Ein "Multi-Franke" nimmt seinen Hut

21.4.2020, 13:57 Uhr
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© Foto: Holger Peter

Herr Gäbelein, ein "Saupreiß" als Vorsitzender eines fränkischen Heimatvereins, wie geht denn das?

Ja, es stimmt, dass ich im Spreewald geboren bin. Aber in den Kriegswirren mussten wir dann fliehen, als ich noch keine zwei Jahre alt war. Und dann ging es zurück in die fränkische Heimat meines Vaters.

 

Das fränkische Blut ist also vorhanden . . .

Definitiv. Ich bin dann wirklich sehr viel herumgekommen in der Region. Durch den beruflichen Werdegang meines Vaters, der als Wehrmachtsoffizier erst 1948 aus der französischen Kriegsgefangenschaft kam und danach erst zum Zoll und dann zur Bundeswehr kam, habe ich in Neustadt bei Coburg, Bad Brückenau, Mellrichstadt und Hammelburg gelebt. Irgendwann bin ich nach all den Schulwechseln zurück zu den Großeltern nach Forchheim, um dort das Abitur zu machen, habe in Erlangen studiert und habe nach einem Jahr in München meine erste Stelle als Realschullehrer in Hof angetreten. Ich war also in allen drei Regierungsbezirken, bin quasi ein Multi-Franke.

 

Kommen Sie da mit den Dialekten nicht durcheinander?

Im Gegenteil. Ich habe dafür offenbar ein Talent, kann mich schnell an örtliche Dialekte und deren besondere Wörter gewöhnen. Was bei uns in Mittelfranken die "Madli" sind, sind halt in Unterfranken die "Mädlich". Ich habe auch meine Prüfungslehrprobe im Fach Deutsch über die deutschen Mundarten gehalten – und die Prüfer kamen nicht aus dem Lachen heraus, weil ich alle beherrschte.

 

Wann und wie verschlug Sie das Schicksal nach Herzogenaurach?

Ich war in Hof schon in der Lehrerausbildung tätig und bewarb mich 1975 auf die Konrektorenstelle in Herzogenaurach. Die bekam ich – und den Auftrag vom Kultusministerium, für alle bayerischen Schulen einen Lehrplan für Geschichte zu erstellen, der – auf meinen Vorschlag hin – mit der Heimatgeschichte beginnen sollte. Und dafür sollte ich quasi Musterstunden erstellen – und das in einer Stadt, die ich gerade ein paar Wochen kannte. Da stand ich nun . . .

 

. . . und wussten sich offenbar zu helfen.

Das war gar nicht so einfach. Es gab nur ein bisschen Literatur im Rathausarchiv. Aber ich habe mich richtig in das Thema reingesteigert. Und schon 1978 habe ich das erste Heimatbuch über Herzogenaurach verfasst.

 

Wie weit war es da noch zum Vorsitzenden des Heimatvereins?

Es dauerte noch drei Jahre. Der Verein war seinerzeit nicht wirklich gut geführt und komplett überaltert. Der damalige Kreisheimatpfleger Richard Tille zog zwar im Hintergrund die Fäden, wollte aber nicht selbst den Vorsitz übernehmen. Und schon hatte ich den Posten.

 

Was waren denn Ihre Aufgaben, was haben Sie sich vorgenommen?

Ich musste das von der Wurzel her anpacken. Der Verein, der 1906 gegründet wurde, hatte nicht einmal eine Satzung. Die habe ich ihm verpasst, habe ihn auch ins Vereinsregister eintragen lassen. Als ich anfing, ist die alte Frau Urban als Kassiererin noch monatlich von Haus zu Haus gegangen und hat die 50 Pfennig Beitrag persönlich eingesammelt. Das habe ich alles modernisiert, ich habe auch ein Jahresprogramm eingeführt, zuvor gab es eher spontan einzelne Veranstaltungen im Gasthaus Glaß (heute Osteria Fratelli), damals das Vereinslokal.

 

Da hat sich ja einiges verändert in einem Verein, der ja vor allem für das Konservieren von Vergangenem steht . . .

