Handyverbot an Bayerns Schulen in der Kritik

20.12.2017, 05:31 Uhr
Handyverbot an Bayerns Schulen in der Kritik

© Jens Kalaene/dpa

Schon jetzt gehen die Schulen sehr unterschiedlich mit der Vorschrift des Bayerischen Kultusministeriums um. Ziemlich streng zum Beispiel das Fürther Heinrich-Schliemann-Gymnasium. "Handys weg, sofort!", lautet die unmissverständliche Aufforderung auf der Startseite der Schul-Homepage.

"Auf dem Schulgelände müssen alle elektronischen Geräte ausgeschaltet und weggepackt werden", bestätigt stellvertretender Schulleiter Günter Neubauer. Ausschließlich unter Aufsicht beziehungsweise auf Weisung von Lehrkräften dürfen die Schüler des 1896 gegründeten humanistischen Gymnasiums ihre Smartphones aktivieren.

Zum Beginn des laufenden Schuljahres wurde die Hausordnung aktualisiert und auch für die Mittagspause ein Handynutzungsverbot ausgesprochen. "Unsere Schüler sollen sich in der unterrichtsfreien Zeit bewegen, miteinander kommunizieren und nicht in irgendeiner Ecke sitzen und daddeln", begründet Neubauer die Regelung, die auch auf Wunsch vieler Eltern verabschiedet wurde. Es sei wichtig, eine transparente und praktikable Lösung ohne Grauzonen zu haben, erklärt der erfahrene Pädagoge.

Elternverband will Lockerung

Am Johann-Schöner-Gymnasium im unterfränkischen Karlstadt hingegen gab es noch im vergangenen Schuljahr eine testweise Ausnahmeregelung, die den Jugendlichen den Gebrauch von Handys auf dem Schulgelände erlaubte. Die neue Schulleiterin Jutta Merwald hatte diese Testphase allerdings nicht verlängert, und der daraus resultierende Ärger hat eine breite Diskussion um den Artikel 56 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) ausgelöst.

Der Bayerische Elternverband zum Beispiel hält die Regelung für nicht mehr zeitgemäß und fordert eine Lockerung, die Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der bayerischen Gymnasien hingegen lehnt eine Freigabe jeglicher Handynutzung auf dem Schulgelände entschieden ab.

Das Bayerische Kultusministerium hat auf die Kritik reagiert, Bildungsminister Ludwig Spaenle will das Thema im kommenden Jahr mit allen Beteiligten an einem runden Tisch diskutieren. An bayerischen Schulen gebe es ohnehin "kein Handyverbot, sondern ein Handygebot", betont Spaenle. Handys dürften im Unterricht im pädagogischen Zusammenhang schon immer eingesetzt werden. Gleichzeitig seien Schulen geschützte Räume, in denen Kinder den reflektierten Umgang mit Handys lernen sollten, so der Minister.

Eine Schule, in der Smartphones schon seit Jahren zum Unterrichtsalltag gehören, ist die Erlanger Realschule am Europakanal, die auch am Mo#dellversuch "Digitale Schule 2020" teilnimmt. Die Schüler dort können sich über ein Ticket-System ins schuleigene WLAN einwählen, sogenanntes E-Learning oder Gruppenarbeit mit Smartphones oder Tablet-PCs sind feste Bestandteile des Schulkonzepts.

Die "Netiquette" beherzigen

"Wir nutzen den Spielraum, den uns das Gesetz bietet", erklärt Schulleiter Markus Bölling, der in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen, der Schülermitverantwortung (SMV) und dem Elternbeirat auch eine Handy-Charta erarbeitet hat. Mit ihren Unterschriften unter dieser Charta verpflichten sich die rund 900 Schülerinnen und Schüler zum Beispiel, keine Fotos, Videos oder Audioaufzeichnungen in der Schule zu machen und damit die Rechte anderer Personen auf das persönliche Bild zu achten. Außerdem sind die Jugendlichen gehalten, sich an die Umgangsregeln für gutes, angemessenes und respektvolles Benehmen in der digitalen Kommunikation, die sogenannte "Netiquette", zu halten.

Eingeführt wurde das Handynutzungsverbot, als an einigen bayerischen Schulen Fälle von "Happy Slapping" ("fröhliches Schlagen") ans Tageslicht kamen. Gemeint ist damit ein grausamer Trend aus England, bei dem Jugendliche ihre Mitschüler oder ahnungslose Passanten verprügeln, diese Szenen filmen und dann ins Internet stellen.

Kurz danach fanden Polizisten bei unangemeldeten Kontrollen auf den Schulhöfen harte Pornos und brutale Gewaltvideos auf den Handys mancher Schüler, woraufhin Bayerns CSU-geführte Staatsregierung beschloss, Smartphones, Laptops und auch Kameras in der Schule zu verbieten, wenn sie nicht für den Unterricht benötigt werden. Inzwischen ist man sich aber auch im Bayerischen Kultusministerium bewusst, dass man über eine Überarbeitung der im Jahr 2006 in Kraft getretenen Regelung diskutieren kann.

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