Sternekoch begeistert in Gunzenhausen

8.1.2020, 06:35 Uhr
Sternekoch begeistert in Gunzenhausen

© Michael Matejka

Gemeint hat er damit, dass die Teamleistung zählen müsse und nicht die Leistung eines einzelnen, nämlich die des Chefs. Schon lange steht er nicht mehr in der Küche seines Zwei-Sterne-Restaurants im oberfränkischen Wirsberg, er sieht sich vielmehr als Aktiver "am Betrieb" statt "im Betrieb".

Das markante Gesicht des 1,82 Meter großen Kochs mit der mittlerweile grau melierten Kurzhaarfrisur ist den meisten Gästen in der voll besetzten Stadthalle vertraut. Aus zahlreichen TV-Koch- und Quizshows ist er einem Millionenpublikum bekannt. Der bekennende Franke trat diesmal nicht in seiner grauen Kochjacke auf, machte aber auch im schwarzen Anzug eine gute Figur.

Nicht am Rednerpult klebend, sondern frei sprechend und auf und ab gehend, erzählte er kurzweilig vom Schlüssel seines immensen Erfolgs. WJ-Vorsitzender Alexander Herzog war stolz, dass es ihm gelungen war, den "Vollblut-Unternehmer mit Weitblick und Vorliebe für schnelle Autos" in die mittelfränkische Provinz zu locken. Obwohl, da kennt sich der 48-jährige Herrmann ja gut aus: Wirsberg, zwischen Bayreuth und Kulmbach gelegen, liegt zwar nicht am A . . . der Welt, "aber wir können ihn dort gut sehen", meinte er schmunzelnd – und hatte die Lacher sofort auf seiner Seite.

"Ich heiße Alexander Herrmann und bin Koch", stellte er sich brav vor; das nennt man auf neudeutsch wohl Understatement. Er kann es sich leisten, und natürlich ist er gelernter Koch. Aber was für einer! Ausgebildet in Nürnberg, absolvierte er zusätzlich noch die Hotelfachschule und wurde auf Anhieb Bayerns bester Küchenmeister mit Prädikats-Auszeichnung. Damit stieg Herrmann 1995 als Küchenchef im gleichnamigen Romantik Posthotel in Wirsberg im Frankenwald ein. Der Weg war frei für eine beispiellose Karriere in dieser Branche.

Dazu führt er seit drei Jahren zwei weitere Restaurants unter einem Dach im Herzen der Nürnberger Altstadt, und abgerundet wird das Ganze durch das Palazzo, einem Mix aus Gastronomie und Akrobatik der Spitzenklasse. Begünstigt durch den damaligen Trend der TV-Kochshows auf fast allen Kanälen, wurde Herrmann durch seine sympathische und authentische Art schnell bundesweit bekannt.

Kochen in Radio und TV

Und hatte schon bald seine eigene Sendung im BR-Fernsehen ("Koch doch") und brutzelt jede Woche im Radio auf Bayern 1. Der vielseitig begabte Herrmann verfasste zudem zahlreiche Kochwerke und erwarb sich seinen hervorragenden Ruf vor allem durch seine beiden Michelin-Sterne. Übersetzt bedeutet ein Stern "eine sehr gute Küche, welche die Beachtung des Lesers verdient", der zweite Stern vergibt das Prädikat "eine hervorragende Küche, die einen Umweg dorthin verdient".

Sternekoch begeistert in Gunzenhausen

© Reinhard Krüger

Und wie kommt der Erfolg überhaupt zustande? Darauf warteten die heimischen Geschäftsleute genauso wie die vielen Gäste aus Politik und Gesellschaft. Spitzengastronomie und Spitzenleistung in jedem anderen Wirtschaftszweig haben demnach viele Parallelen. Herrmann nennt den wichtigsten: Respekt vor jeder Leistung. Egal an welcher Stelle.

Was sich hinter den schlichten und wenig aussagefähigen Substantiven verbirgt, erklärte der Chef von 120 Angestellten so: Jeder einzelne Beschäftigte soll sich als ein ganz wichtiges Glied des Unternehmens fühlen. Beispiel: Wie entsteht ein neues Gericht auf seiner Speisekarte? Ein "Foodscout" (das gibt es wirklich) sucht ständig nach neuen Zulieferern aus der Region. Dann ziehen sich der Chef und sein "kongenialer Partner" Tobias Bätz zurück und werfen ihre Ideen in den "kreativen Ring".

Was dabei herauskommt, stellen sie der gesamten Küchenbrigade vor. Die hat dann fünf Tage Zeit, daraus neben dem Alltagsgeschäft ein Gericht zu "basteln" und frei zu experimentieren. Am Ende der Zeit "probiere ich es final an einem fein eingedeckten Tisch im Restaurant". Nicht in der Küche, stellt Herrmann klar, "da stören Geräusche und Gerüche". Die ganze Brigade schaut dabei zu, "ich coache nur am letzten Punkt".

Nicht die Idee steht damit im Mittelpunkt, sondern das Ergebnis, "und das ist ab sofort das gemeinsame Gericht von allen". Jeder, auch der Tellerwäscher oder die Servicekräfte, haben so Anteil am Erfolg – und nicht der Boss allein sonnt sich im Scheinwerferlicht.

Herrmann spricht deshalb lieber von einer Gemeinschaft als von einem Team. Dazu zählt auch ein 15-minütiges Durchschnaufen und Sich-in-die-Augen-Schauen, verbunden mit einer Art Schlachtruf: "An uns kommt keiner vorbei – wir haben zwei!" Gemeint sind die berühmten zwei Sterne.

Für einen rundum gelungenen Restaurantbesuch der Gäste gebe es ein genau festgelegtes Drehbuch, "denn beispielsweise kommen die Kritiker bis zu fünf Mal völlig unangemeldet und unterschiedlich aussehend, ehe sie eine Auszeichnung vergeben". Heißt nichts anderes, als jeden Tag für jeden Gast eine Top-Leistung zu erbringen. Dabei können durchaus Fehler passieren, aber Herrmann reißt keinem gleich den Kopf ab oder kriegt einen der gefürchteten Tobsuchtsanfälle, die man Spitzenköchen gerne nachsagt.

Dieses Vorurteil "nervt mich unsagbar". Ihm ist natürlich klar, dass "irgendeiner immer meckert", sagt er dann, "aber wir sollten uns lieber daran messen lassen, was wir richtig gut können".

Das kam beim Publikum an. Lang und anhaltend war der Beifall. Jutta Degenhart vom gleichnamigen Eisenhandel, bestätigte, dass auch in ihrer Firma kurz vor Betriebsbeginn sich alle versammeln, letzte Absprachen treffen und sich "einen schönen und erfolgreichen Tag" wünschen. Das Delegieren von Aufgaben sei enorm wichtig, sagt sie, "denn daran wachsen die Mitarbeiter".

Es scheint, dass die Wirtschaftsjunioren mit diesem Gast voll ins Schwarze getroffen haben – im wahrsten Sinn des Wortes.

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