Sommertheater in Wolframs-Eschenbach

5.8.2016, 17:22 Uhr
Sommertheater in Wolframs-Eschenbach

© Kristy Husz

Nun soll es also Oscar Wildes Erzählung „Das Gespenst von Canterville“ sein, denn eine auf tragische Art ausgelöschte Familie bittet um Einlass ins Himmelreich. Die 1887 veröffentlichte Satire über den romantischen Geisterglauben der Alten und den bedingungslosen Materialismus der Neuen Welt wird damit zur Folie für ein witzig-makaberes Geschehen, das einen ganz eigenen Blickwinkel auf Schuld und Unschuld der beteiligten Personen liefert.

In der literarischen Vorlage erwirbt Familie Otis aus Amerika ein Schloss in England, auf dem seit über 300 Jahren ein Flucht lastet: Der einstige Hausherr hat dort seine Gattin umgebracht und sühnt den Mord seither als Gespenst, das ewig unerlöst durch das Gemäuer wandeln und Sterbliche erschrecken muss. Bald bekommt es jedoch selbst Angst vor dem unerschrockenen Pragmatismus der Amerikaner, kann durch die Hilfe des mutigen Mädchens Virginia Otis aber schließlich seine letzte Ruhe finden.

Soweit das Original. Die Familie, mit der Reiner und Luzzi konfrontiert wurden, darf den Plot des Buchs nachbilden, oder besser gesagt, Reiner und Luzzi bringen mit Handpuppen, welche die Familienmitglieder repräsentieren, Oscar Wildes Stück auf die Bühne. Obwohl die beiden Himmelspfortenwächter dabei in schrägster „Men in Black“-Tarnung im Hintergrund verbleiben wollen, reißen die menschelnden Holzköpfe die tollpatschigen Puppenspieler schnell mit in den Gruselklamauk hinein und verwischen die Grenzen zwischen Rahmen- und Binnenhandlung. Ein verzweifelter Geist, ein spukender Blutfleck, eine übernatürlich verliebte Haushälterin und eine abgründige Familie lassen eben niemanden kalt, und die große Endabrechnung der Seelen wird beinahe zweitrangig.

Mit vollem Körpereinsatz gehen Wally und Paul Schmidt, die Gründer des für fünf Auftritte im Kirchhof gastierenden Nürnberger Theaters „salz+pfeffer“, in allen Figuren auf, sind als Luzzi und Reiner auch optisch der Brüller und wechseln Gestalten wie Stimmen im Eiltempo. Slapstickeinlagen in der von Eva Adler mit Baumarktutensilien ausstaffierten Kulisse, fränkischer Wortwitz („Ein Tier mit A?“ – „A Hirsch“), die fortwährende Interaktion mit dem Publikum – kulminierend im ultimativen Kampf gegen das Böse mit Gummibällen – sowie der wunderbar warme Sommerabend sorgen bei der Premierenvorstellung der so betitelten „Unschuld von Canterville“ für gute Laune in dem Mittelalterstädtchen.

Langanhaltender Applaus ist der Lohn dafür, und das kleine Ensemble revanchiert sich mit einer ungeprobten Zugabe und der Möglichkeit, die Puppen zum Abschluss genauer in Augenschein zu nehmen oder sich gar selber über den Arm zu streifen.

Manch einer wagt das, entdeckt an den handgeschnitzten Unikaten Ralf Wagners interessante Details und kommt darüber mit den beiden auskunftsfreudigen Künstlern ins Gespräch. Vergnügliches Freilichttheater nicht nur zum Mitfühlen, sondern zum Anfassen, das kann man noch bis spätestens Sonntag, 7. August, jeweils um 20.30 Uhr in Wolframs-Eschenbach erleben.

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