Keine Personalprobleme auf der MS Brombachsee

24.9.2017, 12:59 Uhr
Keine Personalprobleme auf der MS Brombachsee

© Daniel Hertwig

Sein Arbeitsort ist eng, fensterlos und liegt unter Deck, doch Erik Wittmann ist das gewohnt. Der kräftige Mann mit dem Ziegenbart belegt gerade eine Wurstplatte für den Brunch am nächsten Vormittag. Die Arbeit in einer schmalen Schiffskombüse beherrscht er aus dem Effeff, nur schwankt es auf der „MS Brombachsee“ etwas weniger als Wittmann das von früher kennt: Der Odenwalder hat jahrelang als Koch bei der Marine gearbeitet.

Ob auf dem Atlantik, dem Mittelmeer oder der Ostsee, bei jedem Wellengang hatte Wittmann die Kameraden zu versorgen, bis zu 200 Mann. Seine Kochlehre hatte er auf dem Festland absolviert, dann zog es ihn zur Bundeswehr. Weil er nicht „durch den Dreck robben“ wollte, so sagt er, entschied er sich für die Marine. „Es war eine schöne Zeit, man hat was gesehen von der Welt“, so der ehemalige Zeitsoldat. Doch für seine Frau beendete er die Hochseefahrerei und schaute sich im Fränkischen Seenland nach einer Arbeit als Koch um. Dass er mit der „MS Brombachsee“ wieder auf einem Schiff landete, sei eher Zufall gewesen.

Kein Zufall sind solche Geschichten für Marcus Wilken. Der Betriebsleiter des Trimarans hat unter seinen 40 Mitarbeitern viele, die eher unverhofft am Brombachsee oder in der Gastronomie gelandet sind. „Wir kriegen teils Quereinsteiger, die nach zwei bis drei Jahren echte Fachleute sind und hier fast alles machen können“, freut sich Wilken.

Der Niedersachse ist mit seiner Ehefrau und Co-Betriebsleiterin zur Jahrtausendwende nach Franken gekommen, um das von der Lux-Werft gebaute Boot — Dagmar Wilken entstammt der Eigentümerfamilie — mit kulinarischem und kulturellem Leben zu füllen. Marcus Wilken selbst hat ebenfalls Koch gelernt, dann Wirtschaftslehre studiert, die Arbeit an und auf der „MS Brombachsee“ sei seine „Leidenschaft“, sagt er.

Dass sie sich mit Freude um die Gäste kümmern, erwartet Wilken auch von seinen Mitarbeitern. Er weiß natürlich, dass man in anderen Branchen mehr verdienen kann und dass die in der Hauptsaison langen Arbeitstage von zehn, elf Stunden sehr anstrengend sind — zudem werden viele jeden Winter für zwei Monate freigestellt, da das Geschäft auf dem See dann ruht. Außer den Wilkens sind noch fünf Angestellte das ganze Jahr lang beschäftigt, für den Rest ist es eine Saisonarbeit. Doch Wilken versucht, diese Saison so lang wie möglich am Laufen zu halten, mit Partys und Konzerten an Deck beispielsweise, Ende September findet ein „Oktoberfest“ statt. Außerdem bezahle er „fast allen“ mehr als den Mindestlohn, die Festen bekämen zusätzliche Prämien.

Und auch wenn immer wieder Beschäftigte nach einigen Monaten aufhören, herrscht auf der “MS Brombachsee” laut Wilken keine Personalnot. Momentan suche er keine zusätzlichen Kräfte. Viele Mitarbeiter seien seit Jahren dabei, manche 12, 15 oder 17 Jahre, wie Schiffsführer Michael de Buhr, der schon am Bau des Trimarans beteiligt war.

Mehrere Jahre gehört zum Beispiel Xian Puchinger zum Team. Die Chinesin arbeitet als Servicekraft und bedient die Gäste, darunter viele Gruppen, die gerne Pauschalangebote mit Kaffee und Kuchen buchen — so wie heute beispielsweise die Diakonissen aus Neuendettelsau. Puchinger, die ihr Alter lachend mit „über 40“ angibt, hat einen Siemens-Ingenieur geheiratet. Sie wohnen in Pleinfeld, Puchinger suchte nach einem Job, den sie mit dem Fahrrad erreichen kann und fand dadurch zur „MS Brombachsee“. Ihr macht die Arbeit sichtlich Spaß — auch wenn sie gerade in Dubai sein könnte, wo ihr Mann derzeit im Einsatz ist.

