Gunzenhäuser Uhren-Räuber muss in Haft

19.4.2019, 17:31 Uhr
Gunzenhäuser Uhren-Räuber muss in Haft

© Jürgen Eisenbrand

Was war geschehen? Am Dienstag, 13. Oktober 2015, einem freundlichen Frühherbsttag, brauten sich kurz vor Mittag dunkle Wolken über dem Laden am Marktplatz zusammen. Nachdem das räuberische Duo, möglicherweise zusammen mit weiteren Beteiligten, die Lage in den Tagen zuvor ausgekundschaftet hatte, betrat der Mittäter gegen 11.49 Uhr, mit einem dunklen Tuch vermummt, das Geschäft – und zog einen täuschend echt aussehenden, silberfarbenen Revolver.

Mit vorgehaltener Waffe ging er zielstrebig auf das an die Verkaufsfläche im hinteren Bereich anschließende Büro zu, wo sich der Inhaber, eine Angestellte und ein Mitarbeiter gerade aufhielten. Da der Mitarbeiter den Revolver über die im Büro installierten Monitore der wenige Wochen zuvor eingebauten Videoanlage erblickte, verrieglten sie rechtzeitig die Tür, bevor der Waffenträger dort angekommen war, alarmierten die Polizei und ließen dem Geschehen im kundenleeren Verkaufsraum seinen Lauf.

28 Uhren weg

Nachdem der erste Eindringling vergeblich am Knauf der versperrten Tür gerüttelt hatte, eilte er zurück und holte mit kurzen Kommandos den ebenfalls vermummten Angeklagten ins Geschäft. Der griff, während der andere den Ladeneingang bewachte, zu einer mitgebrachten Axt, schlug damit eine Vitrine ein und entnahm 28 hochwertige Uhren im Gesamtwert von über 120 000 Euro, die rasch in eine Tasche gesteckt wurden.

Die beiden dunkel gekleideten Diebe flüchteten aus dem Laden, rannten nach links zum Durchgang zur Altmühlpromenade und von dort aus in Richtung Altmühlbrücke. Der Mitarbeiter des Juweliergeschäfts eilte den beiden noch nach, vorlor sie an der Promenade jedoch aus den Augen. Und auch alarmierten Polizeibeamten konnten die Flüchtigen nicht mehr fassen.

Bei der mehr als vierstündigen Gesichtsverhandlung sah Staatsanwalt Dr. Christian Eberlein den Tatbestand des schweren Raubs als gegeben an. Er forderte nicht zuletzt wegen der "Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben" eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren, währen der Anwalt des Angeklagten, der Ansbacher Jurist Matthias Kohla, sechs Jahre für ausreichend hielt.

Auf den Strafrahmen zwischen sechs und sieben Jahren hatten sich der Staatsanwalt, der Verteidiger und das Gericht zuvor verständigt. Der 37-jährige Litauer, der von zwei Polizeibeamten mit Fußfesseln in den Gerichtssaal gebracht worden war, hatte schon zuvor ein Geständnis abgelegt. Bei der Gerichtsverhandlung entschuldigte er sich über seine Dolmetscherin bei seinen Opfern für die Tat.

Bei der Vernehmung der Zeugen – neben Juwelier Luger auch die beiden damals anwesenden Mitarbeiter – wurde eindringlich deutlich, dass der Überfall bis heute tiefe seelische Spuren bei den Beteiligten hinterlassen hat.

"Heute noch Angst"

"Ich habe meinen Beruf in der Branche aufgegeben und habe heute noch Angst", schilderte die Angestellte, die sich einen Hund angeschafft hat und Pfefferspray mit sich führt, wenn sie das Haus verlässt, vor Gericht die persönlichen Folgen: "Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen!"

Als großes Glück empfinden es alle drei, dass sie zur Tatzeit nicht im Laden, sondern im Büro waren und dieses rasch verriegeln konnten.

Bei der Ermittlung der Täter waren die im Geschäft gemachten Videoaufzeichnungen, sehr hilfreich, so der Hauptermittler der Ansbacher Kripo. Auf ihnen sind die Täter, die auch noch in anderen Orten Deutschlands ihr Unwesen trieben, deutlich zu erkennen. Klarheit brachten zudem die DNA-Analysen, die anhand der einige Kilometer von Gunzenhausen entfernt aufgefunden Tatbekleidung der Räuber möglich waren. Nicht mehr aufgetaucht sind die Beute und die Tatwaffe.

Der Mittäter des Angeklagten, ebenfalls aus Litauen stammend, wurde bereits im Januar 2016 in Gunzenhausen verhaftet und im September des gleichen Jahres vom Landgericht Ansbach zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Der 37-jährige Angeklagte selbst wurde aufgrund eines europäischen Haftbefehls vor rund einem Jahr in seinem Heimatland festgenommen und im Juni 2018 nach Deutschland ausgeliefert. Der unter anderem wegen schweren Diebstahls mit Gewaltanwendung einschlägig vorbestrafte gelernte Techniker und Mechaniker, der mit seiner Lebensgefährtin eine siebenjährige Tochter hat, saß danach in der Ansbacher Justizvollzugsanstalt in U-Haft.

Angesichts aller Fakten sah Staatsanwalt Eberlein den Tatbestand des schweren Raubs (bis zu 15 Jahre Haft) als voll erfüllt. Zugunsten des Angeklagten sprachen für ihn das Geständnis und die Entschuldigung. Allerdings müsse man auch die Vorstrafen und den sehr hohen Schaden sehen — und die psychischen Folgen für die Betroffenen: "Sie mussten in den Lauf des Revolvers blicken. Die Tat ist für sie eine Zäsur, die nicht rückgängig gemacht werden kann!"

Professionell und kaltblütig

Eberlein bescheinigte den räuberischen Duo eine "nicht unerhebliche kriminelle Energie" und eine "professionelle und kaltblütige Vorgehensweise". Er hielt eine Strafrahmen von sieben Jahren für "angemessen". Verteidiger Kohla warf vor allem das reuige Verhalten des Juwelenräubers in die Waagschale und plädierte für sechs Jahre Haft.

Genau in der Mitte, nämlich bei sechseinhalb Jahren, landete schließlich das vom Vorsitzenden Richter Claus Körner verlesene Urteil. Dies sei angemessen, um die Tat zu sühnen. Er teilte die Auffassung des Staatsanwalts: "Die Täter haben die Sache in 75 Sekunden mit hoher krimineller Energie und professionell durchgezogen."

Das Geständnis und die Entschuldigung hülfen angesichte der psychischen Folgen für die Betroffenen nicht viel. Die Tat sei geplant gewesen, die Schusswaffe verwendet worden. Auch sei ein Schaden von 120 000 Euro "keine Kleinigkeit". Und nicht zuletzt habe Juwelier Luger nach der Tat durch Sicherheitsauflagen der Versicherung eine Summe im hohen fünfstelligen Bereich in sein Geschäft investieren müssen, was zusätzlich zum Diebstahlschaden beachtet werden müsse.

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