Plündernde Soldatenhorden in Gunzenhausen

11.5.2018, 16:52 Uhr
Plündernde Soldatenhorden in Gunzenhausen

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Etwa 1500 Menschen leben im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in Gunzenhausen, der Großteil von ihnen ist protestantisch. Seit der Reformation bekennt sich der Markgraf und das Fürstentum Brandenburg-Ansbach zu Luthers Lehre. Wie aus den Unterlagen im Stadtarchiv hervorgeht, zählt die Altmühlstadt um die Zeit des Kriegsausbruchs 187 Häuser, 123 davon befinden sich innerhalb der Stadtmauer. Der Rest verteilt sich auf die Untere (heute Weißenburger Straße, Auweg, Schießwasengässchen) und die Obere Vorstadt (Gerberstraße, Spitalstraße, Bahnhofstraße, Eidam-Platz) .

Nur wenige Katholiken

Es sind nur wenige Katholiken, die hier wohnen. Allerdings gibt es eine blühende jüdische Kultusgemeinde (rund 100 Personen), deren historisches Wohngebiet mit Synagoge und Mikwe zwischen Hafnermarkt, Auergasse, Brunnengasse und Waaggasse liegt. Von der Berufsstruktur her ist das 17. Jahrhundert überwiegend handwerklich geprägt. Bäcker, Metzger, Weber, Hafner, Gerber, Schreiner, Drechsler und Färber decken den Bedarf des täglichen Lebens ab. Dazu gibt es diverse Krämer und Kaufleute, die mit Waren aller Art handeln, sodass sich die Stadt zu einem regionalen Wirtschaftszentrum mit bedeutendem Getreidegroßmarkt (Schranne) entwickeln kann.

Dazu kommt, dass Gunzenhausen direkt am Schnittpunkt wichtiger Handels- und Heeresstraßen liegt. Trotz dieses Umstands bleibt die Stadt in der ersten Phase des Dreißigjährigen Krieges zunächst von unmittelbarer Bedrohung verschont, wie der Archivar erklärt. Jedoch stellt sich die schicksalhafte Verkehrslage bald als Verhängnis heraus.

So berichten die städtischen Unterlagen ab etwa 1626 vermehrt von Soldatendurchzügen. Immer wieder muss der Stadtsäckel für die Verpflegung des Militärs mit Speis und Trank geöffnet werden. Auch die mildtätigen Zahlungen an durchziehende Soldaten und Vertriebene nehmen permanent zu. 1629 kommt es wohl zum ersten Durchzug eines größeren kaiserlichen Truppenkontingents. Albrecht Wenzel von Wallerstein (ermordet 1634 in Eger), Oberbefehlshaber und Generalissimus der kaiserlichen Armee hält sich nachweislich im Juni 1630 in Gunzenhausen auf. Festgehalten ist im März 1631 auch der Aufenthalt des Gunzenhäuser Oberamtmann Ludwig von Zocha am Kaiserhof in Wien, wo er unter anderem gegen die verübten Gewalttaten der "zügellosen Soldatenhaufen" protestierte.

Franken rückt ins Zentrum

Nach der Schlacht von Breitenfeld nahe Leipzig am 7. September 1631 ändert sich die Lage für Franken und Gunzenhausen maßgeblich: Der Sieger der Schlacht, Schwedens König Gustav Adolf, Führungsfigur der Protestantischen Union, rückt mit seinen Truppen nach Franken vor und erstürmt unter anderem Würzburg. Daraufhin konzentrieren sich die Kriegshandlungen auf die fränkischen Lande. Katholische und protestantische Armeen liefern sich erbitterte Kämpfe.

Am 22. November 1631 besetzt ein großes kaiserliches Heer unter Führung des Kommandanten Graf Johann Tserclaes von Tilly die Altmühlstadt. Begleitet wird er von Generalfeldmarschall Gottfried Heinrich von Pappenheim. Zu diesem Zeitpunkt ist die Stadt überfüllt mit geflohenen Menschen aus den umliegenden Dörfern, die ihre unbefestigten Orte verlassen haben, um hinter der Stadtmauer Gunzenhausens Schutz zu finden. Doch diese Hoffnung ist vergebens: Die Soldaten verwüsten die Stadt, Gebäude werden geplündert oder zerstört. Überall in Gunzenhausen herrscht Chaos, wertvolle Akten und Urkunden zur Stadtgeschichte werden aus dem Rathaus verschleppt und verbrannt.

30 000 Tilly-Soldaten

In einem Pfarrbuch von Laubenzedel wird berichtet, dass in diesen Tagen 30000 Tilly-Soldaten in und um Gunzenhausen gewesen waren. Oberamtmann vom Zocha schildert die herrschenden Zustände folgendermaßen: "...Der arme Mann hat nichts zu beißen und muß gleichsam betteln. Die armen Leut, die Bürger, sindt mehr todt als lebendig. Alles ist im erbärmlichen Zustand, tote Pferde liegen herum und seit acht Tagen ist kein Toter begraben worden. Ich weiß nicht Wort zu finden, diesen Ruin zu schreiben."

