Piraten wollen kein starres Parteiprogramm

1.6.2012, 18:47 Uhr
Piraten wollen kein starres Parteiprogramm

© Natalis

Knapp 20 Interessierte waren zum ersten Stammtisch im Hotel „Adlerbräu“ gekommen. Der stellvertretende Bezirksvorsitzende Daniel Gruber aus Dorsbrunn gab ihnen zunächst einen Überblick über die Struktur der Partei, anschließend räumte der politische Geschäftsführer Dominik Kegel mit einigen Vorurteilen über die Piraten auf.

2006 aus der Taufe gehoben, trat die neue politische Organisation bereits 2009 zur Bundestagswahl an. Von den damals bundesweit zehn Direktkandidaten kamen sage und schreibe fünf aus Mittelfranken. Einer von ihnen war Birger Schmidt aus Muhr am See, der aber mittlerweile nicht mehr aktiv ist. Mit bundesweit zwei Prozent holten die Piraten damals ein beachtliches Ergebnis und verzehnfachten ihre Mitgliederzahlen. Doch so richtig steil nach oben ging es seit dem Einzug in den Berliner Senat. Mittlerweile haben sie auch die Landesparlamente im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen geentert.

Vom Bundes- bis zum Kreisverband folgen die Piraten der herkömmlichen Organisationsstruktur, in den Städten und Gemeinden gründen sie allerdings keine Ortsvereine, sondern treffen sich an Stammtischen. Einen solchen gibt es in Weißenburg bereits seit rund einem halben Jahr, im Landkreis zählt die Partei derzeit 34 Mitglieder. 50 sollten es aber schon sein, um einen Kreisverband zu gründen, erläuterte Gruber, und ein solcher wird natürlich auch in Weißenburg-Gunzenhausen angepeilt. Mit dem Stammtisch in Gunzenhausen wurde nun zumindest ein zweites Standbein im Landkreis geschaffen.

Dass die Piraten dabei nicht planlos vorgehen, sondern sehr wohl ein Programm haben, davon konnten sich die Besucher des ersten Stammtisches überzeugen, und wer wollte, konnte das orange Heft mit dem Grundsatzprogramm auch gleich mit nach Hause nehmen. Allerdings, das wurde ebenso deutlich, ist das Programm der Piraten kein starres, sondern wird permanent von den Mitgliedern weiterentwickelt.

Mitspracherecht auch ohne Parteimitgliedschaft möglich

Dies geschieht beispielsweise im Frankenplenum oder an den piratigen Dienstagen, aber auch im Internet, wo über Mailinglisten, SynForum, Piratenpad oder Liquid Feedback inhaltlich mitgearbeitet werden kann. Wobei man übrigens nicht Parteimitglied sein muss, um ein Mitspracherecht zu haben.

Nicht immer kommt das, was die Piraten tatsächlich fordern, in der Öffentlichkeit auch richtig an, das wurde auch in der Altmühlstadt beklagt.  Dominik Kegel von der Nürnberger Geschäftsstelle hatte es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, auf einige „Mythen“ näher einzugehen. An oberster Stelle steht für ihn dabei die Mär, die Piraten wollten das Urheberrecht abschaffen. Richtig sei vielmehr, dass die Partei das Urheberrecht reformieren wolle, eine zeitgemäße Form sei notwendig. Natürlich solle derjenige, der eine gute Idee habe, damit auch etwas verdienen können. Das Geld solle aber eben dem kreativen Kopf zugute kommen und nicht, wie es derzeit der Fall sei, einer riesigen Verwertungsindustrie.

Ganz klar wehren sich die Piraten gegen eine Verschärfung des Urheberrechts, wie sie das viel diskutierte internationale Handelsabkommen „Acta“ will. Hier beteiligen sich die Piraten auch immer wieder an Aktionstagen, der nächste steht am Samstag, 9. Juni, auf dem Programm. Die Piraten werden sich an der Demonstration in Nürnberg beteiligen.

Einfach Blödsinn sei das Gerücht, die Piraten wollten freie Drogen für jedermann. Gefordert werde lediglich eine Entkriminalisierung von Langzeitabhängigen, die, bei entsprechender medizinischer Indikation, die Möglichkeit erhalten sollten, ihren Stoff oder einen entsprechenden Ersatz legal zu erhalten. An dieser Stelle entspann sich im Saal spontan eine Diskussion, die gleichzeitig den Unterschied zu den etablierten Parteien deutlich machte: Meinungsbildung steht bei den Piraten an oberster Stelle, erst als wirklich niemand mehr etwas zum Thema sagen wollte, setzte Kegel seinen Vortrag fort.

Auch von der Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr sind die Piraten weit entfernt, man sei zwar „sehr idealistisch“, könne aber auch rechnen, so Kegel. Besonders am Herzen lag ihm aber, klarzustellen, dass die Piraten mit Nazis nichts zu tun haben wollen. Die Antwort auf entsprechende Vorwürfe sei auf dem letzten Parteitag in Münster klar und deutlich gegeben worden. Dort sei einstimmig beschlossen worden, dass sich das Leugnen des Holocausts nicht mit der Mitgliedschaft bei den Piraten vereinbaren lasse. Die Piraten, unterstrich Kegel, „sind kein Auffangbecken für Rechte“. Dass sich der eine oder andere „Nazispinner“ unter den Anhängern finde, sei möglich. Wichtig sei es, diese zu finden und „ihnen höflich die Tür zu weisen“.

Wie alle anderen politischen Gruppierungen richten auch die Piraten ihren Blick bereits auf den nächsten Wahlmarathon im Herbst 2013, wenn im Bund und im Freistaat Wahlen anstehen, sowie natürlich auch auf die Kommunalwahlen im Frühjahr 2014. Hier sieht Gruber „realistische Chancen“ auf Sitze zumindest in den Stadtparlamenten von Nürnberg, Fürth und Erlangen.

Sie müssten ihre Anliegen öffentlich besser vermitteln, war eine Forderung aus dem Publikum. Das geschehe doch längst, erläuterte Kegel, es sei doch alles im Internet zu finden. Und hier offenbarte sich ein wichtiger Knackpunkt: Die Piraten sind eine Bewegung aus dem World Wide Web, doch mittlerweile interessieren sich auch Menschen für die Partei, die noch ganz herkömmlich ihre Informationen aus der Zeitung beziehen. Nichtsdestotrotz: Wer mehr über die mittelfränkischen Piraten erfahren will, findet alle wichtigen Auskünfte auf deren Homepage unter www.piraten-mfr.de

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