Kommentar: Boykott im Gunzenhausener Stadtrat

5.10.2019, 18:11 Uhr
Kommentar: Boykott im Gunzenhausener Stadtrat

© Wolfgang Dressler

Die Stadträte sind gewählt worden und haben sich dazu verpflichtet, sich für das Allgemeinwohl ins Zeug zu legen. Sie haben bestimmte Pflichten, die sie erfüllen müssen. Einfach zu Hause zu bleiben, wenn ein wichtiger Termin ansteht, entspricht ganz bestimmt nicht dem Wortlaut und dem Sinn der Gemeindeordnung. Insofern kann man der öffentlich ausgeprochenen Rüge des Bürgermeisters und Sitzungsleiters Karl-Heinz Fitz zustimmen. "So geht es nicht!", darf man der SPD-Fraktion und ihrer Vorsitzenden Angela Schmidt zurufen. Ob sich daraus eine Art "Verfahren" ergibt – mit einer vom Stadtrat zu beschließenden Geldbuße gegen die unentschuldigt Ferngebliebenen – steht auf einem anderen Blatt und darf bezweifelt werden. Das wäre dann doch zu viel "Kindergarten" und würde nur allgemeines Kopfschütteln nach sich ziehen, das Ganze wenige Monate vor der Kommunalwahl 2020.

Viel interessanter und wichtiger ist die politische Bewertung des SPD-Vorgehens. Man muss wissen, dass es den Sozialdemokraten ein wirkliches Herzensanliegen war und ist, dass die Stadt aktiv eingreift, um die Wohnmarktsituation in Gunzenhausen zu verbessern und neue, preisgünstige Wohnungen zu schaffen. Sie glaubt, dass dies unbedingt geschehen sollte. Andere Kommunen tun es auch, sie haben ihre Gründe. Die Förderung eines solchen kommunalen Projekts durch den Staat ist ein bedeutsamer Aspekt unter vielen und muss vor einer Entscheidung geklärt werden. Dazu muss selbstverständlich mit der Regierung von Mittelfranken gesprochen werden. Die Verwaltung hat das getan, sie hätte auch gerne die Fraktionsvorsitzenden einladen können, an diesem Termin teilzunehmen.

Dass die SPD nun in den "Streik" getreten ist, hat mit ihrer Gemütsverfassung zu tun. Sie sieht sich bei dem Thema seit langem ignoriert, blockiert und ausgebremst. Und sie sieht keine Chance auf eine Mehrheit im Stadtparlament für ein städtisches Wohnbauprojekt auf besagtem Areal in der Weißenburger Straße. Nichtöffentlich sind da bereits einige Kontroversen ausgetragen worden.

Nun hat die zweitgrößte Fraktion trotzig reagiert. Dabei war es doch die SPD, die eine öffentliche Sitzung forderte, nun auch bekam – und dennoch nicht teilnahm. Das verstehe, wer will. Sie hat sich damit womöglich einen Bärendienst erwiesen und keine Sympathie für sich unter den anderen Fraktionen und der Verwaltung geweckt. Die SPD ist hier isoliert, und andere fragen sich, ob mit dieser Fraktion überhaupt Staat zu machen sei.

Und dennoch darf man, muss man die Frage stellen, ob die Stadtpolitik in diesem Punkt die richtigen Schwerpunkte setzt. 18 Millionen Euro wurden für die Stadthalle ausgegeben, bei sehr geringer staatlicher Förderung, der Stauraumkanal in der Promenade kostet ebenfalls Millionen, der Hochwasserschutz, den die Stadt mitfinanziert, wird teurer als gedacht, und die Umgestaltung des Altmühlufers wird auch ins Kontor schlagen.

Die Sanierung des Rathauses fing als relativ kleines Vorhaben und hat sich immer mehr ausgeweitet inklusive Klimatisierung. All das erscheint notwendig, und für alles ist Geld da – die Steuereinnahmen flossen zum Glück reichlich und tun es immer noch. Und alles wurde einstimmig auf den Weg gebracht.

Jetzt tritt eine deutliche Mehrheit in Sachen kommunales Wohnbauprojekt auf die Bremse, vertraut auf die Privatwirtschaft, die so etwas ja besser könne als die öffentliche Hand, verweist auf die vielen Wohnungen in städtischer Hand, für die eine eher geringe Miete verlangt wird, und auf die finanziellen Lasten, die auf die Stadt zukämen. Dazu ist zu sagen, dass die privaten Bauträger in den letzten Jahren in der Tat viel gebaut haben, aber deren Preisniveau für Normalverdiener und schon gar nicht für Geringverdiener  erschwinglich ist.

Welchen Weg die Stadt einschlagen sollte, ist strittig – so geht nun mal Demokratie. Mehrheiten entscheiden. Und damit sind wir wieder beim 15. März 2020, dem Tag der Kommunalwahl. Seit der vergangen Stadtratssitzung hat Gunzenhausen ein Wahlkampfthema. Jeder Bürger ist aufgefordert, zu überlegen, was er als richtig ansieht und welche Argumente er für die besseren hält.

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