Nach dem Abzug der Truppen verstärkt sich das Elend für die Bevölkerung aber noch weiter. Hunger und Epidemien dezimieren die Einwohnerschaft. Weitere häufige Soldateneinquartierungen verschärfen die Lage zusätzlich, etwa im Februar 1632, als eine Kompanie (bis zu 300 Soldaten) mit 160 Pferden in die Stadt einrückte und "Geld, Fleisch, Wein, Branntwein und Hafer erpresste". Aber nicht nur katholische Truppen drangsalieren Gunzenhausen und seine Einwohner. Auch die berüchtigten Soldaten des protestantischen schwedischen Oberst von Sperreuth sind keinen Deut besser, wie Mühlhäußer deutlich macht. Sie kommen im April 1632 und "plündern und schlagen die armen Leuth fast täglich und stündlich, das daß niemand mehr wohl vor das Thor sich wagt", heißt es dazu in einer zeitgenössischen Quelle.

In der Fürstenherberge (heute Haus Zuber) betrinken sich mehrere Soldaten und beginnen, mit ihren Gewehren aus den Fenstern zu schießen. Dabei treffen sie zwei Personen, die sich unglücklicherweise gerade auf dem Marktplatz aufhalten. Ein verwitweter Bauer aus Sammenheim mit fünf kleinen Kindern wird tödlich verwundet. Einen Mann aus Berolzheim trifft ein Schuss in den Mund, er wird schwerst verletzt. Aufgrund der großen Gefahr verlassen die Beamten, an der Spitze Oberamtmann von Zocha und seine Familie, Gunzenhausen und flüchten nach Wassertrüdingen und Oettingen.

Mit 1000 Pferden

Ein weiterer prominenter Protagonist des Dreißigjährigen Krieges, König Gustav II. Adolf von Schweden, übernachtet mit umfangreichem Gefolge, Militär und 1000 Pferden vom 11. auf den 12. Oktober 1632 in Gunzenhausen. Sie alle müssen versorgt werden.

Wie verheerend der Krieg für die kleine Stadt gewesen ist, wird auch an statistischen Zahlen deutlich: So werden 1626 noch 100 Geburten verzeichnet, 1627 und 1628 sind es 86 beziehungsweise 111. In den folgenden Jahren sinkt diese Zahl drastisch, sodass 1635 nur noch 29, ein Jahr später 28 und 1637 bloß 30 Kinder das Licht der Welt erblicken. Dafür steigt die Zahl der Sterbefälle: Für 1630 sind 92 verzeichnet, im Folgejahr 155 und 1633 gar 214.

In den Kirchenbüchern finden sich dazu eine Reihe von Einträgen, die Aufschluss über die damaligen Zustände geben: "Hanß Dietrich aus Sammenheim bey 63 Jahr alt, welcher von den Soldaten erschoßen worden"; "Georg Schottner, Soldat und Corporal zu Roß, so von einem Gunzenhäuser Kindt (Soldat) entleibet worden"; "Hans Stöck, Bürger und Krämer in der Oberen Vorstadt, in der Plünderung umbkommen, bei 70 Jahr alt"; "Georg Frech aus Oberwurmbach, von den Soldaten aufm Feld erschoßen, 47 Jahre alt"; "Ein Weib von Sammenheim, so gleichfalß in der Flucht geblieben"; "Martin Ferdlein, ein Müllersknecht, zwischen Gnotzheim und Megerßheim erschoßen noch ledig und 24 Jahr alt".

Die große Not spiegelt sich auch in den Rechnungsbänden des Stadtarchivs wieder. Erreichen die städtischen Jahreseinnahmen 1624 noch die Summe von 1542 Gulden (rund 61 700 Euro), sinken sie 1633 auf 322 Gulden (etwa 13 000 Euro) und nehmen in den Folgejahren weiter dramatisch ab. Der Tiefstand wird 1641 mit 53 Gulden (etwa 2100 Euro) Jahreseinnahmen erreicht. Noch fünf Jahre nach Kriegsende 1648 betragen die jährlichen Einnahmen der Stadtkasse nur 152 Gulden (etwa 6000 Euro).

Friedensfest zum Kriegsende

Nichts verdeutlicht den katastrophalen Zustand Gunzenhausens aber wohl so gut wie die Aussage in einem zeitgenössischen amtlichen Bericht, den der Archivar gefunden hat: "... in Summa ist dieses Städtlein nunmehr gleich einer Spelunke und zerstörten Dorf ähnlicher als ähnlich".

Das lang ersehnte Kriegsende kommt 1648. In Gunzenhausen wird viele Jahre — etwa bis 1763 — aus großer Dankbarkeit darüber feierlich des Friedensabkommens zwischen den feindlichen Parteien mit einem "Friedensfest" gedacht. So werden zum Beispiel 1650 acht Gulden ausgegeben, "so bey dem Friedensfest an Brot und Bier, wie auch den Kindern an Geld, ist zu Gedächtnis ausgetheilet worden" oder 1660 "bei Celebrirung des Friedensfestes, als man uff dem Rathaus musiciret".

Es dauert über ein Vierteljahrhundert, bis sich Gunzenhausen völlig von den Wunden dieses 30 Jahre andauernden Krieges erholt hat. Einen erheblichen Anteil am Wiedererblühen der Stadt haben sowohl österreichische Glaubensflüchtlinge, als auch jüdische Neubürger.

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