Gunzenhausen: Streetwork in Corona-Zeiten

11.6.2020, 16:46 Uhr
Gunzenhausen: Streetwork in Corona-Zeiten

© Foto: Tina Ellinger

Neben Sozialpädagogin Joana Sämann darf sich nur eine weitere Person zur Beratung in den Räumlichkeiten aufhalten. Sämtliche Gruppenangebote sind aufgrund der Corona-Bestimmungen untersagt. "Dies bringt eine enorme Umstellung mit sich und erfordert eine hohe Flexibilität im Arbeitsalltag", macht Sämann deutlich, die zum Jahresanfang die Stelle der Streetwork-Arbeit bei der Diakonie übernommen hat.

Dass es anders ist als früher, wird schon deutlich, wenn man die Anlaufstelle im Postgässchen in Gunzenhausen betritt: Für gewöhnlich finden Besucher nur zur Urlaubszeit Aushänge an der Eingangstür, aktuell jedoch fordern gleich mehrere Hinweisschilder die Besucher zum Tragen einer Maske, Beachten der Hygiene-Vorschriften und Einhalten der Abstandsregeln auf. Auch um das Desinfizieren der Hände wird gebeten – zum Schutz der Klienten und der Fachkraft. Die Corona-Pandemie bringt viele Hürden und Neuerungen für die sozialpädagogische Praxis in der Streetwork mit sich. "Dennoch geht die Arbeit weiter", erzählt Joana Sämann.

Die aktuellen Regelungen sorgen bereits wieder für Lichtblicke: Zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen war es nicht gestattet, Face-to-Face Beratungen durchzuführen. Diese liefen deshalb vorwiegend telefonisch oder via Videotelefonie ab. Möglich waren ab Mitte April dann Gespräche bei einem Spaziergang – "ein Angebot, das gerne angenommen wurde", so die Fachfrau. "Sozialpädagogische Arbeit lebt von der sozialen Interaktion. Das kann keine Videotelefonie ersetzen", schildert Sämann ihre Erfahrungen.

Sie ist sehr froh, "dass die Anlaufstelle nun wieder Klienten in den Räumen aufnehmen darf und sie im persönlichen Gespräch beraten kann". Die Niedrigschwelligkeit der Streetworkarbeit ist dadurch wieder gewährleistet. "Eine von Obdachlosigkeit betroffene Person tut sich mit weiteren Hürden wie beispielsweise einer Terminbindung enorm schwer. Die Anlaufstelle wird oft spontan aufgesucht", erläutert sie.

Auch während der Ausgangsbeschränkungen bildete die sogenannte mobile und aufsuchende Arbeit das Kernstück der Arbeit: Die Sozialpädagogin geht regelmäßig zu den Treffpunkten der Jugendlichen und jungen Menschen. Dort ist es möglich, mit ihnen im Gespräch zu bleiben und – wo nötig – Aufklärung in Sachen Corona zu leisten sowie Bewusstsein für die geltenden Regelungen zu schaffen. Mittels sozialer Medien erklärt die Streetworkerin zudem die sich immer wieder ändernden Regelungen in verständlicher Sprache.

Aber auch neue Projekte wurden in den letzten Wochen erfolgreich vorangebracht: So baut Sämann mit Kolleginnen aus der Fachstelle für Wohnungsnotfallhilfe und der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit aktuell eine Notschlafstelle in Gunzenhausen auf. "Hier sollen Jugendliche und junge Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, möglichst unbürokratisch kurzfristig unterkommen können", erläutert sie. Unterstützt wird dieses Angebot durch die Firma Hetzner Online, die die Räume zur Verfügung stellt.

Des Weiteren gab Sämann den jungen Menschen einen kleinen Anreiz, um die Kontaktbeschränkungen durchzuhalten: Sie waren dazu aufgefordert, ihr schönstes Masken-Bild zu schicken. Dem Gewinner winkt nun ein leckerer Eisbecher. "Bei allem Ernsthaften ist es wichtig, Freude und kleine Lichtblicke zu schaffen", betont die Sozialpädagogin.

Eine Rückkehr zur Normalität kann sie sich derzeit nicht vorstellen. Im Falle einer zweiten Infektionswelle könnte es wieder zu Beschränkungen kommen. Daher werde sie weiter verstärkt mobil arbeiten, um auch in Zukunft schnelle Hilfe leisten zu können. Die Diakonie-Mitarbeiterin befürchtet, dass insbesondere die Zielgruppe ihrer Arbeit massiv betroffen sein wird: "Arbeits- und Wohnungslosigkeit werden wohl Themen sein, die uns noch lange beschäftigen."

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