Gunzenhausen: Küche wird zu einem Ort der Integration

11.2.2019, 06:15 Uhr
Gunzenhausen: Küche wird zu einem Ort der Integration

© Tina Ellinger

Mhabat Hussein ist in ihrem Element: Eifrig erklärt die 42-Jährige, die in der Küche des "Sonnenhofs" steht, was heute Abend gekocht werden soll. "Auberginen-Kebap mit Reis" kommt auf den Tisch. Die umstehenden Besucher werden von Schwester Liselotte Meier vom "Sonnenhof"-Team mit Schneidebrettchen und Messern ausgestattet und Mhabat Hussein zeigt, wie es gemacht wird.

Seit über fünf Jahren lebt die Syrerin mit ihrer Familie in Gunzenhausen, erzählt derweil ihre 18-jährige Tochter Olyana, die in Aleppo geboren wurde. Sie unterstützt ihre Mutter an den Kochabenden und auch bei den vhs-Kursen (der nächste startet am Mittwoch, 13. Februar), in denen Mhabat Hussein ihre Kochkünste unter Beweis stellt, ist sie mit dabei. Das gebe ihrer Mutter Sicherheit, wenn ihr mal ein deutscher Begriff nicht einfällt, weiß die 18-Jährige.

Da sie Muslime sind, verzichtet die leidenschaftliche Köchin, die übrigens jeden Montag und Mittwoch in der "Adebar" am Gunzenhäuser Marktplatz für den Mittagstisch sorgt, auf Schweinefleisch und Alkohol im Essen. Fleisch gebe es stattdessen fast immer, genauso wie viel Gemüse. "Das syrische Essen ist aufwendiger", meint Olyana. Und es werden viele Gewürze verwendet wie Koriander, Kreuzkümmel und Ingwer.

In der Zwischenzeit hat sich rund um die Kochinsel schon ein angeregtes Gespräch unter den Teilnehmern aus den verschiedenen Nationen entwickelt. Und genau das ist das Ziel des Abends: miteinander in Kontakt zu treten, Vorurteile abzubauen, sich gegenseitig kennenzulernen. "Es geht um interkulturelle Begegnung", bringt es Alexandra Loy auf den Punkt.

Sie koordiniert die Angebote des Modellprogramms im "Sonnenhof", vernetzt sich mit anderen Fachstellen und den Ehrenamtlichen. Dabei wird jedoch das Rad nicht unbedingt neu erfunden, vielmehr werden die bereits bestehenden Angebote geprüft und dahingehend geöffnet. Wie das Kochen zum Beispiel, das für Alexandra Loy ein niederschwelliges und sehr hilfreiches Einstiegsangebot ist. "Daraus entstehen Kontakte", so ihre Erfahrung.

Nicht ganz neu im "Sonnenhof" ist auch die Elternbegleitung: Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte, die Schwester Liselotte schon vor einigen Jahren absolviert hat. Mittlerweile haben sich auch Christiane Borchert, Leiterin des Familienzentrums, und Alexandra Loy qualifiziert. Elternbegleiter fungieren als Ansprechpartner für sämtliche Fragen, die Familien beschäftigen. Dabei sind die Themen so vielfältig wie das Leben – Schwangerschaft, finanzielle Sorgen, Trauer, Fragen zu Krippe, Kindergarten, Einschulung, die Suche nach passenden Unterstützungsmöglichkeiten. Elternbegleiter hören zu, denken mit und begleiten weitere Schritte.

Aus dieser Arbeit heraus ist die Idee für das bundesweite Programm "Starke Netzwerke Elternbegleitung für geflüchtete Familien" entstanden. Damit fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 2017 bis 2020 die Weiterentwicklung flüchtlingsbezogener Elternbegleitung. Ziel ist es, Netzwerke von Elternbegleitern verschiedener Träger und Flüchtlingsfamilien zu stärken. Elternbegleitung soll dadurch nachhaltig im Sozialraum verankert werden. An bundesweit 50 Standorten unterstützen modellhaft lokale Elternbegleitungsnetzwerke zugewanderte Familien beim Ankommen und bei der Integration in der Kommune.

Institutionen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, in denen Elternbegleiter tätig sind, bilden im Rahmen des Programms ein Netzwerk mit wichtigen Partnern im Sozialraum und entwickeln in Abstimmung mit dem zuständigen Jugendamt niedrigschwellige Beratungs- und Begleitungsangebote für geflüchtete Familien. Durch die Elternbegleitungsnetzwerke erhalten neu zugewanderte Familien vor Ort wirksame Unterstützung bei der Integration, insbesondere für die Bildungschancen ihrer Kinder.

Gemeinsamkeit macht stark

In ganz Deutschland gibt es inzwischen 48 Standorte — einen davon in Gunzenhausen. "Die Elternbegleitung kommt erst richtig zum Tragen, wenn sie vernetzt wird. Ehrenamtliche und Fachstellen müssen voneinander wissen. Das geht nur gemeinsam", ist Alexandra Loy überzeugt und konnte schnell Partner für das Projekt gewinnen: So sind inzwischen der Verein Flüchtlingshilfe Wald, die Koki, die Schwangerenberatungsstelle, die Freiwilligenagentur, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Zukunftsinitiative Altmühlfranken mit im Boot. Weitere sollen folgen.

"Wir können das Programm an den Standort anpassen. Das ist das Schöne daran", betont die Koordinatorin, die sich außerdem freut, dass sie die Veranstaltungen über das Modellprojekt kostenlos anbieten kann, denn: "So erreichen wir noch mehr Menschen", ist sie überzeugt. Auch für mehrsprachige Infomaterialien wie Flyer und Plakate steht Geld zur Verfügung.

Loy sieht sich als Lotsin und Anlaufstelle, sowohl für Ehrenamtliche als auch für Fachstellen. "Wir stehen für alle Fragen zur Verfügung." Da kann es um ganz praktische Dinge wie die Schuleingangsuntersuchung oder den Brauch der Schultüte gehen oder auch um Fragen zu Unterstützungsmöglichkeiten und Zuständigkeiten. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Netzwerkpartnern gelingt es, schnell die passende Hilfe zu finden.

In der Küche des "Sonnenhofs" riecht es mittlerweile sehr verlockend. Olyana hat zusammen mit ihrer Schwester und anderen Kindern den großen Tisch schön gedeckt, an dem nun die fleißigen Helfer Platz nehmen. Gespannt warten sie auf das Ergebnis, das Mhabat Hussein frisch aus dem Ofen serviert. Garniert mit netten Gesprächen und neuen Eindrücken einer anderen Kultur schmecken die kleinen Fleischküchle mit Reis und Gemüse nicht nur lecker — sie füllen weit mehr als den Magen.

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