Walter Sittler liest in Gunzenhausen Erich Kästner

9.12.2019, 17:37 Uhr
Walter Sittler liest in Gunzenhausen Erich Kästner

© Stefan Nimmesgern

Für Erich Kästner war der Winter eine besondere Zeit. Kein Wunder, dass einige seiner schönsten Geschichten in den kalten Monaten spielen, nicht nur die Klassiker "Das fliegende Klassenzimmer" und "Drei Männer im Schnee".

Nach den großen Erfolgen von "Als ich ein kleiner Junge war" und "Prost Onkel Erich!" haben Martin Mühleis und Libor Síma für Walter Sittler & Die Sextanten jetzt ein drittes Kästner-Programm erarbeitet. Diese winterliche Geschichte ist geschickt montiert aus Essays und Erzählungen, Weihnachtsgedichten und Auszügen aus Romanen.

Kästner aber wäre nicht der Dichter, als der er geliebt und geschätzt wird, würde er das Sujet "Weihnachten" nicht nutzen, um dabei seinen analytischen Blick auf die Zeit und den Menschen zu richten.

Libor Síma, der auch die Bühnenmusiken der beiden anderen Kästner-Stücke komponiert hat, hat für die außergewöhnliche Besetzung der "Sextanten" die schönsten europäischen Weihnachtslieder neu arrangiert. Und so ist dieses "Weihnachts-Special" eine literarisch-musikalische Deutschland-Revue über die Jahre 1920 bis 1950.

Und so beginnt das Stück: Diesmal wird es eine regelrechte Weihnachtsgeschichte. Eigentlich wollte ich sie schon vor zwei Jahren schreiben – und dann, ganz bestimmt, im vorigen Jahr. Aber wie das so ist: Immer kommt einem etwas dazwischen. Bis meine Mutter neulich sagte: "Wenn du sie jetzt nicht schreibst, kriegst du nichts zu Weihnachten!" Damit war alles entschieden.

Ich packte schleunigst meinen Koffer, legte den Tennisschläger, den Badeanzug, den grünen Bleistift und furchtbar viel Schreibpapier hinein und fragte, als wir schwitzend und abgehetzt in der Bahnhofshalle standen: "Und wohin nun?"

Denn es ist begreiflicherweise sehr schwierig, mitten im heißesten Hochsommer eine Weihnachtsgeschichte zu verfassen. Man kann sich doch nicht gut auf den Hosenboden setzen und schreiben: "Es war schneidend kalt, der Schnee fiel in Strömen, und Herrn Doktor Eisenmayer erfroren, als er aus dem Fenster sah, beide Ohrläppchen" – ich meine, dergleichen kann man doch beim besten Willen nicht im August hinschreiben, während man wie ein Schmorbraten im Familienbad liegt und auf den Hitzeschlag wartet!

Frauen sind praktisch. Meine Mutter wusste Rat. Sie trat an den Fahrkartenschalter, nickte dem Beamten freundlich zu und fragte: "Entschuldigen Sie, wo liegt im August Schnee?" "Am Nordpol", wollte der Mann erst sagen, dann aber erkannte er meine Mutter, unterdrückte seine vorlaute Bemerkung und meinte höflich: "Auf der Zugspitze, Frau Kästner." Und so musste ich mir auf der Stelle ein Billett nach Oberbayern lösen.

Karten gibt es beim Altmühl-Boten (Marktplatz 47, Mo.-Do. 8-12, 13-17, Fr. 8-12, 13-16 Uhr, Telefon 09831/50080)

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