Pleinfelder absolviert berufsbegleitendes Studium

29.8.2018, 06:03 Uhr
Pleinfelder absolviert berufsbegleitendes Studium

© Marianne Natalis

Vor einigen Jahren ging in der Großen Kreisstadt das Technologie- und Studienzentrum Weißenburg an den Start. Die Hochschule Ansbach bietet am dortigen Kunststoffcampus Bayern die beiden berufsbegleitenden Bachelor-Studiengänge Angewandte Kunststofftechnik und Strategisches Management an. Berufsbegleitend ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen: Die Ausbildung wird neben dem Job absolviert.

Das ist eine große Herausforderung und erfordert entsprechend Motivation. Das wissen sowohl Professor Dr.-Ing. Alexandru Sover, der Leiter des Studiengangs Angewandte Kunststofftechnik (AKT), als auch Nadine Amesöder. Die Geschäftsführerin von RF Plast war eine der ersten Studentinnen in Weißenburg, hat dort vor vier Jahren den betriebswirtschaftlichen Studiengang Strategisches Management in Angriff genommen. Alle Prüfungen sind bereits bestanden, zum Abschluss fehlt noch die Bachelorarbeit.

Zusätzlich zum normalen Arbeitspensum abends und an den Wochenenden büffeln, da ist eiserne Disziplin gefragt. Das gilt erst recht, wenn daheim die Familie wartet, weiß die zweifache Mutter, und Daniel Groß kann da nur zustimmend nicken. Deshalb ebnet RF Plast seinen Mitarbeitern den Weg zur Weiterbildung, wo es nur geht. Denn von einem qualifizierten Mitarbeiter profitiert auch der Betrieb.

Gut ausgebildete Facharbeiter werden derzeit überall händeringend gesucht, das gilt im ländlichen Raum noch viel mehr als in den Metropolregionen. Deshalb lassen sich Betriebe viel einfallen, um in Gunzenhausen qualifiziertes Personal zu bekommen und auch zu halten. RF Plast etwa finanziert den Mitarbeitern nicht nur den Studiengang — für AKT sind das immerhin 2400 Euro pro Semester —, sondern stellt die Studierenden auch für den Blockunterricht frei.

Daniel Groß weiß das sehr zu schätzen. 400 Euro würde ihn das Studium monatlich kosten. Das kann sich der Familienvater schlicht nicht leisten. Die Aussicht, für die Zeit am Kunststoffcampus seinen Urlaub herzugeben und womöglich zusätzlich noch Überstunden zu fahren, hätte ihn vollends abgeschreckt.

Üblich ist das aber nicht. Viele seiner Kommilitonen müssen die Tage an der Hochschule nicht nur nacharbeiten, die Arbeitgeber erwarten sogar, dass sie auch im Hörsaal stets erreichbar sind oder bei dringenden Aufträgen auch mal die eine oder andere Stunde ausfallen lassen. Das ist für den Fortgang des Studiums nicht eben förderlich.

Dabei, betont Nadine Amesöder, können die Firmen von dem berufsbegleitenden Studium ihrer Mitarbeiter doch nur profitieren. Dass sich beispielsweise mit optimierten Bestellmengen Einsparpotenzial auftut, das erfuhr sie am Campus und setzte es im Betrieb um. Daniel Groß beschäftigte sich in einer Projektarbeit mit einem Problem, das sich in der Fertigung schon seit längerem auftat. Auch die Bachelorarbeit soll laut Sover explizit firmenspezifische Aspekte aufgreifen. Deshalb sei der permanente Austausch mit den studierenden Mitarbeitern enorm wichtig, ergänzt Nadine Amesöder, nur so profitieren beide Seiten.

Menschen, die ein berufsbegleitendes Studium aufnehmen, kommen aus der Praxis. Das hilft beim Verständnis des Stoffes enorm, so die Erfahrung von Daniel Groß und Nadine Amesöder. Die Geschäftsführerin etwa konnte in den Vorlesungen stets einen direkten Bezug zu ihrer Arbeit herstellen. So nahm sie aus dem Hörsaal nicht nur neue Ideen mit in die Firma, die praktische Verknüpfung erleichterte auch das Lernen enorm.

Im Unterschied zu Vollzeitstudenten, nimmt Alexandru Sover den Faden auf, sind die Studierenden am Kunststoffcampus sehr viel motivierter. Denn sie wissen, so Sover, dass sie sich mit ihrem Fach auf jeden Fall im beruflichen Alltag weiter beschäftigen werden. Die Diskussionen sind deshalb auch viel tiefgreifender und mehr an praktischen Problemen orientiert als an der Uni. Förderlich ist dabei sicher auch, dass die Gruppen mit bis zu 18 Studierenden sehr überschaubar sind und so ein guter und direkter Draht zu den Dozenten möglich ist.

Wenn Firmen Mitarbeitern ein berufsbegleitendes Studium finanzieren, dann ist es meist mit Bedingungen verbunden. Davon hält man bei RF Plast nichts. Zwang verträgt sich in den Augen von Nadine Amesöder nicht mit Loyalität und Motivation. Klar wäre es ein "Draufzahlgeschäft", wenn ein Mitarbeiter direkt nach dem Bachelor tatsächlich kündigen würde, aber das nehmen die Verantwortlichen bei RF Plast in Kauf — und allzu groß ist die Gefahr wohl auch nicht, wenn man die Signale von Daniel Groß richtig deutet.

Für die Betriebe in der Region ist der Kunststoffcampus samt seiner berufsbegleitenden Studiengänge ein Segen. Wollte ein Mitarbeiter früher studieren, war zwangsläufig seine Kündigung die Folge und eine Rückkehr nach erfolgreichem Universitätsabschluss nicht garantiert. Wer nun aber bereit ist, in die Weiterbildung der Mitarbeiter zu investierten, erhält nicht nur besser qualifiziertes Personel, sondern hält es in der Regel auch am Standort.

Derzeit sind vier Mitarbeiter von RF Plast am Kunststoffcampus in Weißenburg eingeschrieben. Die Erfahrungen der Studierenden motivieren natürlich auch die Kollegen, eine Fortbildung in Angriff zu nehmen. Schon im Herbst folgen deshalb zwei weitere Mitarbeiter diesem Beispiel. Sie werden später in der Entwicklungsabteilung oder der mittleren Führungsebene des Unternehmens ihren Platz finden. Daniel Groß will einmal Fertigungsleiter werden, das ist so auch im Personalentwicklungsplan, der in der Gunzenhäuser Firma gemeinsam mit den Mitarbeitern erstellt wird, festgeschrieben. Wie weit es für ihn auf der Karriereleiter hinaufgehen kann, das hätte sich der ehemalige Hauptschüler vor Jahren wohl auch nicht träumen lassen.

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