Wirte in der Krise: Marco Kleemann aus Pfofeld berichtet

5.5.2020, 05:57 Uhr
Wirte in der Krise: Marco Kleemann aus Pfofeld berichtet

© Reinhard Krüger

"Ja, das fehlt mir schon sehr", gibt Marco Kleemann unverhohlen zu und schaut wehmütig in seine leere Gaststube. Er ist der Wirt, und er ist jetzt in diesen Corona-Zeiten allein zu Hause.

Nein, so schlimm ist es nicht, dazu hat er viel zu viele Ideen, diesem Shutdown ein wenig Leben abzutrotzen. Einen entscheidenden Standortvorteil hat die Wirtsfamilie Kleemann: eine eigene Metzgerei. Und die ist offen, weil systemrelevant, ein Wort übrigens, das kein Mensch vor Corona kannte und das jetzt in aller Munde ist. Die Leute kaufen ein. Und wie! Der Kundenstamm ist groß. Viele aus benachbarten Orten und Städten fahren eigens zu Kleemann.

Es wird mehr denn je konsumiert, beobachtet der Metzgermeister und spricht von "Top-Umsätzen". Anfangs habe er auch Essen ausgefahren, das Kunden bestellt hätten, aber sehr schnell erkannt, dass dies nicht sein Ding ist. Vor allem eines wollte er vermeiden: als Raffzahn zu gelten. "Ich bin ein solidarischer Mensch und gönne solche Alternativen den Wirtskollegen ohne Metzgerei", stellt der 39-Jährige klar.

Deshalb empfiehlt er seinen Kunden, sich doch bitteschön an diese Mitbewerber zu wenden. Außerdem sei dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Also kein To-go-Essen beim Kleemann, dafür täglich frische Wurst und Fleisch. Und die kommt aus der Region, wie es sich gehört.

Man kann Marco Kleemann durchaus als Wirt aus Leidenschaft bezeichnen, obwohl oder gerade weil er selbst in diesem Umfeld groß geworden ist. Den Gasthof gibt es seit 1535, die Metzgerei seit 1920. Früh zeichnete sich ab, dass Marco den Familienbetrieb mit den mittlerweile 44 Beschäftigten weiterführen sollte und wollte. 2012 übergab sein Vater Karl ihm die komplette Vollmacht, und seitdem führt Marco mit seiner Schwester Melanie Schröder (42) zusammen den Betrieb, in dem auch Mutter Heidi und Vater Karl angestellt sind. Selbst Großmutter Erna steht mit ihren 82 Jahren jeden Tag spätestens um 4 Uhr (!) in der Küche und bereitet in nicht Corona-Zeiten Frühstück, Kartoffelsalat, Krenfleisch und Suppen für die Gäste vor.

Während die gelernte Hotelfach- und Reiseverkehrskauffrau Melanie Schröder überwiegend für den Gastrobereich zuständig ist, schlachtet Marco regelmäßig, hält die Metzgerei am Laufen, kümmert sich um die Buchhaltung, übernimmt Catering-Aufträge und plante einen radikalen Umbau der bisherigen Örtlichkeit. "Dann kam Corona – und nichts ging mehr", sagte er lakonisch.

Vier Hochzeiten storniert

Jetzt muss das frisch gewählte Gemeinderatsmitglied warten, bis alles wieder auf Grün gestellt wird. Und das kann und wird bekanntlich noch lange dauern, bis er Familienfeste, Stammtische, Vereinstreffen und vor allem das ganz normale Wirtsgeschäft wieder uneingeschränkt organisieren kann. Allein vier Hochzeiten samt Polterabende sind bislang storniert worden, und drei größere Caterer-Aufträge außer Haus, rechnet er vor. Dazu kommen noch rund 40 Konfirmationen und Kommunionen, die alle bei ihm den großen Tag begehen wollten. Ein klein wenig hofft er, dass die ein oder andere Feier nur verschoben und nicht gänzlich storniert wird.

Wenn Marco Kleemann spricht, spürt man den Ernst der Lage. Die sonst meist spitzbübisch lachenden Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Er teilt das Leid vieler seiner Kollegen, obwohl es ihm, seiner Familie und den Angestellten noch vergleichsweise gut geht. Er spricht von vollen Auftragsbüchern und davon, den Gasthof samt Metzgerei ganz neu zu gestalten.

"Unsere Branche zählt zu den Hauptbetroffenen von Corona", sagt der Wirt und vermutet, "dass es danach einige Insolvenzen geben wird." Er selbst wäre heilfroh, wenn er mit einem Minus von rund 50 000 Euro davonkäme.

Hotel- und Gaststättenverband sowie die Metzger-Innung geben zwar viele Ratschläge und volle Rückendeckung, doch er wünscht sich Sofortmaßnahmen, die man nicht mehr zurückzahlen muss. Jeder Kredit, egal wie gut die Bedingungen sind, muss bedient werden: "Das können viele kleinere Betriebe nicht auch noch leisten."

Mit seinem großen Saal im ersten Stock bietet der Gasthof Kleemann Platz für rund 350 Personen. Eine Menge Holz. Und neben seinen vier Betrieben – Gasthof, Metzgerei, Ferienwohnungen und Hotel – engagiert er sich auch noch als Vorstand beim Breitbandausbau für seine Gemeinde und in der Nahwärme.

Bei so vielen Tänzen auf unterschiedlichen "Hochzeiten" braucht man nicht nur einen strukturierten Tagesablauf, sondern vor allem eine Familie. "Die ist das Wichtigste in meinem Leben", sagt er dazu.

Aus anderem Holz

Seine Frau Corinna ist aus einem völlig anderen Holz geschnitzt, sie ist Sozialpädagogin und als stellvertretende Leiterin in der Heilpädagogischen Praxis von Hermann Hain in Sausenhofen tätig. Und zur Familie gehören natürlich auch die beiden pubertierenden Töchter Hanna (15) und Emma (11).

Langeweile wird bei Marco Kleemann also sicher nicht aufkommen, auch wenn es mit den Corona-bedingten Einschränkungen noch länger so weitergeht. Aber eben Wehmut, beim Blick in die leere Gaststube.

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