Selbstversuch Boxen: "Das ist hier kein Altersheim"

17.10.2020, 11:31 Uhr
Selbstversuch Boxen:

© Foto: Stefan Mattmüller

Boxer haben furchteinflößende Namen. Vitali Klitschko war „Dr. Eisenfaust“, sein jüngerer Bruder Wladimir „Dr. Steelhammer“. Dariusz Michalczewski wurde der „Tiger“ genannt und Sven Ottke „das Phantom“. Ich habe mir noch keinen Kampfnamen verdient. Ich bin Anfänger. Das merkt man schon beim Warmlaufen.

Unbewusst nehme ich eine Abkürzung auf meiner Runde um den Boxring auf dem Sportgelände des TV Gunzenhausen. "Runter, zehn Liegestützen", ruft mir Ralf Markert zu, der zusammen mit Stefan Mattmüller das Training leitet. Beide haben im Gegensatz zu mir jede Menge Erfahrung. Markert, ein bärtiger Mann von hünenhafter Gestalt, war viermal Vizemeister in der DDR, hat gegen Axel Schulz geboxt und mit Henry Maske trainiert. Mattmüller ist Berufssoldat und seit zwölf Jahren Boxtrainer beim TV.

Der Schweiß tropft

Während ich gemeinsam mit einigen anderen Boxern um den Ring laufe, steht Mattmüller in der Ringmitte und gibt Kommandos. "Oberkörper eindrehen, nach links und rechts!" Oder: "Arme nach oben und Schläge – immer Schlaghand, Führhand!" Boxspezifisches Aufwärmen sei das, sagt der siebenfache Familienvater. Einer seiner Söhne läuft mit mir um den Ring. Bei ihm sehen die Bewegungen deutlich geschmeidiger aus.

Selbstversuch Boxen:

© Stefan Mattmüller

Nach den ersten 15 Minuten tropft mir schon der Schweiß von der Stirn. Dabei geht es jetzt eigentlich erst richtig los. Partnerübungen, in Boxstellung stehen sich immer zwei Kämpfer gegenüber und sollen gegenseitig versuchen, sich mit der flachen Hand an der Schulter zu treffen. Mein Trainingspartner boxt eine Gewichtsklasse über mir, trifft mich deutlich öfter als ich ihn – einmal auch im Gesicht. Tut ein bisschen weh, aber egal. Ich bin schließlich Boxer. Immerhin bin ich in dem Duell nicht völlig chancenlos.

"Deine Deckung ist offen"

Das ändert sich, sobald es an die Sandsäcke geht. Ralf Markert gibt vor, wie lange und oft wir auf das Trainingsgerät einhämmern müssen. "Los, das ist doch kein Altersheim hier", brüllt er. Gut, dass die kleine Boxhalle keine Nachbarn hat. Die wären sonst vom Sofa hochgeschreckt. Markert und Mattmüller leiten das Training mit einer gesunden Mischung aus Humor, Härte und Herzlichkeit. Schließlich muss ich kurz unterbrechen. Die volle Einheit am Sandsack halte ich nicht durch. Boxen, merke ich, ist ein extrem intensiver Sport. Kraft, Koordination Ausdauer – alles ist gefragt.

Zum Abschluss steige ich mit Markert in den Ring zum Pratzentraining. Der 53-Jährige hält die Schlagpolster hin, ich soll sie treffen. Schnell und hart. "Deine Deckung ist offen", bemängelt Markert und haut mir zum Beweis das Schlagpolster ins Gesicht. Ich versuche, alles richtig zu machen, und gehe nochmal an meine Grenzen. Dann ist Schluss. Ich bin erschöpft aber glücklich, wie alle hier. Und was ist jetzt mit dem Kampfnamen? Als sich Stefan Raab einst von Box-Weltmeisterin Regina Halmich verprügeln ließ, nannte er sich "Killerplauze". Vielleicht auch ein Name für mich.

Bisher in der Serie "Lokalsport-Redakteure stellen sich vor" erscheinen:

Folge 1 : Martin Schano, der an einem Fitness-Bootcamp teilnimmt.

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