Woodstock-Flair in der Döckinger Heide

19.6.2016, 17:29 Uhr
Woodstock-Flair in der Döckinger Heide

© Kristy Husz

Den Anfang machen die fünf Jungs von Mobhead aus Ansbach. Ihr Sound ist von der etwas härteren Sorte und dennoch schön groovy, was vor allem auf Michael Kirschners kernigen, im Mittelpunkt stehenden Bass zurückzuführen ist. Stoner Rock nennt das Musiklexikon diese relativ junge Stilrichtung, und besonders der Mann an den vier Saiten zelebriert sie mit offenkundiger Spielfreude. Ausgedehnte Instrumentalsoli wabern über das von der Abendsonne beschienene Feld, manche schwingen zwischen den Pfützen vorsichtig das Tanzbein, noch etwas zögerlich pilgern weitere Gästegrüppchen auf das Gelände.

Es ist eines der Festivals in der Region, die, wie es zwei Besucherinnen formulieren, in die Kategorie „klein, aber gemütlich und übersichtlich“ fallen. Die Wege zwischen Bühne, Ausschank und Campingplatz sind kurz, die Preise fair und die Bands meist unverbraucht, und doch bekommt man an musikalischer Qualität wie an Flair drumherum gut was geboten. Seit 1999 organisiert der Verein Heide Döckingen mit Unterstützung der Dorfjugend dieses sommerliche Event am Hahnenkamm, das heuer unter anderem mit der vollen Elektro-Dröhnung am Brombachsee, dem Historischen Burgfest in Treuchtlingen und natürlich König Fußball konkurrieren muss.

Größere Sorgen bereitet indes einmal mehr etwas anderes: Erst im letzten Jahr erfolgte, nach einigen Pausen, der Umzug auf ein Areal neben dem Sportplatz, zusammen mit einem witterungsbedingten Wechsel vom Augustende in die Junimitte. Glück hatte man mit der neuen Terminwahl nun zweimal trotzdem kaum, zwar ist es auf der Heide jetzt länger hell, stabilere Wetterverhältnisse brachte den Veranstaltern der Rosenmonat allerdings nicht. Und so heißt es nach den massiven Regenfällen der vergangenen Zeit leider entgegen der Bemühungen der Verantwortlichen „Land unter“ auf dem Acker; mit jedem Schritt verwandelt sich das Restchen Wiese in eine braune, extrem rutschige Brühe. Aber ein bisschen Schlamm in den Schuhen und Matsch auf der Haut gehören seit Woodstock ja irgendwie dazu.

Mitreißender Headliner

Spätestens mit dem Auftritt von eSKAlation spielt der Untergrund ohnehin keine Rolle mehr. Der Headliner des ersten Abends weiß die Leute vor der Bühne ordentlich mitzureißen, was bei diesem Mix nicht verwundert: fröhlicher Ska, garniert mit rotzigem Punkrock und einer Dosis Reggae, serviert mit sozialkritischen deutschsprachigen Texten. Unermüdlich pustet die genretypische Bläsersektion der siebenköpfigen Combo aus Nürnberg heiße Rhythmen in die Luft und macht auch optisch etwas her. Wo sonst gibt es gleichzeitig eine Frau am Saxofon, eine Gorillamaske hinter der Trompete sowie mit Christoph Schmidt einen coolen Posaunisten, der sein Instrument mit dem Fuß spielt?

Von diesem irren Klangtrip muss man erst einmal wieder herunterkommen. Es empfiehlt sich ein Platz am Lagerfeuer, wo sich bei Tag noch Kinder tummelten und nun Erwachsene gegen die rasch fallenden Temperaturen ansitzen, wenn sie sich nicht gerade an einem der Essens- und Getränkestände von innen aufwärmen. Hungrige Mägen können zum Beispiel mit einem amerikanischen „Corn Dog“ fränkischer Art gestärkt werden. Das ist sozusagen eine Zwickte am Stiel, wobei eine Hülle aus Maisteig das Brötchen ersetzt. Zu trinken gibt es in diesem Jahr erstmals den „Heide-Dee“, ein limitiertes, eigens für das Musikfest gebrautes Bier der Hechtbräu Zimmern, das regen Absatz findet.

Unterdessen hat das Regensburger Duo Cat Stash die Regentschaft über die Mikros übernommen. Von der eher undankbaren Positionierung als „Rausschmeißer“ lassen sich die Schlagzeugerin Melanie Westermeier und der Gitarrist Andreas Plab nicht beirren. Es ist zwar spät, kalt und relativ leer auf der Heide geworden, aber der melodiöse Indie-Folkrock mit seinen unerwarteten Temposprüngen und schrammelnd-scheppernden Soundeffekten besticht die verbliebenen Gäste umso mehr. Nett und trotzdem mit Ecken und Kanten, mit so etwas im Ohr lässt sich gut die Punsch-Bar aufsuchen oder schon die Heimfahrt antreten, während über dem Hahnenkamm gespenstisch bleich der Mond statt bunter, stimmig choreografierter Bühnenlichter leuchtet.

Den nächsten Abend auf dem inzwischen noch einmal trockengelegten Platz bestreiten mit ZoomOut Musikanten aus dem Raum Ingolstadt, deren Orgel-Sound hörenswert an Jon Lord und Deep Purple erinnert. Außerdem die Stoner-Rocker Dune Pilot aus München und Fairy Duster aus Fürth sowie die Treuchtlinger Hip-Hop-Lokalmatadoren ALC, bevor sich bei einem Weißwurst-Frühschoppen mit Peter Trinkle der Rauch auf der Heide langsam verflüchtigt – um 2017 hoffentlich erneut aufzusteigen. Döckingen mag aus Sicht mancher Ortsunkundiger äußerst versteckt liegen, ist für Fans kleiner und feiner Festivals jedoch immer wieder die Anreise wert.

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