Tradition: Wettelsheim plant seit 2020 den Grenzumritt

27.5.2020, 05:57 Uhr
Tradition: Wettelsheim plant seit 2020 den Grenzumritt

© Foto: Privat

Um fünf Uhr morgens ein Tages-Weckruf durch Trommelschlag. Um sieben Uhr Aufstellen der berittenen Männer, ledigen Burschen, der Schuljugend und der Fußgänger. Abholung der weiß-blauen Fahnen samt Musikbegleitung sowie des Bürgermeisters, des Pfarrers – und dann setzte sich der Zug in Bewegung. Am 20. Oktober 1925 trafen sich die Feldgeschworenen und Bürger von Wettelsheim zum traditionellen Grenzumritt auf den Fluren der damals noch eigenständigen Gemeinde. Eine Tradition, die man nächstes Jahr weiterführen möchte, so es denn die Umstände erlauben.

Ehrenamt der Siebener

Die Ursprünge dieses Grenzumritts gehen auf das 18. Jahrhundert zurück. Denn um Grenzen und deren Verlauf gab es schon damals Streitigkeiten – nicht nur zwischen Staaten, sondern auch zwischen Privatpersonen oder Landwirte, wenn es etwa um die Frage geht, wo ein Acker endet und der andere anfängt. Um diese Streitigkeiten zu schlichten, gibt es das Ehrenamt der Feldgeschworenen, auch "Siebener" genannt, die damals den genauen Verlauf der Grenzen anhand von Karten und geheimen Zeichen bestimmen konnten oder Grenzsteine setzten.

Tradition: Wettelsheim plant seit 2020 den Grenzumritt

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Für den Ort Wettelsheim ist die erste schriftliche Siebenerordnung für das Jahr 1746 belegt. Diese Verordnung des Ansbacher Markgrafen erhebt die Feldgeschworenen zu Rechtspersonen, die ihre Geheimnisse oft mündlich weitertragen. Aus diesen Ursprüngen heraus stammt auch der Grenzumritt. Der erste belegte Umritt fand 1794 in Wettelsheim statt. Damals waren 80 Reiter auf der Flur unterwegs, angeführt vom damaligen Richter Georg Weiß.

Diese Veranstaltungen wurden in den Folgejahren eher unregelmäßig durchgeführt, belegt sind sie in den Jahren 1818, 1863, 1885, 1925, 1937, 1949, 1961 und 1978. Zuletzt fand der Umritt 2009 statt, zusammen mit dem 30. Dorffest, damals organisiert vom einstigen Ortssprecher und Feldgeschworenen Werner Föttinger.

Er hat eine Festschrift aus dem Jahr 1925 "übersetzen" lassen, denn das Stück war in alter Sütterlin-Schrift geschrieben, die nicht mehr viele Menschen lesen können. Dort sind auch die Preise vermerkt, die sich die schnellsten Reiter abholen konnten: Für den Erstplatzierten zwölf Mark, für den Zweiten zehn Mark und für den dritten Platz acht Mark – sowie eine weiß-blaue Fahne. Für die begleitenden Schüler gab es ein Taschentuch sowie eine große Breze.

Tradition: Wettelsheim plant seit 2020 den Grenzumritt

© Archivfoto: Jürgen Leykamm

Ab 1925 sollte der Umritt eigentlich alle zwölf Jahre stattfinden, doch schon 1973 fiel das Fest aus. Denn: Erst ein Jahr zuvor wurde Wettelsheim nach Treuchtlingen eingemeindet. "Der damalige Bürgermeister argumentierte damit, dass es die Grenze zwischen Wettelsheim und Treuchtlingen nicht mehr gibt", erinnert sich Föttinger. Außerdem wollte die Gemeinde den Umritt nicht finanzieren. Erst 1978 waren die Wogen geglättet und die Reiter konnten wieder starten – zum vorerst letzten Mal.

Denn so ein Umritt, auch wenn er zur Brauchtumspflege gehört, kostet Geld. Zudem können heutzutage immer weniger Personen reiten als es früher üblich war – das Auto hat das Pferd quasi verdrängt. Dennoch wagte Föttinger 2009 einen neuen Anlauf, finanziert über die Einnahmen des Dorffests. Und unter anderen Vorzeichen. "Früher durften nur Männer und Jungen mitreiten. Doch heute interessieren sich viel mehr Frauen und Mädchen für den Reitsport", so Föttinger.

Wenig Reiterfahrung

Doch die wenigsten Akteure verfügten vor elf Jahren über Reiterfahrung. Sie hatten eigens für die Veranstaltung Reitunterricht genommen – die meisten mit Erfolg, obwohl manches der von einem Gehöft geliehenen Tiere nicht dorthin wollte, wo der Reiter es hinlenkte. Gut sechs Stunden dauerte der Umritt um die Flur 2009, alles lief ohne Probleme und auch Grenzsteine mussten keine versetzt werden.

Denn dafür sorgen die Siebener auch bei ihren regulären Grenzumgängen, die jedes Jahr am ersten Samstag im November zu Fuß stattfinden. Dabei schaffen die Ehrenamtlichen allerdings nur ein Viertel der Flurgrenze, die insgesamt etwa 19 Kilometer lang ist und am Patrich auch durch unwegsames Gelände führt.

Schon jetzt beginnen Föttinger und seine Mitstreiter deshalb für die Planungen des Umritts, der am 25. Juli 2021 mit etwa 30 Reitern stattfinden soll. Hoch zu Ross teilnehmen dürfen allerdings nur Männer und Frauen, die in Wettelsheim oder Falbenthal wohnen.

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