Mode für Menschen mit Down-Syndrom: Damit's endlich passt

17.9.2020, 06:05 Uhr
Mode für Menschen mit Down-Syndrom: Damit's endlich passt

© Saskia Badura

Anja Meier ist 28 Jahre alt, wohnt in Altenheideck und will ebenso schicke Kleidung tragen wie ihre drei Geschwister. Die decken sich seit kurzem bei "hicup." mit junger Mode ein: Sweat-Shirts, Jacken und Hoodies in aktuellem Design.

"hicup." heißt das eigene Mode-Label, das die Heidecker Schneiderin und Designerin Andrea Schuster vor zwei Jahren anlässlich ihrer Abschlussarbeit an der Modeschule ins Leben gerufen hat. Deren Kreationen bieten für Anja Meier allerdings meist keine richtige Passform: Sie sind häufig zu groß, die Ärmel sind zu lang oder die unterschiedlichen Körperpartien passen nicht zur Gesamtanlage des Kleidungsstücks. Denn Anja Maier ist eine junge Frau mit Down-Syndrom.

Kleidung als Inklusionsfrage

Für Schuster ist das allerdings kein Hindernis. Schließlich sollen alle ihre Kreationen tragen können. Deshalb passt sie die Kleidungsstücke auf Meier an. Dafür hat sie eigene Standards und Methoden entwickelt: "Durch Falten und Nähte oder kleine Veränderungen lässt sich da viel machen", sagt die 26-jährige mit eigenem Unternehmen auf dem elterlichen Hof in Heideck.

Sie verfügt dort über einen Arbeitsraum mit vier Nähmaschinen und einen Kreativbereich. Dort wird bei Anja Meier nun oft Maß genommen. Denn auch Kleidung kann eine Frage der Inklusion sein: Die große Modeindustrie berücksichtigt Menschen mit Behinderung nämlich kaum. Erwachsene mit Down-Syndrom haben meist eine besondere Körperform. Das macht sich bei konfektionierter, regulärer Kleidung "von der Stange" besonders bemerkbar.

An dieser Stelle kommt Andrea Schuster ins Spiel, die sagt: "Auch Menschen mit einer körperlichen Einschränkung sollen Kleidung tragen können, die ihnen gefällt und steht." Nach einer Umfrage unter 75 Eltern und Betreuern von Menschen mit Down-Syndrom in Berlin nehmen davon 90 Prozent beim herkömmlichen Bekleidungsangebot gewisse Schwierigkeiten mit dem Passform wahr. Die sind am größten bei langen Hosen, Pullovern, Jacken und Mänteln.

Alte Stoffe sorgen für Charme

Das Öffnen und Schließen von Verschlüssen ist für viele Menschen mit Down-Syndrom ebenfalls eine Herausforderung. Das gaben jedenfalls über 80 Prozent der befragten Eltern und Betreuer an. Menschen mit Down-Syndrom haben das in Interviews bestätigt. Knöpfe bereiten die größten Probleme.

Andrea Schuster ist in Sachen Mode eine echte Expertin. Nach dem M-Zweig der Hauptschule in Hilpoltstein absolvierte sie eine Lehre als Schneiderin und bildete sich zur Bekleidungstechnikerin weiter. Unmittelbar im Anschluss hat sie an der Modeschule in Mannheim drei Jahre lang Modedesign studiert. "Ich wollte alles wissen, was Kleidung betrifft", begründet Schuster ihren Weg zum kreativen Gipfel der Modebranche.

Diese umfassende Ausbildung soll nun nicht nur Anja Maier zu gute kommen. "Meine Erfahrung auf diesem Gebiet könnte ich auch anderen Menschen mit Behinderung zur Verfügung stellen", sagt Schuster. Sie will attraktive Kleidung anbieten, die aktuellen Trends entspricht und dazu beitragen kann, sowohl Selbstbestimmung als auch Selbstbewusstsein zu verbessern. Auch die Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft soll gestärkt werden.


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Andere Anforderungen

Der Name von Andrea Schusters Modelabel ist auf eine kleine Besonderheit ihres eigenen Körpers zurückzuführen. Aufgrund einer flachen Atmung bekommt sie an vielen Tagen mehrmals Schluckauf, englisch hicup. Neben ihrem Engagement für Menschen mit Handicap sucht Schuster auch den ökologischen Ausgleich. In ihrem Onlineshop setzt sie auf Produkte aus fair gehandelter Biobaumwolle und sie verarbeitet auch Stoffe, die anderswo aufgrund ihres Alters in den Müll wandern würden. So verleiht sie einigen ihrer Stücke einen originellen Vintage-Charme.

Anja Meier hat sich Zeit ihres Lebens von der Mode ausgeschlossen gefühlt. "Beim Einkaufen musste ich ihr oft sagen: Das können wir nicht nehmen, weil es nicht passt", erinnert sich Anjas Mutter Manuela Meier. "Oft mussten wir gekaufte Kleidung vom Schneider ändern lassen", erklärt die Mutter.


Mit Behinderung in die Mitte der Gesellschaft


Menschen mit Down-Syndrom sind häufig kleiner als der Durchschnitt und haben meist kürzere Arme und Beine. Die Schultern sind schmaler, die Hüften aber oft breiter als im Konfektionsmittel. Daraus ergeben sich andere Anforderungen an die Bekleidung. "hicup." will diese erfüllen, damit nicht nur Anja Meier sich nicht ausgeschlossen fühlt.

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