Elsbeere könnte Gewinnern des Klimawandels sein

Waldumbau: Wer trägt in 50 Jahren die schönste Krone?

28.6.2021, 17:19 Uhr
Ulmen sind nicht so häufig vertreten in der Burgstallwald-Familie, wo vorrangig Eichen und Hainbuchen den Ton angeben.

© Babett Guthmann, NN Ulmen sind nicht so häufig vertreten in der Burgstallwald-Familie, wo vorrangig Eichen und Hainbuchen den Ton angeben.

Ein Blick nach oben im als FFH-Schutzgebiet ausgewiesenen Erholungswald der Gunzenhäuser genügt: Bei vielen der prächtigen Eichen lichtet sich die Krone, nicht alle Wipfelzweige treiben aus. Dadurch kommt wiederum mehr Licht und Hitze in den Wald, was die Abwehrkräfte der Bäume schwächt und so manchem holzvertilgendem Krabbelvieh das Leben leichter macht.

Bei einem Waldspaziergang mit Förster Bernhard Leidel stand die Frage im Fokus: "Wie sieht der Burgstallwald in 20, wie in 50 Jahren aus?" Der Revierleiter des Forstreviers Gräfensteinberg ist zusätzlich bei Schulführungen im Burgstallwald im Einsatz und kennt dort jeden Pfad. Seine Antwort: "Es wird den Burgstallwald dann immer noch geben, aber der Wald hier wird anders aussehen, denn manche Bäume kommen mit den neuen Bedingungen besser, andere weniger gut zurecht."


So soll der Wald in Gunzenhausen fit für den Klimawandel werden


Zu jeder Baumart hat Bernhard Leidel dabei Interessantes zu sagen, deshalb hier ein Baum-Casting zum Thema "Wer trägt in 50 Jahren die schönste Krone?".

Noch trägt sie den Titel "Burgstallkönigin": die Eiche

Wie ja alle Gunzenhäuser wissen, hat die Eiche echte Probleme mit der Trockenheit und dem Ungezieferbefall. Trotzdem prophezeit Waldkenner Leidel ihr eine gute Zukunftsperspektive, gerade im Burgstall, wo sie ja als schützenswerter Baum eine gesicherte Stellung in der Baumgesellschaft einnimmt.

"In der Natur braucht die Eiche ab und zu einen Katastrophenfall, einen Waldbrand oder einen großen Schnee- oder Windbruch", erläutert der Förster. An solchen lichten Waldstellen kommen dann die lichthungrigen jungen Eichen zum Zug und können in die Höhe wachsen. Oberhalb des Lindenhofs im westlichen Teil des Burgstalls ist vom Forstweg aus zu sehen, dass im FFH-Gebiet die Forstleute manchmal nachhelfen: Hier wurde gerodet, um einer neuen Eichen-Generation genügend Licht zu verschaffen. Hat funktioniert – und die wildwachsenden Eichen strecken sich hier schon ordentlich gen Himmel.

Durstiger Schattenbaum: die Hainbuche

"Wenn eine Hainbuche im Umfeld in die Höhe wächst, haben die Eichen rundum keine Chance!", erläutert Bernhard Leidel. Gegenüber dem Lichtbaum Eiche hat der Hainbuchen-Nachwuchs also eindeutig die besseren Karten.


Gunzenhausen: Nach dem Schwammspinner kommt der Prachtkäfer


Nicht ganz so gut kommen die Hainbuchen mit der Trockenheit zurecht. Aber wer Katastrophenmeldungen übers Buchensterben hört, muss nicht gleich an Alarmstimmung im Burgstallwald denken: Die Hainbuche gehört zu den Birkengewächsen und ist nicht ganz so empfindlich für durch Trockenheit ausgelöste Wurzelfäule, also für Pilzbefall.

Die friedliebende Eichenfreundin – die Linde

Kleine Lindenbäume sind im Burgstall keine Seltenheit, aber sie sind von Natur aus keine dominanten Baumtypen. Wachsen sie neben einer Eiche in gleicher Höhe, schränken sie sich freiwillig ein und geben sich mit einer kleineren Krone zufrieden. Ansonsten sind sie sehr unempfindlich gegen Hitze und sind – wie die meisten Laubbäume – sehr sturmfest.

Erfolgreicher Einwanderer aus den Gärten: der Walnussbaum

Walnussbäume profitieren vom Sammelfleiß der Eichhörnchen, die so manche Nuss aus den Gärten stibitzen und im Waldversteck bunkern. Die Blätter der Walnuss sind nicht besonders schmackhaft, wegen ihres Gerbsäure-Gehalts eher bitter, und die Rehe mögen deshalb die Triebe nicht. Ein eindeutiger Vorteil gegenüber jungen Buchen und Eichen, die mitunter vom Wild kniehoch gehalten werden, während sich die jungen Walnussbäumchen besser durchsetzen können.


Rehe-Schießen für den Waldumbau: Naturschützer wollen knallharte Linie


Ein bisschen frostanfällig ist die Walnuss, dafür liebt sie es ordentlich warm und kommt mit Hitze gut zurecht. Der Walnuss gefällt es, dass die Eichen derzeit lichter werden, denn zum guten Gedeihen braucht die ursprünglich im Kaukasus beheimatete Baumart viel Sonnenlicht.

Könnte Gewinnerin des Klimawandels sein: die Elsbeere

Im Vordergrund spitzt eine junge Elsbeere aus ihrer Wuchshülle. Besonders wertvoll ist aber für Forstamtmann Bernhard Leidel der wilde Eichen-Nachwuchs an dieser Auslichtung im westlichen Burgstallwald.

