Bauausschuss

Herzogenaurach: Umbenennung der Pfitznerstraße in Schönthalstraße

18.6.2021, 08:00 Uhr
Die kleine Stichstraße im Schleifmühlgebiet im Süden von Herzogenaurach soll umbenannt werden. Der Ältenstenrat schlägt vor, dass aus der „Pfitznerstraße“ die „Schönthalstraße“ wird.

© Matthias Kronau, NN Die kleine Stichstraße im Schleifmühlgebiet im Süden von Herzogenaurach soll umbenannt werden. Der Ältenstenrat schlägt vor, dass aus der „Pfitznerstraße“ die „Schönthalstraße“ wird.

Bürger selbst hätten um die Befassung mit dem Namen Pfitznerstraße gebeten, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Über den Namensgeber und deutschen Komponisten Hans Erich Pfitzner ist bekannt, auch nach Kriegsende 1945 eine antisemitische Haltung vertreten zu haben.

Umbenennen, erläutern oder beibehalten: In vielen Städten und Gemeinden in Deutschland wird über den Umgang mit Straßennamen diskutiert, die aus heutiger Sicht nach geschichtlich zu hinterfragenden Personen benannt wurden. Inzwischen ist man bei der Namensgebung für Straßen deutlich sensibler geworden, die Biographie einer Persönlichkeit in seiner Ganzheit zu betrachten und nicht nur einzelne Verdienste. Viele Straßennamen würden heutzutage gar nicht mehr gewählt. Auch in Herzogenaurach ist das Thema präsent.

Ältestenrat diskutierte das Thema

Im April und Anfang Juni befasste sich der Ältestenrat der Stadt Herzogenaurach – bestehend aus allen Bürgermeistern, den Fraktionsvorsitzenden und dem dienstältesten Stadtratsmitglied – mit dem Umgang mit der Pfitznerstraße im sogenannten „Schleifmühlgebiet“ im Süden der Stadt.

Nach ausführlicher Beratung hat sich der Ältestenrat einstimmig entschieden und empfiehlt die Umbenennung der Pfitznerstraße. Diese leitet ihren Namen von dem historisch belasteten Komponisten und Dirigenten Hans Erich Pfitzner (1869 - 1949) ab und soll nun in Schönthalstraße nach der jüdischen Komponistin Ruth Schönthal umbenannt werden. „Straßen werden nach Menschen benannt, die in dieser Form besonders gewürdigt werden sollen. Die politischen Äußerungen von Hans Erich Pfitzner waren auch nach dem Kriegsende 1945 mit unmissverständlich antisemitischer Zielrichtung und machen ihn somit als Namensgeber für die Straße nicht mehr tragbar – unabhängig von seinen Leistungen als Komponist“, erläutert Bürgermeister German Hacker die Entscheidung des Ältestenrats.

Der Impuls für die Umbenennung kam aus der Bürgerschaft. Es wurde ein Antrag auf Prüfung des Sachverhalts mit der Bitte um mögliche Umbenennung der Straße an die Stadt gerichtet. Der Wechsel von Straßennamen kann für betroffene Anwohner zum Teil aufwändig sein. Dokumente wie Personalausweis, Zulassungsbescheinigung, Versicherungspolicen müssen geändert werden. Aber: "Die Stadt unterstützt betroffene Bürgerinnen und Bürger, Kosten in Folge der Umbenennung können bei der Stadt geltend gemacht werden", betont Hacker.

Positive Identifikation schaffen

Als Entscheidungsgrundlage für den Ältestenrat prüfte das Stadtarchiv die Biographie des Komponisten Pfitzner. Es wurden sowohl mehrere Vorschläge für eine Umbenennung erarbeitet als auch Ideen geprüft, wie eine Beibehaltung des Straßennamens mit Erläuterung durch eine entsprechende Zusatztafel aussehen könnte. „Die historisch fundierten Recherchen, Ausführungen und Vorschläge des Stadtarchivs waren eine sehr gute Vorlage für den Ältestenrat. Für eine Umbenennung haben wir uns entschieden, nicht um geschichtliche Fakten auszublenden, sondern um den Anwohnerinnen und Anwohnern eine angenehme Identifikation mit ihrer Straße bzw. deren Namen zu ermöglichen“, so German Hacker. Die Pfitznerstraße hat in den 1970ern Jahren bei der Entstehung des sogenannten „Komponistenviertels“, ihren Namen bekommen.

Da die Benennungen von Straßen innerhalb eines Viertels thematisch einheitlich nach dem Grundsatz der Raumgliederung sein sollen, musste der/die neue Namensgeber/in ebenfalls ein Komponist oder eine Komponistin sein. In diesem Bereich wurden Straßen vor allem nach Männern benannt. Es war nur folgerichtig und „im Jahr 2021 an der Zeit“, dass die Wahl auf eine Frau bzw. eine Komponistin fällt, so das Ergebnis einer Vorberatung im Gremium.

Für Ruth Schönthal hat sich der Ältestenrat entschieden, da sie mir ihrer jüdischen Herkunft einen deutlichen Kontrapunkt zur Vergangenheit Pfitzners darstellt.

Biographische Daten

Ruth Schönthal wurde am 27. Juni 1924 in Hamburg geboren, sie starb am 11. Juli 2006 in Scarsdale, USA.

Ruth Schönthals Eltern waren aus Wien und sie behielt von ihrer Geburt bis an ihr Lebensende ihre österreichische Staatsbürgerschaft, selbst nach Annahme der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft. Sie war ein "musikalisches Wunderkind" und trat dem Stern`schen Konservatorium in Berlin schon im Alter von sechs Jahren bei. 1935 wurde sie gemeinsam mit allen anderen jüdischen Studenten des Konservatoriums verwiesen. 1938 emigrierte die Familie zunächst nach Stockholm, wo sie ihr erstes Werk - eine Sonatine für Klavier - veröffentlichte, bevor sie 1941 über die Sowjetunion nach Mexiko emigrierten. Dort setzte sie ihr Studium bei Manuel Ponce fort und machte sich bald als Pianistin und Komponistin einen Namen.

Ein Treffen mit Paul Hindemith (deutscher Komponist der Moderne und Gastprofessor in Yale) in Mexiko führte von 1946 bis 1948 zu einem Studium an der Yale University. Nach ihrem Abschluss bei Hindemith reduzierte sie ihre Tätigkeit als Pianistin und widmete sich dem Komponieren. Sie nahm schließlich eine Stelle am Westchester Conservatory of Music an und war von 1979 bis 2004 an der Fakultät der State University of New York tätig. Sie kehrte erst 1980 nach Deutschland zurück, zog aber nie eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland oder Österreich in Erwägung. Ein Jahr vor ihrem Tod wurde sie mit einem Konzert im Jüdischen Museum in Wien geehrt. Ihre Arbeit ist vielseitig, facettenreich und deckt alle Genres ab. Ihr Oeuvre beinhaltet über 100 einzelne Kompositionen, darunter Opern und Ballette. In ihren letzten Jahren übergab sie ihren musikalischen Nachlass an die Akademie der Künste in Berlin.

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