Kultur trotz Corona: Fulminanter Auftakt des "herzoSommers"

3.8.2020, 06:54 Uhr
Kultur trotz Corona: Fulminanter Auftakt des

© Foto: Filiz Mailhammer

Die Glocken der Stadtpfarrkirche St. Magdalena legten sich mächtig ins Zeug, um den Kabarettisten Matthias Egersdörfer auf dem Kirchenplatz angemessen zu begrüßen. Sechs Minuten dauerte das Geläut – und Egersdörfer hatte damit schon den ersten Grund sich aufzuregen. Mit ihm startete die Veranstaltungsreihe "herzoSOMMER" in der Innenstadt.

Vermeintlich verzweifelt suchte Matthias Egersdörfer den richtigen Einstieg zu seinem Programm "Ein Ding der Unmöglichkeit" und war nicht zufrieden mit sich. "Das kommt alles von dem Gebimmel", schimpfte er und kam seinem Klischee, der absolut schlechtest gelaunte Kabarettist überhaupt zu sein, sehr nahe.

"Lustig bin ich nicht", gestand er gleich zu Beginn. "Sportlehrer in einem Frauengefängnis" – das wäre sein Traumberuf gewesen; aber leider sei er total unsportlich. Außerdem konnte er am Abend zuvor wieder einmal nicht einschlafen, obwohl er da einige Tricks und Tipps auf Lager hat. Aber diesmal halfen weder das Zählen von Schafen noch die Mord- oder Selbstmordfantasien – die er in gruseligen Details schilderte und die angeblich seine Einschlafprobleme lösen. Wenn alles nichts helfe, dann fahre er nachts auf der A 3 bis Wertheim, und das Radio vermittele ihm dabei fundamentale Erkenntnisse.

Chipskrümel im Bett

Etwa: "Wussten Sie, dass unsere Kühe schon vor 17 Jahren ausgestorben sind, weil sie an einer Grasintoleranz erkrankten und dass unsere Milch im Supermarkt von Ratten stammt?" Selbst die Chipskrümel im Bett könnten ein Horrorszenario auslösen. "Sie reiben im Ärmel des Pyjamas die Haut auf, diese entzündet sich und fürchterliche Eiterexzesse entstehen." In derart grauenvollen Szenarien schwelgte Egersdörfer geradezu – nichts für zarte Gemüter.

Kultur trotz Corona: Fulminanter Auftakt des

© Foto: Margot Jansen

Alle Untiefen des menschlichen Daseins wurden von ihm ausgelotet. So fand er denn auch, dass etliche Besucher wohl bei der falschen Veranstaltung wären. "Die Dame in der roten Hose" hätte wohl besser auf den Grünen Hügel in Bayreuth gepasst. Für sie hatte er immerhin "Elektra" – "das Schlimmste, was Richard Strauss je komponiert hat" – im Programm. Aber da gibt es auch den positiven Genussmenschen Egersdörfer, der von seiner Mutter schon zu seinem ersten Geburtstag einen sauren Zipfel serviert bekam. An seinem 47. Geburtstag hat er 47 saure Zipfel "gefressen" und anschließend drei Tage lang geschlafen. "Es waren die letzten sauren Zipfel meiner Mutter, denn sie ist gestorben und hat ihr Rezept mit ins Grab genommen." Jetzt müsse es deshalb ein "Knöchle" sein – das Fleisch so groß wie ein Findling – und dazu acht Bier aus einer kleinen Brauerei.

"Das Arschgewaaf kann ich zu Hause nicht mehr erzählen", gestand er. Aber "Herzogenaurach in Schutt und Asche quasseln" – dieses Ziel hat er erreicht. Den Herzogenaurachern hat das "Arschgewaaf" gefallen, sie applaudierten kräftig, und etliche Zuschauer nahmen ein Buch, eine DVD oder eine CD mit von Egersdörfer "selbst gemalten Pimmeln" mit nach Hause.

"Classic meets Jazz"

Am nächsten Abend ging der "herzoSommer" mit einem völlig anderen Programm in die zweite Runde: das Coşkun Wuppinger Duo gab sich die Ehre unter dem Motto "Classic meets Jazz".

Zwar können die Deutschen ihr beliebtes Urlaubsland Türkei wegen der geltenden Reisewarnung heuer nicht wie gewohnt bereisen. Dafür ließ ein ungewöhnliches Gitarrenduo einen Hauch Orient auf dem Kirchenplatz in Herzogenaurach wehen.

Ganz kurzfristig war das Konzert des Gitarrenduos Coşkun Wuppinger eine Woche vor dem Veranstaltungstag angesetzt worden. Und Fans, die das Duo von vorherigen Aufführungen kannten, ließen sich nicht lange bitten, weshalb die 125 Plätze im Nu ausverkauft waren.

Melange von Musikrichtungen

Der Kulturstipendiat und Künstler der Metropolregion, Frank Wuppinger, ist bekannt für eine Melange unterschiedlichster europäischer Musikrichtungen. Er setzt diese in Verbindung zur modernen, improvisierten Musik. Zusammen mit Ozan Coşkun, ein gebürtiger Franke mit türkischen Wurzeln, verband Wuppinger mit seiner Jazz-Gitarre Einflüsse aus Jazz, Klassik und orientalischer Musik.

Coşkun spielt klassische Gitarre und ist Meisterschüler der Münchner Hochschule für Musik. Schon als Kind begeisterte er sich für türkische Folklore. Das Duo spielte Sultan Abdulaziz Eigenkomposition "Hicaz Mandıra".

"Der Liebhaber der schönen Künste, Sultan Abdulaziz, borgte Richard Wagner Geld für den Bau des Festspielhauses in Bayreuth. Da sind auch türkische Gelder in die deutsche Kultur geflossen", wusste Wuppinger zu erzählen. Inspiriert von einem Verbrechen ließen die zwei Künstler mit Coşkuns Eigenkomposition "Hilekar" (deutsch: Halunke) die gegensätzlichen Klänge miteinander verschmelzen.

Und so lauschten die Zuschauer dem mit dezenten orientalischen Klängen untermalten und in Flamencomanier gespielten Jazz Standard "Take Five" vom Dave-Brubeck-Quartett oder ließen sich von "Black Orpheus" mitreißen.

"Da will man einen Bossa Nova spielen und heraus kommt ein Samba", spaßte Wuppinger. Eine Premiere gab er mit seiner Eigenkomposition "Heimgarten". Abwechslungsreich und überraschend ließ sich das Publikum mit handgemachter Gitarrenmusik 90 Minuten lang in Sommerlaune versetzen.

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