Wie der Einzelhandel den "Lockdown light" bisher verkraftet

10.11.2020, 06:00 Uhr
Wie der Einzelhandel den

© Foto: Jürgen Eisenbrand

"Ja, man merkt das schon", sagt Manuela Semlinger vom Spielwaren-Traditionsgeschäft Eggmayer in der Weißenburger Straße. "Es sind einfach weniger Leute unterwegs, und damit fehlen die Bummler und Spontankäufer." Dabei begänne jetzt – Stichwort: Weihnachtsgeschäft – für die Branche "die wichtigste Zeit des Jahres", sagt Semlinger. Und fügt hinzu: "Wir wissen nicht, wie’s weitergeht." Derzeit ertappe sie sich jedenfalls dabei, wie sie zweimal täglich am Smartphone die aktuellsten Infektionszahlen für den Landkreis abruft.

Von diesen zeigt sich die Kundschaft ihrer Nachbarin derzeit noch weitgehend unbeeindruckt: "Ich merke fast keinen Unterschied zu normalen Wochen", sagt Melena Renner, die Inhaberin der "Buchhandlung am Färberturm". Zwar habe sie das Gefühl, dass der eine oder andere Bücherfreund die Weihnachtseinkäufe heuer etwas früher erledigt – was mit Corona zu tun haben könnte.

"Aber das ist ja auch in unserem Interesse", sagt sie und blickt in ihrem kleinen, charmant verwinkelten Laden umher: "Denn wir haben uns schon Gedanken gemacht, wie wir in den letzten Wochen vor dem Fest die Massen in den Griff kriegen sollen."

Mehr Lieferungen nach Hause

Deshalb werde sie auch vermehrt Lieferungen nach Hause anbieten, werde telefonisch bestellte Bücher als Geschenk zum schnellen Abholen einpacken, und auch ihr Online-Shop wird wohl, wie schon in der ersten Lockdown-Phase, wieder mehr Geschäft verzeichnen.

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© Foto: Jürgen Eisenbrand

Gedämpftere Stimmung herrscht ein paar Häuser weiter, im Foto-Geschäft von Harald Braun und seiner Tochter Julia. "Die Frequenz ist schon zurückgegangen, es ist nochmal ruhiger als in der Zeit zuvor", stellt die Prokuristin fest. Es herrsche eine "komische, bedrückte Stimmung in der Stadt", findet sie, und auch die Herbstferien hätten die Erwartungen nicht erfüllt: "Es waren halt keine Ausflügler unterwegs."

Sie könne die Menschen, die sich teilweise seit Monaten – oder wie in der Gastronomie jetzt wieder – in Kurzarbeit befänden, ja verstehen: "Die überlegen natürlich genau, wofür die jetzt Geld ausgeben." Aber unter dieser Zurückhaltung leide natürlich ihr Geschäft.

Wie übrigens auch unter jener Corona-Regel, die bestimmt, dass nur Menschen aus zwei Hausständen zusammenkommen dürfen: "Das trifft unser Studio, weil so Familienfotos mit mehreren Generationen unmöglich sind." Gerade vor dem Fest gebe es da in normalen Jahren eine rege Nachfrage, "denn solche Fotos sind eine gute Geschenkidee". Sie hoffe jetzt darauf, dass sich diese im Dezember noch umsetzen lasse.

Trister Eindruck durch fehlende Gastronomie

Weihnachten spielt auch für Christiane Neidhardt-Menhorn eine große Rolle, denn sie verwöhnt ihre Kunden mit einem der typischsten Festpräsente überhaupt: edle Düfte und alles, was schön macht.

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© Foto: Jürgen Eisenbrand

Die Frequenz sei gut, sagt die Inhaberin der Parfümerie Neidhardt am Marktplatz, die auch eine Erklärung für die subjektiv empfundene Leere der Innenstadt hat: "Die Gastronomie fehlt mit ihrer Außenbestuhlung und den Gästen", deshalb wirke das alles etwas trister als sonst.

