"Wenn du keine Jugend hast, stirbst du aus"

21.12.2018, 14:34 Uhr

UNTERWURMBACH — Im Juli 2017 hatte der Schützenverein Unterwurmbach zu einem Schnupperschießen für Jugendliche im Rahmen seines Sommerfestes geladen. Persönlich und schriftlich gingen 70 Einladungen an Unterwurmbacher Kinder heraus, deren 20 waren der Einladung gefolgt. Und 17 Jugendliche sind tatsächlich beim Schützenverein, der im Jahr 2022 sein 100-jähriges Jubiläum feiert, hängen geblieben und trainieren seitdem regelmäßig am Freitagabend im Schützenhaus in Unterwurmbach. Zudem traten fünf Elternteile bei. Eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass es für einige Vereine im Allgemeinen und für Schützenvereine im Speziellen nicht unbedingt einfach ist, junge Mitglieder zu gewinnen.

Nachlassendes Interesse am Ehrenamt, der demographische Wandel, die gefühlt stetig zunehmende Bürokratie und das veränderte Freizeitverhalten von jungen Menschen lauten die Probleme für die Vereinsarbeit. Welche Hürden sich zusätzlich für Schützenvereine auftun, weiß Wolfgang Rubensdörfer, der erste 1. Schützenmeister des SV Unterwurmbach, ganz genau. Da wäre zum einen der schwierige Spagat zwischen Brauchtum und Traditionen auf der einen, und dem Aspekt des Sportschießens auf der anderen Seite.

Bedenken zerstreuen

 "Manche Schützenvereine haben gar kein Interesse an Jugendarbeit, denen sind die Pflege der Traditionen im Schützenwesen wichtiger", sagt Rubensdörfer, der das gar nicht wertend verstanden wissen will. Aber: "Wenn du keine Jugend hast, stirbst du aus", sagt der 60-Jährige, dem die Jugendarbeit nach eigener Aussage schon immer am Herzen liegt. Und der in diesem Zusammenhang eines klarstellen will, auch um mögliche Bedenken von Eltern zu zerstreuen, die ihr Kind lieber nicht mit einer Waffe in der Hand sehen wollen. "Für Waffen braucht man eine Waffenbesitzkarte, wir hantieren hier aber nicht mit Waffen, sondern mit Luftgewehren oder Luftpistolen, das sind Sportgeräte", sagt Rubensdörfer, "im Kleinkaliber-Bereich fängt es mit Waffen an."

Zumal auch die Vorschriften streng sind. Jugendliche unter zwölf Jahren dürfen noch gar nicht an den Schießstand, es sei denn, es existiert eine Ausnahmegenehmigung, die man mit einem ärztlichen Attest und via Formblatt beim Landratsamt beantragen muss. Ein Weg, den sie beim Unterwurmbacher Schützenverein gegangen sind, um das Schnupperschießen und das daraus resultierende wöchentliche Jugendtraining abhalten zu können.

Erfahrungen an der Schießbude

Bernd Eisen, der sich mit Rubensdörfer und Marco Kreß um die Jungschützen kümmert, bringt da einen weiteren Aspekt ins Spiel. "Mit zwölf Jahren haben viele Kinder schon ihren Sport gefunden, Fußball kann ich mit vier oder fünf Jahren anfangen, bei den Schützen ist das viel später der Fall."

Yannik Eisen, Johanna Kreß und Alexander Guthmann haben ihren Weg zum Sportschießen gefunden, sie sind drei der 17 Jugendlichen, die nach dem Schnupperschießen im Jahr 2017 dem Schützenverein beigetreten sind. Bei der zehnjährigen Kreß und beim elfjährigen Eisen waren es jeweils der Papa, der die Kinder mit dem Sportschießen in Verbindung gebracht hat, bei Guthmann die Schießbude an der Kirchweih. "Da habe ich gut geschossen und mir gedacht, wenn ich zum Schützenverein gehe, treffe ich bestimmt auch was", sagt der Zwölfjährige. Gemeinsam hat das Trio, dass es den Spaß am Sportschießen gefunden hat. Und, dass alle drei inzwischen in den Gaukader des Schützengaus Hesselberg aufgenommen wurden, sozusagen in die Talentschmiede des 56 Vereine aus den Landkreisen Ansbach und Weißenburg-Gunzenhausen sowie rund 6100 Mitglieder zählenden Schützengaus.

© Fotos: Mathias Hochreuther

Diesem Gau steht Wolfgang Rubensdörfer als 1. Gauschützenmeister vor, weshalb der 60-Jährige auch über den Schützenverein Unterwurmbach hinaus schaut. "Einige Schützenvereine tun sich schwer damit, Nachwuchs zu finden", sagt Rubensdörfer, der für den SVU ein Nachwuchskonzept erstellt hat, an dem auch schon der übergeordnete Bayerische Sportschützenbund Interesse bekundet hat.

Grundsätzlich ist es ihm wichtig, dass überhaupt Trainer zur Verfügung stehen, die sich um den Nachwuchs kümmern. Um Jugendliche ausbilden zu können, braucht es im Verein mindestens einen Trainer mit Vereins-Übungsleiterlizenz, es folgen C-, B- und A-Lizenzen in unterschiedlichen Ausbildungsstufen, vom Breitensport bis zur Nationalmannschaft. Rubensdörfer selbst ist seit 1984 im Besitz der C-Lizenz. Doch wegen einer Lizenz kommt freilich kein Kind in den Schützenverein, "wer nicht wirbt, der stirbt", lautet also das Motto von Rubensdörfer. "Wenn wir als Verein keine Aktionen machen, kommt keiner", sagt er.

Vorzüge präsentieren

Beim SVU haben sie Aktionen wie das Schnupperschießen – das im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfinden soll, also wieder im Juli 2019 – ins Leben gerufen, wollen sich weiterhin in der Öffentlichkeit präsentieren. Und die Vorzüge ihres Sports auch nach außen tragen, zum Beispiel auch bei Elternabenden. "Das faszinierende am Sportschießen ist, die eigenen Körperschwankungen so in Einklang zu bringen, dass totale Ruhe herrscht", sagt Rubensdörfer, für den der Schießsport auch viel mit mentaler Arbeit zu tun hat. Und zur Ruhe zu kommen und eine hohe Konzentrationsfähigkeit zu entwickeln, das schade ja vor allem Kindern nicht.

Der Nachwuchs hat schon eine wesentliche Lehre im Sport, die sich eins-zu-eins ins "echte" Leben übertragen lässt, mitgenommen. "Wenn es mal nicht so läuft und ich eine schlechte Serie schieße, muss ich damit umgehen und weitermachen", sagt Jungschütze Alexander Guthmann.

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