Kein Dummer- Jungen-Streich

11.4.2019, 05:55 Uhr
Kein Dummer- Jungen-Streich

© Peter Förster/dpa

Mittlerweile sollte jedes Kind wissen: wer im Internet unterwegs ist, hinterlässt Spuren. Jeder Rechner hat eine Nummer, und die wird gespeichert. Der digitale Fingerabdruck ist wie der von einer menschlichen Hand: unverwechselbar. Bei einem Server in den USA landete der "Fingerabdruck", den der junge Mann aus Gunzenhausen hinterließ. Das FBI war hinter dem Betreiber kinderpornografischer Seiten her, leitete die Daten an das Bundeskriminalamt weiter, und die informierten die Kollegen vor Ort.

So standen im Oktober 2017 Polizeibeamte vor dem ahnungslosen Manfred Berthold (Name geändert), kassierten Rechner und Tablet und fanden eine Menge einschlägiger Dateien darauf. Jetzt, eineinhalb Jahre später, kam die Angelegenheit vor Richter Christian Eichhorn.

Staatsanwältin Jennifer Keitel listete das gesicherte Datenmaterial akribisch auf: Bilder von Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren in eindeutig-erschreckenden Situationen. Die Frage, die sich nicht nur der Richter stellte, ist die nach dem Warum. Warum schauen Jugendliche und Heranwachsende wie Manfred genau solche Filme und Fotos an?

Den Versuch einer Antwort gab Bertholds Verteidiger Markus Becker aus Gunzenhausen: "Aus Neugier." Im so genannten Darknet könne man alle Hemmungen fallen lassen und nicht nur Waffen oder Drogen besorgen, sondern auch Kinderpornos.

Mit 13, 14 Jahren habe sein Mandant begonnen, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Auch wenn der Zugang zum Darknet verschlüsselt und kompliziert ist, stellt er für einen internet-affinen Menschen keine große Barriere dar. "Wenn man weiß, wie es geht, ist alles ganz leicht", sagte der Anwalt. Richter Eichhorn hat dafür überhaupt kein Verständnis. "Der Besitz von kinderpornografischem Material ist in Deutschland sozial geächtet und strafbar", stellte er unmissverständlich fest.

Die Frage nach dem Warum beschäftigte auch die Jugendgerichtshilfe. Eine Mitarbeiterin des Jugendamts schilderte die Persönlichkeit Bertholds. "Er ist sozial isoliert, und seine Welt ist der PC." In der Kindheit sei der junge Mann stark übergewichtig gewesen, als Einzelkind aufgewachsen, habe mit den Großeltern in einem Haus gelebt. Vor zwei Jahren "baute" er sein Fachabitur, studierte kurzzeitig Lebensmittel-Management, startete dann eine Lehre als Einzelhandelskaufmann. Die brach er nach vier Wochen wieder ab. "Es fällt ihm schwer, mit Gleichaltrigen Kontakt aufzunehmen", konstatierte die Fachfrau des Jugendamtes.

Im Internet dagegen habe er sich wohlgefühlt. Die Eltern seien berufstätig, Berthold sei mehr oder minder sich selbst überlassen gewesen. Eine Persönlichkeit, die keine Perspektive für sich sehe, so das Fazit.

"Und was machen Sie jetzt, da Sie alles abgebrochen haben?" Auf diese Frage des Richters kam die prompte Antwort: "Zu Hause doof rumsitzen." Die Ermittlungsarbeit der Polizei habe ihn "schwer beeindruckt", Berthold wisse, dass er einen Fehler gemacht habe, so sein Anwalt.

Die Staatsanwältin forderte als Strafe 80 Stunden gemeinnützige Arbeit. Der Rechner und auch das Tablet sollten eingezogen bleiben. "Den bekommen Sie nie wieder", so Jennifer Keitel.

Er habe noch keinen Weg in seinem Leben gefunden, charakterisiert Becker seinen Mandanten. Da er geständig und nicht vorbestraft war, plädierte der Verteidiger auf 40 Stunden. Richter Eichhorn sprach jedoch ein ganz anderes Urteil: "Zwei Tage Kurzarrest, die kürzest mögliche Freiheitsstrafe." Zudem verdonnerte er Manfred Berthold dazu, Termine beim Jobcenter zu vereinbaren und sich einer psychosozialen Therapie zu unterziehen.

Eichhorn wollte dem Angeklagten drastisch vor Augen führen, "wohin die Reise geht", wenn er nicht aus seinen Fehlern lerne. Es sei ein großes Problem, wenn sich junge Menschen lieber solche Art von Bildern anschauten, statt Kontakte zu knüpfen. Und schließlich schrieb er Manfred Berthold noch dies ins Stammbuch: "Ein großer Duscher – und Sie erleben im Gefängnis die Hölle auf Erden."

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