Weihnachten literarisch: Was lesen die Herzogenauracher?

24.12.2019, 06:58 Uhr
Weihnachten literarisch: Was lesen die Herzogenauracher?

© Foto: Eduard Weigert

Gabriele Lechner, Leiterin der Stadtbücherei, zurzeit im Interims-Rathaus, ist Buchexpertin – auch für Weihnachtsliteratur; ebenso wie Stefanie Greber, Buchhändlerin bei "Bücher, Medien und mehr".

"Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt werde . . ." So beginnt die biblische Weihnachtsgeschichte.

Ob sie noch zum Heiligabend vorgelesen wird, ist wohl unterschiedlich in den Familien. Dass sich auch die Literatur für Kinder wandelt, lässt sich nachweisen.

Wer sind Rotkäppchen, Hänsel und Gretel oder die Bremer Stadtmusikanten? Die Zeiten, als jedes Kind diese Figuren kannte, sind vorüber, stellt Gabriele Lechner fest. Grimms Märchenbuch ist nicht mehr in jedem Haushalt der Klassiker.

Weihnachten literarisch: Was lesen die Herzogenauracher?

© Foto: Anja Hinterberger

Hingegen gibt es "junge Klassiker", die sich seit Jahrzehnten halten – die Autorinnen Christine Nöstlinger und Kirsten Boie etwa oder auch Figuren, die ins kollektive Kinder-Gedächtnis eingewandert sind: die Eisprinzessin, der Drache Kokosnuss, der Rabe Socke, Lars Eisbär, Pettersson und Findus.

Weihnachten beginnt in der Stadtbücherei beinahe gleich nach den Sommerferien. 771 einschlägige Titel befinden sich im Katalog, davon 332 E-Medien. Das Spektrum ist breit: Weihnachts- und Wintergeschichten, "unterhaltsame Frauenschmöker", wie sie Gabriele Lechner nennt, auch Spiele, Filme, CDs zum Thema werden ausgeliehen. Hingegen werden generell weniger Sachbücher nachgefragt, Rechtsratgeber sind von Internetseiten abgelöst worden, Kochbücher von Apps. "Reiseführer und Nähen läuft noch gut", fasst die Bibliothekarin zusammen.

Lesen ist weiblich

Lesen ist weiblich – vielfach. Mit der 7. Klasse – passionierte Vielleser ausgenommen – wird Lesen bei Jungs uncool. Noch spärlicher in der öffentlichen Bücherei zu sehen seien die 15- bis 20-Jährigen mittlerweile. Als vor dem Umzug ins Interims-Rathaus die Bibliothek auf dem Weg zur Musikschule lag, herrschte in dieser Altersgruppe noch mehr Frequenz, stellt Gabriele Lechner fest.

Weihnachten literarisch: Was lesen die Herzogenauracher?

© Foto: Anja Hinterberger

"Ihr wisst, was ein Eichhörnchen ist, aber wisst ihr auch, was ein Streithörnchen ist . . .?" Doris Dittrich, Erzieherin im Kinderhaus Don Bosco, ist eine der engagierten Vorleserinnen, die in der Stadtbücherei allwöchentlich spontan interessierte Eltern-Kind-Kreise um sich scharen.

"Tiere im Winterschlaf, Abschied vom Herbst, Singen um den Adventskranz . . ." – im Kinderhaus werden die Jahreszeiten und ihre Hintergründe an die Kinder herangetragen. Wie sehr dies vertieft wird, meint die Erzieherin, das hänge vom Elternhaus ab.

Frauen kaufen, leihen, verschenken Bücher mit Leidenschaft und "Krimis gehen immer", weiß Buchhändlerin Stefanie Greber. Das Erstaunliche: "Je grausamer und blutiger, desto besser." Mit Länderkolorit, um die Urlaubsvorlieben Britannien, Toscana, Portugal zu bedienen, eingesponnen in Familiensagas, sind die Komponenten für Bestseller geschaffen. Doch auch Anspruchsvolles und Biografien werden zu Weihnachten 2019 gern gekauft.

Wie schon voriges Jahr ist auch heuer Michelle Obamas "Becoming" noch immer ein Verkaufsschlager, genauso wie Edward Snowdens "Permanent Record", aber auch Thomas Gottschalks Lebensbeichte. Ebenso ein Longseller ist Andrea Wulffs Werk "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur".

Diejenigen Jugendlichen, die sich Bücher kaufen, "sind oft nicht zimperlich", beschreibt Stefanie Greber. Sie konfrontieren sich mit Büchern wie "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" von John Green, in dem es um eine 16-Jährige geht, die an Krebs erkrankt ist. Je näher Weihnachten rückt, desto stärker steigt der Online-Anteil, eine weitere Tendenz. Und in der letzten Vor-Weihnachtswoche werden Gutscheine zum Königsweg.

"Ein Buch geht immer", weiß die Buchhändlerin. Am 24. Dezember bis 13 Uhr steht ihre gesamte Belegschaft an der Kasse und tippt ein und verpackt. Fast jedes Buch soll mittlerweile in Geschenkpapier eingewickelt werden. An der Folienverschweißung hingegen stören sich inzwischen viele Kunden, sodass sich Verlage nun auch auf Buchbanderolen aus Papier beschränken.

Buchhändlerin Stefanie Greber jedenfalls beschenkt die komplette Verwandtschaft mit Büchern, "ob sie wollen oder nicht", sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Und für sich selbst hat sie dieses Weihnachtsritual entwickelt: In der Nacht vor Heiligabend wird verpackt, und am Weihnachtsabend wird gelesen. Dieses Mal die "Wintervanille" von Manuela Inusa. Bibliotheks-Leiterin Gabriele Lechner beobachtet dies bei ihren Kunden: "Kinder sind schlau und wissen: Nach Weihnachten ist vor Weihnachten." Über das nächste Buch werde beizeiten nachgedacht. Und über das nächste Weihnachtsfest sowieso.

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