnehmen. Bereits am Sonntag kehrte die Familienmutter mit den Kindern zurück in die Wohnung in Gunzenhausen. In der Nacht zum Montag tauchte dann der Familienvater vor der Wohnung auf. Die 29-jährige Frau verständigte die Polizei. Eine Streife traf den 31-Jährigen an und richtete an ihn eine "deutliche Ansprache". Beim nächsten Mal käme er in Gewahrsam, wurde ihm klargemacht. Der Mann habe sich schließlich einsichtig gezeigt.

Die Familienmutter fühlte sich allerdings nicht mehr sicher und rief ihren Bruder an, den Schwager des 31-jährigen Familienvaters. Dieser Bruder kam spätnachts in die Wohnung und übernachtete zum Schutz der vier Familienangehörigen dort. Am frühen Montag, nach 5 Uhr, erschien der Familienvater erneut vor der Wohnung. Der Bruder der Frau schickte ihn weg. Über diesen Vorfall wurde die Polizei nicht verständigt.

Im weiteren Verlauf des Montags machte die Familienmutter dann bei der PI Gunzenhausen eine Zeugenaussage und erstattete Anzeige. Sie sei seit Jahren mit häuslicher Gewalt durch den Ehemann konfrontiert. Dieser sei schon so weit gegangen, dass er ihr ein Messer vorhielt. Jetzt wolle sie sich endgültig von ihm trennen. Am Nachmittag kam es in Weißenburg zu einem Beratungsgespräch der Mutter mit Vertretern des Jugendamts. Die Mutter solle am nächsten Tag einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz stellen, wurde vereinbart.

Doch dazu kam es nicht mehr. Der Familienvater meldete sich am Montagabend beim Bruder der Ehefrau und sagte, er brauche noch einige Kleidungsstücke aus der Wohnung. Die Übergabe solle am Hauseingang erfolgen. Ganz früh am Dienstag fuhr der 31-Jährige mit dem Auto nach Gunzenhausen. Um etwa 5 Uhr gelangte er in das Mehrfamilienhaus, als ein Bewohner zur Arbeit ging und die Eingangstür aufmachte. Der Familienvater ging ins Treppenhaus über dem dritten Stock, von dort konnte er die Wohnungstür beobachten. Um 5.36 Uhr rief er von dort den Bruder der 29-Jährigen an, der sich wieder in der Wohnung aufhielt. Der Schwager solle nach draußen kommen und die Kleidung mitbringen. Das tat der Bruder auch, legte das Bündel an den Straßenrand und wartete einige Minuten. Er ahnte nicht, dass er mit List und Tücke ins Freie gelockt worden war.

Gunzenhausen: Heimtückische Bluttat am frühen Morgen

© Jürgen Eisenbrand

Währenddessen ging der Familienvater in die Wohnung, und zwar auf Socken. Die Schuhe ließ er im Treppenhaus. Er kam auch ohne Schlüssel hinein, denn die Tür war bereits beschädigt und nicht mehr sicher zu schließen. In den nächsten ein bis zwei Minuten beging er mit dem Messer die Morde. Einzelheiten dazu wollten die Ermittlungsbehörden gestern nicht mitteilen. Jedenfalls hätten sich den Einsatzkräften später in der Wohnung schreckliche Bilder nach der Messerattacke dargeboten. In einem Zimmer befand sich die Mutter, in einem zweiten das dreijährige Mädchen und in einem dritten die beiden Söhne.

Der Bruder der Familienmutter wartete zunächst draußen auf seinen Schwager. Als er von oben ein lautes Geräusch wahrnahm, schwante ihm Böses. Er eilte in den dritten Stock, hörte Geräusche in der Wohnung und stieß auf seinen Schwager. Dieser hielt das Messer noch in der Hand, beide Hände waren voller Blut. Der 31-Jährige wandte sich ab, rannte zum Balkon und stürzte sich in die Tiefe. Die Polizei fand später einige hundert Meter vom Tatort entfernt den Pkw des Täters.

Umfassend gekümmert

Wie Hermann Lennert und Michael Schrotberger berichteten, dauern die Ermittlungen zu den genauen Hintergründen noch an. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass die Gunzenhäuser Polizei richtig vorgegangen sei. Es habe in den Tagen vor der Tat nun einmal keine Bedrohung durch den Familienvater gegeben. Nur die Ohrfeigen gegen die Buben seien Fakt gewesen. Die Polizei habe sich umfassend um die 29-Jährige gekümmert, und das Kontaktverbot gegen den Ehemann sei ausgesprochen worden. Dieser sei später mit deutlichen Worten darauf aufmerksam gemacht worden, was ihm drohe, falls er die ihm auferlegten Grenzen überschreite. Mehr sei rechtlich nicht machbar gewesen, so der Oberstaatsanwalt, der anmerkte, dass die Polizeibeamten sehr wohl nach der schrecklichen Tat emotional tief betroffen seien.

Der 31-jährige Beschuldigte wird psychologisch begutachtet werden. Im Vorfeld habe es keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung gegeben. Bereits 2013 drohte er jedoch, seine beiden Söhne umzubringen. Der Mann kassierte damals einen Strafbefehl.