Wertvolles Saatgut: Warum Eicheln nicht überall gesammelt werden

2.11.2020, 06:08 Uhr
Wertvolles Saatgut: Warum Eicheln nicht überall gesammelt werden

© Foto: Jürgen Eisenbrand

Denn das Waldstück namens "Schweden", in dem Stemmer, der Leiter des Bereichs Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), und der Heidenheimer Revierförster Kirsch gerade die fleißigen Sammler besuchen, ist eines von nur wenigen in Altmühlfranken, in dem Baumschulen Saatgut für die Zucht und den Weiterverkauf sammeln dürfen. Es ist ein amtlich "anerkannter Bestand" für Eichen, erklärt Stemmer, und der steht als solcher im sogenannten "Erntezulassungsregister".

134 Hektar dieser Bestände gibt es im Landkreis, der größte davon ist mit 65 Hektar der Burgstallwald in Gunzenhausen, "Schweden" rangiert mit etwa 22 Hektar an zweiter Stelle.

Wenn nun eine – natürlich speziell zertifizierte – Baumschule in einem Mastjahr wie heuer, in dem die Eichen besonders viele Samen tragen, Saatgut erwerben möchte, muss sie Kontakt mit dem Waldeigentümer (in diesem Fall: die Staatsforsten) aufnehmen. Der schickt sodann eine "Ernteanmeldung" an das Amt für Waldgenetik im oberbayerischen Teisendorf, und der Förster vor Ort muss dann die Ernte der Eicheln überwachen.

Stammzertifikat muss vorliegen

Ehe die jedoch in der Baumschule landen, werden sie noch in einer Sammelstelle des AELF in Absberg zwischengelagert, bis das sogenannte "Stammzertifikat" für diese Charge vorliegt; ein Dokument, das Jürgen Stemmer anschaulich als "Geburtsurkunde" der betreffenden Eicheln bezeichnet. Die Nummer, die mit dem Stammzertifikat vergeben wird, begleitet die Eicheln von nun an auf jedem Lieferschein und jeder Rechnung – bis zum Grundbesitzer, der mit den Prädikatseicheln demnächst seinen Wald aufforsten wird.

Der Sinn dieser komplizierten Prozedur: Wer mit dem Saatgut von Bäumen handelt, soll nur allerbeste Qualität in Verkehr bringen. Um das zu gewährleisten, dürfen die zuständigen Förster sogar die Autos der Sammler überprüfen, ob dort womöglich minderwertige Eicheln, Bucheckern oder Tannensamen lagern, mit denen das zertifizierte Saatgut gestreckt wird. Auch prüfen die zuständigen Behörden immer wieder die Zahl der in den Verkehr gebrachten Setzlinge und rechnen nach, ob die zur geernteten Samenmenge passt.

Nur für den Handel verpflichtend

Die Verpflichtung, nur zertifiziertes Saatgut im Wald auszubringen, gilt übrigens nur, wenn man mit diesem Handel treibt. Ein Waldbesitzer darf Eicheln aus seinem Forst selbstverständlich auch dort wieder ausbringen, aber er darf es nicht an andere verkaufen – und noch nicht einmal verschenken!

Aber was unterscheidet nun eine ganz normale Wald-und-Wiesen-Eichel von einer zertifizierten "Super-Eichel"?

Sie müsse zunächst einmal von "autochthonen Bäumen stammen". erklärt Jürgen Stemmer. Das heißt: Die Eichen müssen "seit Jahrhunderten an diesem Standort stehen". Darüber hinaus müssen die Bäume, so Stemmer, "von hervorragender Qualität sein", also gerade gewachsen und möglichst astfrei. Sie müssen "unanfällig gegen Schädlinge" sein und eine möglichst große genetische Vielfalt aufweisen, was wiederum eine gewisse Anzahl von Bäumen auf einer ausreichend großen Fläche erfordert.

Diese Flächen, die die besonders hochwertigen Bäume aufweisen, werden übrigens behördlicherseits immer wieder überprüft. Denn es könnte ja sein, dass die Qualität oder die Gesundheit der Eichen auf einem Areal über die Jahre nachlässt oder ihre Zahl schlichtweg zu klein wird (Stichwort: genetische Vielfalt). In diesem Fall würde einem bisher zertifizierten Waldgebiet dieses Gütesiegel entzogen.

Acht Kilo pro Stunde

Die Eichelsammler in "Schweden" sind inzwischen ein gutes Stück vorangekommen, die Eimer füllen sich ein ums andere Mal, die großen Säcke, in denen das – übrigens kostenpflichtige – Saatgut gesammelt wird, werden praller und praller. "Acht Kilo pro Stunde", schätzt einer der Männer, könne ein fleißiger Aufklauber durchaus schaffen. "Eine schöne Arbeit", sagt der Mann und blinzelt in die Sonne; bei Regen allerdings, das räumt er ein, mache es deutlich weniger Spaß.

Wertvolles Saatgut: Warum Eicheln nicht überall gesammelt werden

© Foto: Jürgen Eisenbrand

Für Jürgen Stemmer, Michael Kirsch und andere Forst-Fachleute ist die Eiche nicht nur wegen ihres wertvollen Holzes ein ganz besonderes Gewächs. Denn der deutsche Symbolbaum hat mehrere Eigenschaften, die ihn zu so etwas wie den "Baum der Zukunft" machen. Denn die Eiche ist den extremen Wetterverhältnissen, die der Klimawandel mit sich bringt, besser gewachsen als andere Bäume.

"Seine tiefe Pfahlwurzel verhindert, dass er bei Stürmen entwurzelt wird", sagt Stemmer. Zudem sei sie in der Lage, bei Trockenheit Wasser aus tieferen Schichten zu holen als etwa die flachen Wurzeln der Kiefer. Zudem sei die "ökologische Amplitude bei der Eiche sehr groß", sagt der Fachmann. Und erklärt dem offenbar etwas ratlos dreinschauenden Laien, was er damit meint: Die Eiche kann sowohl mit Hitze und Trockenheit gut umgehen, wie auch mit Kälte und Nässe – sie ist also weniger spezialisiert als andere Bäume, mithin also "für viele Standorte geeignet", sagt Revierförster Michael Kirsch.

"Ein Geschenk der Natur"

Über das besonders ertragreiche Eichel-Mastjahr freuen sich die beiden, denn, so Stemmer: "Das ist ein Geschenk der Natur, das uns viele Hektar gesunden Wald bringen wird. Die einzige Sorge der beiden ist, dass die Eiche nicht nur bei Förstern, sondern auch beim Rotwild beliebt ist. Weshalb es wichtig sei, dass die Jäger die Bestände unter Kontrolle halten.

Bedenken von Laien, dass die emsigen Eichelsammler am Ende so viel Saatgut aus dem Wald tragen könnten, dass für Eichelhäher, Eichhörnchen und Co. nichts mehr übrig bleibt, wischen die beiden schmunzelnd vom Tisch: "In solchen Jahren bleibt auch nach der Ente noch mehr für die Eichhörnchen übrig, als in so manchem magerem Jahr", beruhigen sie.

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