Initiator sprach im Anschluss

Rund 600 Personen: Impf-Zweifler zogen durch Gunzenhausen

15.12.2021, 17:22 Uhr
Das Foto zeigt die Menschenmasse, die sich nach dem Marsch wieder auf dem Marktplatz einfand.

© Jürgen Eisenbrand, NN Das Foto zeigt die Menschenmasse, die sich nach dem Marsch wieder auf dem Marktplatz einfand.

Um 17.30 Uhr startete der Demonstrationszug am Glockenturm. Vorneweg liefen drei Frauen, die mit ihren Plakaten auf den ersten Artikel des Grundgesetzes verwiesen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Auf anderen Pappschildern waren Aufschriften wie "Freiheit, kein Zwang!", "Rechtsstaat, keine globale Diktatur!" oder "Wann werden Ungeimpfte zu Freiwild?" zu lesen.

Einmal im Kreis unter Beobachtung einiger Passanten liefen die Männer und Frauen über Gerber-, die Bühringer- und Sonnenstraße zurück zum Ausgangspunkt. Geschwiegen wurde dabei aber eher weniger.

Ob heuer ein Christbaum aufgestellt werde, oder wo das Auto geparkt sei, waren Gesprächsthemen unter den Demonstrierenden, die meist in Gruppen liefen. Um den Verkehr nicht zum Erliegen zu bringen, durften die Teilnehmenden nur die rechte Fahrspur nutzen.

"Wir werden immer mehr"

Aber natürlich wurde auch über den Grund des Marsches gesprochen. Für Gunzenhausen sei das Versammlungsgeschehen "schon phänomenal", urteilte eine Frau, die bereits in anderen Städten gegen die Corona-Politik demonstrierte, wie aus ihrer Unterhaltung hervorging. "Wenn da jetzt auch mehr sind, dann weißt du, wir werden immer mehr und mehr und mehr", sagte sie zu ihrer Begleitung. Eine Maske an der frischen Luft zu tragen wurde von ihr als Zeugnis für eine große Verunsicherung ausgelegt. Eine andere Frau erzählte, dass sie aus Lichtenau hergefahren sei, um teilzunehmen.

Unter den Menschen befand sich eine bunte Mischung aus jungen Familien mit kleinen Kindern, die zum Teil die Botschaften ihrer Eltern um den Hals trugen, Senioren, die Broschüren über den Öko-Faschismus verteilten, und Paare mit vierbeiniger Begleitung. Viele hielten Kerzen in den Händen oder hatten sich Lichterketten um den Oberkörper geschlungen – einer trug sogar einen Plastikeimer auf dem Kopf.

Ob nur strikte Impfgegner, Politikverdrossene und Verschwörungsgläubige vor Ort waren? Vermutlich nicht. Zumindest ein junger Vater von zwei kleinen Töchtern aus Heidenheim berichtete unserer Zeitung, dass er selbst aufgrund einer Erkrankung vollständig geimpft sei. Warum er dann hier ist? "Wegen dem Druck. Der ist nicht in Ordnung", lautete seine Antwort.

Rede im Anschluss

Die Entscheidung solle bei jedem selbst liegen, sich impfen zu lassen. Auch sehe er eine "Ausgrenzung", die er nicht okay finde. "Ich sage nicht, dass es kein Virus gibt", betonte er. Aber er habe Zweifel, dass mit einer Impfung alles in den Griff bekommen werde. Angesprochen auf seine Töchter machte er klar, dass bei der Kinderimpfung einfach eine Grenze erreicht sei.

Das sind die Schwestern Marie (links) und Luisa aus Heidenheim. Ihre Eltern haben sie zu dem Schweigemarsch mitgenommen. Der Vater sei nach eigenen Worten vollständig geimpft, doch bei den Kindern sei eine Grenze erreicht.