„Die Leute hier lassen sich von der besonderen Atmosphäre auf dem Schiff beeindrucken“, glaubt Marcus Wilken. Das fördere die Motivation. Er fühle sich dabei „immer ein bisschen wie im Urlaub“, weil die Fahrgäste meist entspannt seien. Da gehe es in vielen Büros ruppiger zu. Gut gelaunt scheinen auch zwei der ganz jungen Mitarbeiterinnen: Annkristin Schwarz aus Weiboldshausen hat dieses Jahr im August eine Ausbildung zur Kauffrau für Freizeit und Tourismus begonnen. Sie habe einen Bürojob gewollt, bei dem sie trotzdem manchmal rauskomme, so die 19-Jährige. Nun lernt sie die Gastronomie auf dem Schiff kennen, aber auch die Verwaltung des Betriebs. Auf dem Schiff sei es schon körperlich anstrengender, doch nicht zu sehr, sagt sie. Und die Kunden seien nett. Sie selbst war vorher nur einmal, für die Abschlussfeier der Realschule, auf dem Trimaran.

Anstrengend findet Teresa Neufanger den Job ebenfalls — für sie ist er jedoch tatsächlich nur eine „praktische“, weil nah am Wohnort gelegene, Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Die 18-Jährige hat in Schwabach Abitur gemacht, was sie nun als Aushilfe verdient, will sie in ein Auslandsjahr in Bolivien investieren. An Bord gefalle es ihr „super“, so die junge Frau. Dauerhaft auf dem Schiff bleiben wird sie nicht. Auch Ahmad Karimmigaleh hat das nicht vor. Der Iraner unterstützt Koch Wittmann in der Küche, doch künftig möchte der 36-Jährige als Techniker an Land arbeiten. Von Schiffen hat er nach 17 Jahren auf Tankern und sogar Kriegsschiffen die Nase voll. Er sei technischer Offizier bei der iranischen Marine gewesen, später habe er aus politischen Gründen über drei Jahre im Gefängnis gesessen. Vor zwei Jahren floh er nach Deutschland, wo er auf Asyl hofft. In der Zwischenzeit, und während er sein Deutsch verbessert, arbeitet er eben in der Kombüse.

Doch das soll für Karimmigaleh nur ein Sprungbrett für ein technisches Studium oder eine gute Anstellung in diesem Bereich sein. Vorher habe er für fast kein Geld in Beschäftigungsmaßnahmen gearbeitet, das sei für ihn kein Problem gewesen: Er habe es aus „Respect for Germany“ getan, wie er auf Englisch erklärt. Der Bundeskanzlerin, deren Doktortitel er ehrfürchtig nennt, habe er aus Dankbarkeit für die Gastfreundschaft der Deutschen einen Brief geschrieben und sogar eine Antwort erhalten.

Dass seine Truppe so bunt zusammengewürfelt ist, darauf ist Marcus Wilken stolz — die Begegnungen seiner Mitarbeiter mit einem Journalisten überlässt er daher natürlich nicht dem Zufall. Es sei nicht leicht, neues Personal zu finden, doch er staune immer wieder, was für Kandidaten dann doch den Weg an den Brombachsee finden. Über das Arbeitsamt kam er an einen weiteren Schiffsführer und Bootsmann: Der gebürtige Nürnberger Martin Mangelsdorf wollte nach 16 Jahren als Schiffer auf dem Rhein zurück in die Heimat.

Klar, sagt der 43-Jährige, auf den Frachtschiffen könne man schon mehr verdienen. Doch das sei eben auch mit längeren Arbeitszeiten und wochenlangen Abwesenheiten von Zuhause verbunden. Seit April steuert er nun die „MS Brombachsee“, vier bis sechs Mal pro Tag dreht er die Runde über den See. Trotz seiner langen Erfahrung hält der Trimaran für den Schiffsführer aber eine Besonderheitbereit: Er sitzt hier ganz vorne statt wie auf einem Frachter hinten, mit den Containern vor der Nase. Das ist aber auch nötig, denn beim Anlanden fährt Mangelsdorf den Trimaran ein Stück weit aufs Ufer, damit die Gäste ein- und aussteigen können. „Das ist alles Gewöhnungssache“, sagt der Nürnberger. „Jedes Schiff ist anders. Ein bisschen wie bei einer Frau — da muss man auch erst gucken, wie sie tickt.“

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