Im Vordergrund spitzt eine junge Elsbeere aus ihrer Wuchshülle. Besonders wertvoll ist aber für Forstamtmann Bernhard Leidel der wilde Eichen-Nachwuchs an dieser Auslichtung im westlichen Burgstallwald. © Babett Guthmann, NN

Wasserarme Zeiten stehen den Wäldern in der Region möglicherweise ins Haus. Die wärmeliebende Elsbeere mit ihrer tiefen Herzwurzel ist da gut vorbereitet. Im Burgstallwald zeigt Förster Leidel viele Stellen, an denen kleine Elsbeeren neben ihrem Mutterbaum aus dem Boden sprießen.

Diese Baumart vermehrt sich nämlich nicht nur über Samen, sondern auch über Wurzelsprosse. Im Burgstall oberhalb des Lindenhofs hat der Forstbetrieb Allersberg Elsbeeren gepflanzt, es gibt aber auch Wildwuchs im gesamten Wald. Diese Bäume werden 100 bis 250 Jahre alt und dann ist ihr Holz besonders hart und enorm wertvoll.

Das Leben ist kurz – für die Rosskastanie

Junge Rosskastanienbäume sind im Burgstall keine Seltenheit. Dieser bei Bienen beliebte Baum gilt als "Joker" im Klimawandel. Als Bereicherung für den Mischwald lässt auch unser Experte diesen bis in den Iran verbreiteten Baum gelten, aber in puncto Lebenserwartung gibt er für die Rosskastanie eine schlechte Prognose ab: Kaum mal gute 60 Jahre alt, schon wirkt sich ein Bakterien- und nachfolgender Pilzbefall lebensbedrohlich aus.

Sieht nicht gut aus – für die Lärche

Die Lärche ist eine Spezialistin unter den Nadelbäumen: Da sie ihre Nadeln im Winter abwirft, kann sie Temperaturen bis minus 40 Grad überleben. Hilft ihr nix in unseren Breiten: Sie wird bei steigenden Durchschnittstemperaturen voraussichtlich in großer Zahl dem Klimawandel zum Opfer fallen. Im Burgstall gibt es noch einige prächtig hohe Exemplare, denn eine Rekord-Lärche kann glatt mal 50 Meter hoch werden.

Wächst nicht, gibt’s nicht – der Feldahorn

Der Feldahorn kommt mit den neuen Bedingungen in unseren heimischen Wäldern gut zurecht, und er fühlt sich in Gesellschaft der Eiche auch sehr wohl. Im Burgstallwald würde er schon gerne einen Clan gründen. Aufgrund seiner Zierlichkeit und seines weichen Holzes war er bisher aber nicht so gefragt, und deshalb hat man ihm noch keine Chance gegeben. Das wird sich aber sicher ändern: Als der kleine Vertreter der Ahorngattung wird man ihn sicherlich in Zukunft des Öfteren antreffen.

Vermehrungsfreudig und blütenreich – die Vogelkirsche

Im Unterholz des Burgstallwalds sehr häufig anzutreffen ist die wilde Kirsche oder Vogelkirsche. Auch sie könnte sich in Zukunft mehr ausbreiten, und Bienen und Vögel würden sich da freuen.

Hat mehr Feinde als Freunde – die Ulme

Eine Ulme wird ein Laie im Burgstallwald wohl kaum finden, aber es gibt sie. Sie sind nur nicht so einfach zu erkennen. Bernhard Leidel erläutert an einer am Wegesrand wachsenden Ulme, dass die gezackten Ulmenblätter an ihrer rauen Oberfläche zu erkennen sind. Für Laien sehen sie ein bisschen aus wie Haselblätter. Ein vor 100 Jahren aus Asien eingewanderter Pilz hat sich mit dem Ulmensplintkäfer gegen diesen Baum verschworen, und da gibt es kaum ein Entkommen.


Fliegender Waldumbau: Ohne den Eichelhäher sähe der Forst alt aus


Leidel ist sich sicher: Die Ulmen werden nicht aussterben, aber auch nicht mehr älter als 50 bis 60 Jahre werden. Das dunkle Ulmenholz war übrigens im Barock besonders beliebt und wird auch heute noch für sehr, sehr teure Möbel und für Schnitzarbeiten verwendet.

Wer trägt in Zukunft die schönste Krone?

Die Frage nach der künftigen Baumkönigin kann und will Bernhard Leidel nicht beantworten. Nach wie vor gilt der Auftrag, das Flora-Fauna-Habitat Burgstallwald mit einem dominanten Mix aus Hainbuchen und Eichen so zu erhalten. Weiter will die Forstwirtschaft einen Waldumbau begleiten, der zu mehr Vielfalt und Klimaresistenz führt. Da ist der Burgstall als Laubwald mit einer großen Vielfalt an Baumarten eigentlich heute schon ein Zukunftswald.

Was im Gespräch mit dem Forstexperten auch deutlich wird: Die Zeiträume im Wald werden nicht nach Menschengenerationen berechnet. So stehen wir am Ende unseres Spaziergangs durch den Burgstall vor einer 250 Jahre alten Eiche am Waldrand und rechnen nach: gepflanzt 1771. Das war das Jahr einer großen Hungersnot in Deutschland, und der letzte Markgraf Karl Alexander hatte in Gunzenhausen das Sagen.

1 Kommentar