Kühe hüten am anderen Ende der Welt

16.10.2016, 08:03 Uhr
Kühe hüten am anderen Ende der Welt

Während andere im elterlichen Betrieb bleiben oder als Betriebshelfer zum Maschinenring gehen, zog es sie in die weite Welt. „Meine Eltern hielten es anfangs noch für einen Witz“, erklärte sie im Gespräch mit dem Altmühl-Boten. Als sie sich dann allerdings um ein Visum und eine Auslandsversicherung kümmerte, wurde auch ihnen klar, dass sie es durchaus ernst meinte.

Zuerst reifte in ihr der Plan, nach Australien zu gehen. Allerdings realisierte sie mit der Zeit, dass man dort riesige Strecken zu bewältigen hat, und auch das Klima sagte ihr nicht wirklich zu. Hinzu kamen noch die unzähligen gefährlichen Tiere — und viele Milchviehbetriebe gibt es auf dem fünften Kontinent auch nicht. Dies war aber ihr Hauptanliegen, weil sie nach ihrer Ausbildung wieder mit Milchkühen arbeiten wollte.

Letztendlich kam sie daher auf Neuseeland. Die Landwirtschaft sei dort immer noch stark verbreitet, und das Klima sei auch um Welten besser, erklärte Marie. Die Neuseeländer exportieren viel Milch, wie sie auf ihren Suchen nach einer passenden Farm im Internet herausfand. Sie entschied sich für einen Betrieb auf der Nordinsel und einen anderen auf der Südinsel. Beide werden von Schweizern geführt.

Schnell war alles geklärt, und Marie saß im Flieger nach Neuseeland. Auf der Farm im Norden erwarteten sie 350 Kühe. Die sind in Neuseeland ganzjährig auf der Weide und werden zweimal am Tag zum Melken gebracht — das System nennt sich Umtriebsweiden. Anschließend geht’s zurück ins Grüne. Besonders arbeitsintensiv und anstrengend sei es gewesen, als alle Kühe innerhalb einiger Wochen ihre Kälber zur Welt brachten. Dies sei aufgrund der saisonalen Abkalbezeit so, erklärte Marie.

Trotz der vielen Arbeit sei das aber eine sehr schöne Zeit gewesen, erinnerte sie sich. Für die Kühe sei die Zeit kurz vor den Geburten fast wie Urlaub, da sie sechs bis acht Wochen lang nicht mehr gemolken werden, um Ruhe für die Bildung der Kälber zu haben. So können dem Kalb viel mehr Nährstoffe zugeführt werden, die ansonsten bei der Bildung der Milch benötigt werden.

Das Trockenstellen sei auch in Deutschland weit verbreitet, nur gebe es hier eben keine saisonale Abkalbezeit, weil man dafür mehr Platz brauche, erklärte Marie. Gerade dieser stehe den meisten Bauern aber nicht zur Verfügung. Würde man dennoch alle Kühe innerhalb kürzester Zeit kalben lassen, könnte es durch den Platzmangel auch noch zu einem Krankheitsproblem kommen, da sich Infektionen auf engem Raum sehr schnell verbreiten könnten. Deshalb sei es dem Bauer meist lieber, wenn die Kühe nach und nach gebären.

Nicht Menge, sondern Inhalt

Kühe hüten am anderen Ende der Welt

Als die Kälber geboren waren, ging es natürlich mit der Aufzucht der Kleinen weiter. Sie mussten mit Milch versorgt und die Kühe wieder gemolken werden. Im Gegensatz zu anderen Ländern werden die Kiwis, wie sich die Neuseeländer aufgrund ihres Nationaltiers – dem Kiwivogel — selbst gern nennen, nicht nach Litern, sondern nach den Inhaltsstoffen ihrer Milch bezahlt. Dabei geht es hauptsächlich um deren Fett- und den Eiweißgehalt.

Dadurch achten sie viel mehr darauf, dass die Kühe gute Milch geben — und nicht so sehr auf die Menge. Hierfür haben die Neuseeländer sogar eine eigene Rasse gezüchtet. Die „Kiwi-Cross“-Kühe sind eine Kreuzung aus den schwarz-weiß gefleckten Holsteinkühen, die es auch in Deutschland gibt, und den braunen Jerseys. Der Mix ist dann schwarz oder dunkelbraun und mittelgroß mit einer guten Milchleistung und vielen der gewünschten Inhaltsstoffe. Neben der Arbeit mit den Kühen half sie auf der Farm mit, neue Zäune zu bauen, das Unkraut zu regulieren oder machte, was gerade so anfiel.

Im Anschluss flog sie auf eine Farm auf der Südinsel. Da wurden aus den 350 Kühen dann mit einem Schlag 1300. Das sei schon eine richtige Produktionsfarm gewesen, betonte Marie. Dort sei sie mitten in die Hochsaison hineingekommen, und es ging hauptsächlich ums Melken.

Leider lebte sie dort nicht mehr in einer Familie wie auf der kleineren Farm, sodass sie einige Zeit brauchte, um sich einzugewöhnen. Ihre Arbeit bestand hauptsächlich daraus, dass sie die Kühe von der Weide zum Melken bringen musste. Dafür bekam sie sogar ein eigenes Mofa. Die Arbeit fing in der Früh mit dem Holen der Kühe um 2.30 Uhr an und dauerte bis etwas 9.30 Uhr. Anschließend ging es mit anderen Arbeiten weiter, und nachmittags durfte sie wieder die Kühe von der Weide holen. Über ein halbes Jahr blieb sie dort.

Produktionskosten niedrig

Besonders begeisterte sie an Neuseeland, dass die Produktionskosten auf den Farmen sehr niedrig sind. In Deutschland sei dies viel teurer — allein schon, weil man viel mehr Gebäude brauche und modernere Technik nutze. Die „Kiwis“ können dennoch oder gerade wegen ihrer ganzjährigen Weidehaltung sehr gut am Weltmarkt mithalten. Es gebe dort zwar nicht annähernd so viele Auflagen zur Milchviehhaltung wie in Deutschland, aber dadurch, dass es so viele Farmen gebe, sei es trotzdem ein sehr hartes Business, was die Bauern zu richtigen Managern mache, erklärte Marie.

Natürlich wollte sie sich auch Neuseeland anschauen. Dafür kaufte sie sich ein Auto und schaffte es schnell, sich an den Linksverkehr zu gewöhnen. An ihren freien Tagen besuchte sie beispielsweise Matamata, die Hobbit-Siedlung, die für den Dreh der „Herr-der-Ringe“-Filme gebaut wurde. Natürlich war das nicht ihr einziges Ausflugsziel.

Mit ihrem Auto war sie flexibel und konnte sich ansehen, was sie am meisten interessierte, und davon gibt es in Neuseeland jede Menge. Zurück in Deutschland will Marie nun die Landwirtschaftsschule und anschließend vielleicht den Meister in Angriff nehmen.

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