Mentalist verblüfft Gunzenhausen

24.10.2016, 18:02 Uhr
Mentalist verblüfft Gunzenhausen

© Kristy Husz

Wer bei dem Wort „Mentalist“ an die gleichnamige Fernsehserie denken muss, liegt nicht falsch; die Hauptfigur löst knifflige Kriminalfälle mit einer außergewöhnlichen Beobachtungs- und Kombinationsgabe, mit Menschenkenntnis und Charme. Und auch Mitterer hat keine übersinnlichen Fähigkeiten, doch er besitzt viel Einfühlungsvermögen, ein gutes Gedächtnis und als Sahnehäubchen ein Repertoire schöner Taschenspielertricks. Dank dieser kann er etwa „erraten“, welcher Farbton sich bei einem bunten, in ein Schächtelchen gesteckten Würfel oben befindet. Gelernt hat er das, so erzählt er, in Berlin bei der Tochter eines in den 1960er-Jahren prominenten sowjetischen Tricksers.

Richtig spannend ist allerdings, wie der Mentalmagier, unter Rückgriff auf sein psychologisches Know-how, sich dieses Kabinettstückchen in einem zweiten Schritt zu eigen macht. Zuschauerin Ute soll dazu zunächst einen Begriff ihrer Wahl nennen und dann mehrmals den Würfel mit einer von ihr bestimmten Farbe zwischen ihren Handflächen statt in dem Kästchen verbergen. Nur mit ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung und durch geschicktes Hineinversetzen in sein Gegenüber, das ihm durch die Wahl des Begriffs mehr als genug über sich selbst offenbart hat, kommt Mitterer jedes Mal auf die richtige Lösung.

Ute ist baff, genauso wie Holger, der die Körperteile eines Tieres auf einem Flipchartbogen tatsächlich in den Farben anmalt, die der Zauberkünstler vorhergesehen hat, oder wie Volker, der sich ähnlich dem Verfahren in der Gameshow „Geh aufs Ganze!“ zwischen drei potenziellen Gewinnumschlägen entscheiden und dabei den Beeinflussungskräften des Moderators wie geplant geschlagen geben muss.

Anderes läuft dafür nicht hundertprozentig so wie gewünscht, kleine Unwägbarkeiten tauchen in einem solchen Metier eben naturgemäß auf, räumt der sympathische junge Mann aus Simbach am Inn augenzwinkernd ein. Außerdem handelt es sich bei dieser Veranstaltung ja um eine Deutschlandpremiere, da darf es schon hier und da holpern. „Heavy Mental“ heißt das nagelneue Programm, und wie bereits bei „Veritas“ im Vorjahr und seinem Auftritt beim ersten Kulturherbst 2014 ist Mitterer in Gunzenhausen ein gern gesehener Gast, von dem sich die Menschen bereitwillig unterhalten oder gar auf die Bühne holen lassen.

Vertrautes vergessen

Dass sie im Scheinwerferlicht mitunter akribisch durchleuchtet und manipuliert werden, dass durch Stimme, Mimik und Körpersprache mehr über sie zu erfahren ist, als sie selbst zu Beginn für möglich gehalten hätten, ist irritierend und faszinierend zugleich.

Eine jugendliche Dame wird hypnotisiert und vergisst vertraute Dinge, wohingegen ihre Freundin stellvertretend für alle lernt, wie viel Stärke eigentlich Autosuggestion verleiht. Neben dem Staunen und dem kollektiven Rätselraten im verblüfften Publikum bei den unergründlichen Nummern ist es dieser Lerneffekt, der richtig Spaß macht und von Mitterer mit teils verblüffend einfachen Erklärungen befeuert wird.

Zu guter Letzt wird an die Massenhysterie erinnert, welche Orakel im viktorianischen England auslösten: Mitterer beantwortet mit Hilfe seines pflichtbewussten „Assistenten“ Marius und vier von diesem ausgesuchten Sprechern die an die Zukunft gerichteten Fragen, die zuvor in den ersten Reihen auf Zettel geschrieben wurden und ihn nun scheinbar per Gedankenübertragung erreichen – die Augen verbunden, nimmt er telepathisch zu den Köpfen der Fragesteller Kontakt auf und überrascht damit, was er dort so alles herausfischt.

Der Orakelpart hat ein paar Längen und sorgt stellenweise für Verwirrung, trotzdem dürfte er den Beteiligten einen Erkenntnisgewinn gebracht haben und ist als Höhepunkt der Show aufregend anzugucken. David Mitterer, optisch halb „Geek“ und halb mustergültiger Schwiegersohn, braucht nämlich keine wallenden Gewänder, Nebelwolken, zersägten Jungfrauen oder weißen Kaninchen, um sein Publikum zu verzaubern. Für intelligente Illusionen reichen sein aufgeschlossenes Wesen, der Wissensdurst der Co-Akteure sowie das Fehlen von Berührungsängsten den ganzen Abend über vollkommen aus.

 

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