Das sind die Schwestern Marie (links) und Luisa aus Heidenheim. Ihre Eltern haben sie zu dem Schweigemarsch mitgenommen. Der Vater sei nach eigenen Worten vollständig geimpft, doch bei den Kindern sei eine Grenze erreicht. © Isabel-Marie Köppel

Nachdem die rund 600 Menschen den Marktplatz wieder erreicht hatten, ergriff der Organisator noch das Wort. In seiner Rede strafte er Politik, Medien, Pharmaunternehmen und Finanzwirtschaft ab: "Sie wollen unter anderem die drastische Reduzierung der Weltbevölkerung, Abschaffung des Privatbesitzes, der Privatwirtschaft und den totalen Umbau der Gesellschaften." Enthemmt nehme man sich nun die Kinder vor. Bei der Kinderimpfung handle es sich in Wahrheit um eine Gentherapie. Auf diese Aussage des Wortführers folgten die ersten erbosten Ausrufe: "Es werden viele sterben", kommentierte eine Zuhörerin.

Viel Applaus

"Söder muss weg", "Verbrecher", "Wir sind der Verfassungsschutz" wird an anderer Stelle gerufen. Pfiffe, Buhrufe und Applaus nahmen mit der Dauer der Rede zu. Darüber hinaus sagte der Versammlungsleiter, dass Österreich und Israel bereits ein Stück vor uns auf dem Weg in die Diktatur seien, aber "das werden wir verhindern". Auch zog er Vergleiche zum Nationalsozialismus und gab sich der Vorstellung hin, der Nürnberger Kodex würde ausgesetzt. Dabei handelt es sich um die ethischen Grundsätze über zulässige medizinische Versuche. Dort ist verankert, dass jede Person, die an Experimenten teilnimmt, freiwillig zustimmen muss.

Unter großem Beifall beendete der Redner die Protestaktion nach gut einer Stunde und hielt sich somit an die Vorgabe. Bis 19 Uhr hatte sich die Menschenmenge aufgelöst, teilte Harald Eckert mit, Leiter der Gunzenhäuser Polizeiinspektion. "Der Schweigemarsch verlief störungsfrei. Der Versammlungsleiter hielt sich im Wesentlichen an seine Aufgaben", resümierte er. Bei 600 Teilnehmenden und den örtlichen Gegebenheiten sei es schwierig gewesen, die Abstände einzuhalten. An die vorgegebenen 1,5 Meter hielten sich die Demonstranten nur teilweise.

Keine Maskenpflicht

Weil die Versammlung an der frischen Luft stattfand, mussten die Teilnehmenden laut Landratsamt und Infektionsschutzgesetz keine Masken tragen. Unterstützung erhielt Eckert an diesem Abend von benachbarten Dienststellen. Sollte es zu einem erneuten Schweigemarsch kommen, sei allerdings zu überlegen, die Abschlusskundgebung an einen anderen Platz zu verlegen. Grund, die Demonstration aufzulösen – etwa wegen der doppelten Teilnehmerzahl – habe es nicht gegeben. Schließlich ist das Versammlungsrecht im Grundgesetz verankert.

In Gunzenhausen fand vor zwei Wochen schon einmal eine Demonstration statt. Damals waren laut Landratsamt 20 bis 40 Personen angemeldet, gekommen sind nach Schätzungen der Polizei um die 250. Für die Genehmigung ist das Landratsamt im Vorfeld zuständig. In einer sogenannten Versammlungsanzeige bekommt der Anmelder Bescheid, welche Auflagen er zu erfüllen hat. Steigt die Teilnehmerzahl etwa, muss er weitere Ordner bestimmen, ist aus dem Landratsamt zu erfahren. Die Behörde stehe in engem Austausch mit der zuständigen Polizei und der Stadt und bewerte die Ausgangslage immer wieder neu.

Dienstagabend verabschiedeten sich jedenfalls etliche Teilnehmende mit dem Plan des Besuchs der nächsten Protestaktion am Samstag in Ansbach.

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