. . . Altes bewahren und aufgeschlossen für Neues, lautet da mein Motto. Und die Vortragsreihen, der regelmäßige Gesprächskreis "So war es früher", die Studienfahrten und die Volksmusikabende kamen offenbar gut an, die Mitgliederzahl ist seit meinem Amtsantritt von 238 auf 756 angewachsen. Das ist auch im Vergleich zu anderen Städten eine glänzende Zahl – im Frankenbund sind nur die Vereine in Würzburg und Schweinfurt größer.

 

Was würden Sie als Ihre größten Erfolge bezeichnen?

Obwohl wir nur 20 Euro Jahresbeitrag verlangen, haben wir die Sanierung des Ölbergs an der Stadtpfarrkirche St. Magdalena finanziert, und den Heiligen Sebastian an der Marienkapelle haben wir eigenhändig restaurieren lassen, auch wenn mir das einigen Ärger eingebracht hat. Die Denkmalschutzbehörde war der Meinung, wir hätten die bürokratisch vorgegebenen Wege nicht eingehalten (grinst verschmitzt).

 

Wir sitzen jetzt im Steinweg 5 zusammen, dem ältesten erhaltenen Bürgerhaus der Stadt. Das zählt doch sicher auch zu den Erfolgsgeschichten, oder?

Das kann man so sagen. Dabei stand es schon kurz vor dem Abbruch. Im Stadtrat war dann Wolfgang Falk von der CSU die treibende Kraft, dass das Gebäude erhalten bleibt. Nach der Restaurierung durfte der Heimatverein das Kleinod nutzen. Wir halten dort unsere Gesprächskreise und andere Veranstaltungen ab, dort ist auch der Ausgangspunkt unserer Stadtführungen.

 

Wie beliebt ist denn Herzogenaurach bei Touristen?

Dank des Stadtmarketings hat sich da einiges getan. Ich war auch an der Ausbildung der Stadtführer beteiligt, es gibt durchaus ein reges Interesse an der Stadt, an den Weltfirmen natürlich, aber auch an den Innenhöfen. Und wir lassen uns immer etwas Neues einfallen.

 

Also ein Lob auch an die Stadt. Gibt es auch "Sünden", die der Heimatforscher nicht verzeiht?

Der Rathaus-Neubau ist ein Ärgernis, das sieht eigentlich unser gesamter Vorstand so. Ich hätte für eine Grünzone, einen kleinen Park am Schloss plädiert und das Rathaus im aktuellen Ausweichquartier belassen. Es ist schade, dass jetzt alle historischen Funde wieder zugeschüttet werden.

 

Sie sind also durchaus noch streitlustig. Warum haben Sie trotzdem aufgehört als Vorsitzender?

Ich denke, es war einfach Zeit für einen Jüngeren, der eigene Ideen einbringt. Aber ich bin ja noch im Vorstand, zuständig für die Gesprächskreise und den Steinweg 5. Auch als Stadtführer bin ich weiterhin zu sehen. Ich denke, ich habe den Verein in einem guten Zustand an Herbert Dummer übergeben. Und ich habe mir fest vorgenommen, mich nicht in die Entscheidungen des neuen Vorstands einzumischen.

 

Was machen Sie denn mit der vielen neuen Freizeit?

Zum einen will ich weiterschreiben. Zu den zehn Ausgaben des Stadtschreibers, mehreren Heimatbüchern und dem Stadtführer sollen schon noch einige Publikationen hinzukommen. Und zum anderen gebe ich zu, dass viele meiner Lieblingsorte mit Wirtshäusern zusammenhängen, beispielsweise dem Heller, und ich freue mich, wenn das Café Römmelt wieder aufmacht.

 

Zur Person:

Vor gut 76 Jahren wurde Klaus-Peter Gäbelein im Spreewald geboren, kehrte aber bald zurück zu den fränkischen Wurzeln seiner Familie väterlicherseits. Als Konrektor der Realschule kam er 1975 nach Herzogenaurach, 1981 übernahm der Lehrer mit den Fächern Deutsch und Geschichte den Vorsitz des Heimatvereins, den er nun "gut geordnet", wie er sagt, in jüngere Hände übergab.

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