Forstliche Gutachten: Wie geht es dem Wald-Nachwuchs?

17.3.2021, 17:49 Uhr
Forstliche Gutachten: Wie geht es dem Wald-Nachwuchs?

© Foto: Jeanette Seitz

Es sieht nur aus wie ein kleiner, trockener Stecken. Doch was da aus der Erde ragt, ist eine junge Eiche. Förster Stefan Stirnweiß begutachtet das Mini-Bäumchen und diktiert seiner Kollegin Franziska Maier in den Laptop: "Eiche, Stufe 1 (20 bis 49 cm), gesund." Dann geht er weiter zum nächsten Mini-Bäumchen, diesmal eine Kiefer.

Alle drei Jahre

Was hier in der Mönau in Alterlangen geschieht, ist eine Außenaufnahme für das "Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung". Alle drei Jahre erfassen die staatlichen Försterinnen und Förster des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) von Februar bis April in ihrem Amtsgebiet die Verbiss-Spuren von Rehen. Forstrat Stefan Stirnweiß und Forstoberinspektorin Franziska Maier vom AELF Fürth sind dabei mit ihren Kolleginnen und Kollegen für die Landkreise Fürth und Erlangen-Höchstadt sowie für die Städte Nürnberg, Fürth und Erlangen zuständig. Auch externe Forstsachverständige kommen für die Erfassung zum Einsatz.

Danach richten sich auch die Abschusspläne

Im Fokus steht die Frage: Wie steht es um den Nachwuchs des Waldes? Konkret also, wie stark der Einfluss des Wildes auf das Wachstum der künftigen Waldgeneration ist. "Danach richten sich dann die Abschusspläne", erklärt Stefan Stirnweiß. Wenn die jungen Bäume also zu sehr unter Rehverbiss leiden, muss das Wild ausgedünnt werden, um den Wald-Nachwuchs zu schützen.

Forstliche Gutachten: Wie geht es dem Wald-Nachwuchs?

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Denn: "Werden zu viele der jungen Bäume verbissen, sind eine natürliche Entwicklung der Verjüngung und das Heranwachsen zu einem stabilen Mischwald nur eingeschränkt oder nicht mehr möglich. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist jedoch eine gesunde Entwicklung unserer Wälder und die Walderhaltung von existenzieller Bedeutung." Und dabei müssten Waldbesitzer und Jäger an einem Strang ziehen, betont Stirnweiß. Er als Forstexperte liefere nur die Daten, "die aufzeigen, ob der Wildverbiss für die Entwicklung der Wälder tragbar ist oder nicht". Deshalb ist an diesem Vormittag auch Gotthardt Haberzettl, Jäger im Revier Alterlangen, mit von der Partie; der Vorsitzende der Hegegemeinschaft Erlangen ist leider verhindert.

Höchstmögliche Objektivität

"Es ist erwünscht, dass Vertreter der Grundbesitzer und der Jägerschaft dabei seien, weil wir die höchstmögliche Objektivität anstreben", so Stirnweiß. Denn natürlich wolle man gerecht sein und es schwinge bei jeder Entscheidung der Anspruch des Eigentümers auf eine gesunde Waldentwicklung mit. Dennoch sind die Ergebnisse des Forstlichen Gutachtens und die darauf fußenden Abschusspläne für die Jägerschaft bindend.

Deshalb schadet ein zweiter oder dritter Blick nicht, wenn es darum geht zu beurteilen, ob es sich um Rehverbiss oder andere Schäden handelt. Kritisch beäugt auch Haberzettl den Stamm einer etwas größeren Eiche, an dem die Rinde zum Teil abgeschabt ist. "Ein Fegeschaden", erkennt sein geschultes Auge. Diese Schäden entstehen, wenn junge Rehböcke ihr Geweih an den Bäumen reiben. Auch so ein Schaden wird in der speziellen Software zur Erfassung der Daten für das Forstliche Gutachten vermerkt. Um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, wird ganz Bayern einheitlich in Gitternetzpunkte unterteilt.

Gitternetzpunkte am Waldboden

Forstliche Gutachten: Wie geht es dem Wald-Nachwuchs?

© Foto: Jeanette Seitz

Ausgehend von diesen Gitternetzpunkten wird dann die nächstgelegene geeignete Verjüngungsfläche gesucht, also eine Fläche, auf der rund 1500 junge Bäume in der erforderlichen Wuchshöhe (20 bis 130 cm) pro Hektar stehen. Hat man eine solche Fläche gefunden, werden fünf Stäbe in einer Flucht im Abstand von je zehn Metern in den Boden gesteckt. Rund um jeden "Fluchtstab" werden dann in konzentrischen Kreisen die 15 diesem Stab am nächsten stehenden Bäumchen gesucht.

Diagnose: Leittriebverbiss

Stefan Stirnweiß markiert diese Bäumchen zunächst mit Wäscheklammern, damit keines doppelt erfasst wird. Dann deutet er auf eine Mini-Eiche. Mit einer Lupe betrachtet er die oberste Knospe – Leittrieb genannt – und diagnostiziert einen Leittriebverbiss durch Rehe. Hat sich ein Hase daran zu schaffen gemacht, erkennt der Förster auch das, dies wird allerdings nicht aufgenommen, denn "nur Rehwild wird nach einem Abschussplan bejagt".

Die zweite Form des Verbisses, die Stirnweiß an einer Mini-Kiefer entdeckt, ist der "Verbiss im oberen Drittel". Nachdem alle 15 Bäumchen aufgenommen sind, werfen Stirnweiß und Maier noch einen Blick auf die kleineren und die größeren jungen Bäume und schauen, wie viele von jeder Sorte auf dem gerade erfassten Radius stehen.

Wald und Wild im Einklang?

Insgesamt 30 bis 40 solcher Punkte müssen pro Hegegemeinschaft erfasst werden. "So sind die Daten dann statistisch abgesichert und lassen wenig willkürlichen Spielraum", sagt Stirnweiß. Soll heißen: Das Forstliche Gutachten zeigt objektiv auf, wo Wald und Wild im Einklang stehen und wo noch die Notwendigkeit zum jagdlichen Handeln besteht. "Das Gutachten ist neben dem körperlichen Zustand des Wildes das entscheidende Kriterium für die Abschussquote", erklärt Stirnweiß. Und mit dem Gutachten könnten eben revierweise Aussagen getroffen werden.

In dem gerade erfassten Radius haben von den 15 Bäumchen drei einen Verbiss-Schaden, ein Bäumchen einen Fegeschaden. Und was kann man daraus ablesen? "Das passt", meint der Förster. "Zirka 20 Prozent Verbiss sind normal und tragbar. Denn das Reh gehört ja zum Wald dazu, es muss nur ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Pflanze und Pflanzenfresser vorhanden sein."

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