Trotzdem: Auch wenn das Geschäft gut läuft, hat das Virus doch einige Veränderungen mit sich gebracht. So hält sie es durchaus für möglich, dass etliche Kunden die Weihnachtseinkäufe vorziehen, getreu dem Motto: Wer weiß, was noch kommt. Sie stellt auch fest, dass mehr telefonisch bestellt wird ("Das verkürzt die zeitliche Anwesenheit im Laden."), mutmaßlich um dem vorweihnachtlichen Gedränge im frisch renovierten Hochglanz-Geschäft zu entgehen.


Unverständnis für "Lockdown light": "Man gibt sein Bestes und wird bestraft"


Neidhardt-Menhorn, die die Parfümerie seit Anfang der 1990er-Jahre leitet, leistet dazu gleich mehrere Beiträge: Sie hat zusätzliche Einpackplätze eingerichtet, verlängert ab Dezember ihre täglichen Öffnungszeiten um eine Stunde, und sie bietet sogar exklusive "Private Shopping-Termine" außerhalb der üblichen Geschäftszeiten an.

Die Kunden kaufen "zügiger" ein

Katharina Strauß hat gerade eine Woche "Jubiläumsverkauf" hinter sich und ist mit ihrem Geschäft "sehr zufrieden". Allerdings hat die Steingass-Geschäftsleiterin auch festgestellt, dass sich das Kundenverhalten in der Lockdown-Zeit verändert hat: Die Leute wollten raus von zu Hause, sie wollten shoppen, aber sie kauften "zügiger" ein. Auch weil mit dem Verzicht auf Events das "Einkaufserlebnis" gezwungenermaßen fehle.

Aber sie freue sich, "dass die Leute uns unterstützen". Schwierig für die Textil-Branche sei allerdings, dass die Kunden heuer nicht wüssten, ob Silvester-Partys und -Bälle oder festliche Weihnachtsveranstaltungen stattfinden können: "Da wird uns das anlassbezogene Kaufen fehlen", sagt Strauß. Und auch der Angestellte, der seit Monaten im Homeoffice sitze, brauche dafür keinen neuen feinen Zwirn, sondern, "kann zuhause auch im Jogginganzug arbeiten".

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© Foto: Jürgen Eisenbrand

Diese Sorgen hat Dr. Kerstin Schulte-Eckel nicht. Denn in ihrem S-Kultur-Shop dreht sich alles ums Kochen und Genießen – und dafür braucht man als textile Grundausstattung allenfalls ein Kochschürze. Und auch sonst hat sie keinen Grund, den Corona-Lockdown-Blues anzustimmen.

"Man merkt es ein wenig an der Frequenz, aber die Kunden, die kommen, sind entspannt und souverän." Und durchaus kaufwillig. "Ich mache es mir zu Hause schön", laute das Motto, sagt Schulte-Eckel. Selbst kochen und vor allem backen sei "ein großer Trend", und es sei "schön zu sehen, dass die Leute wertiger kaufen".

Die Kunden achteten auf Nachhaltigkeit, "Made in Europe" stehe bei vielen wieder im Fokus, ebenso wie das Interesse an hochwertigen Lebensmitteln und deren Verarbeitung. Eine Philosophie, die der des edlen Haushaltswarenanbieters sehr entgegenkomme.

Vor "fünf oder sieben Jahren hat es viel weniger solcher Spaß-Kocher" gegeben, erinnert sich die Fachfrau, die auch festgestellt hat, dass zahlreiche Kunden, die eigentlich zum Bummeln ins Geschäft gekommen waren, mit Blick aufs Weihnachtsfest gleich zuschlagen und ihr Geschenk kaufen. Und sie vermutet dahinter das gleiche Motiv wie ihre Kollegin Christiane Neidhardt-Menhorn ein paar Häuser weiter: "Man weiß ja nie, was noch kommt."

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