"Hochwatergate": BR und Meteorologen in der Kritik

30.5.2016, 18:02 Uhr
Ein junger Mann geht mit seinem Hund in Braunsbach (Baden-Württemberg) über eine Gerölllawine. Die Schäden nach dem Unwetter sind immens.

© dpa Ein junger Mann geht mit seinem Hund in Braunsbach (Baden-Württemberg) über eine Gerölllawine. Die Schäden nach dem Unwetter sind immens.

Der Meteorologe Jörg Kachelmann beispielsweise wirft den süddeutschen ARD-Anstalten vor, zu wenig getan zu haben. "Es ist unglaublich. Wenn es Tote gibt, haben auch @DasErste @SWRdirekt und @BR_Presse diese auf dem Gewissen", twitterte er am späten Sonntagabend.

In einem Beitrag auf seiner Webseite spricht er in Anspielung an den US-Politskandal Watergate von einem "Hochwatergate", das sich in der Nacht zu Montag abgespielt habe.

Ein Sprecher der Programmdirektion des Ersten Deutschen Fernsehens sagte hingegen, bereits in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau sei vor dem Unwetter gewarnt worden – und zwar mit den Worten: "Direkt über uns dreht ein Tief seine Kreise und verursacht teilweise unwetterartige Gewitter und Regenfälle. Es gelten entsprechende Warnungen des Deutschen Wetterdienstes. In der Nacht sind weitere Schauer und Gewitter mit Unwetterrisiko unterwegs."

Die Schwierigkeit, eine genaue Prognose zu liefern, erläutert Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt (49) von der Firma Wetterkontor, die den Wetterbericht für die Nürnberger Nachrichten liefert: "Wir hatten es am Sonntagabend mit regional sehr eng begrenzten Wetterphänomenen zu tun." Allein an den beiden hiesigen Messstationen in Nürnberg-Netzstall und am Flughafen differierten die Niederschlagswerte um mehrere Liter.

Schmidt war am Sonntag in Nürnberg und hat die Wetterlage beobachtet: Am Morgen war es regnerisch, dann kam die Sonne heraus. Die Luft war durch die Verdunstung rasch mit Feuchtigkeit gesättigt, was der Mensch als schwül empfindet. Diese Luftmassen stiegen nach oben und nahmen viel Wasser mit - welches später andernorts als Regen wieder herunterkam.

Dass es an manchen Orten derart heftig regnete, ist laut Schmidt dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren geschuldet. Entscheidend war, dass in der Höhe kaum Luftbewegung gemessen wurde - "keine Seltenheit bei Ostwetterlagen", weiß der 49-Jährige. Normalerweise ziehen Gewitter bei uns von West nach Ost durch, "verbunden mit viel Regen und nicht selten Sturmböen", so Schmidt. Nicht so am Sonntag. Die Luft und damit die Gewitterzellen bewegten sich stellenweise außerordentlich langsam von Ost/Südost gen Westen und Norden und sorgten auf diese Weise für riesige Regenmengen über kleinem Gebiet - mit den bekannten Folgen.

Derartige Starkregen-Unwetter werden den Prognosen zufolge wegen des Klimawandels auch nicht prinzipiell häufiger auftreten, könnten im Einzelfall nach Erkenntnissen des DWD aber durchaus noch stärker werden. "In den nächsten Jahrzehnten sind nicht mehr, aber heftigere Schwergewitter zu erwarten", sagt Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

Der Grund liegt in grundlegenden physikalischen Zusammenhängen: Wie viel Wasserdampf und damit potenzieller Niederschlag in der Luftsäule gespeichert werden kann, hängt von der Temperatur ab. Je wärmer die Luft, desto mehr Wasser kann sie transportieren.

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