70 Jahre adidas: Die Frau mit der Schürze

25.6.2019, 14:00 Uhr
70 Jahre adidas: Die Frau mit der Schürze

© Foto: Volker Schneller

Die fast täglich erschienenen Kunden, Gäste oder Sportler mussten anspruchsvoll betreut werden, und dies zunächst auf engstem Raum, meist im großen Wohnzimmer der Familienvilla, die im Garten des Firmenanwesens errichtet wurde. Mitten drinnen die heute 92-jährige Veronika Bretting, damals als Haushälterin tätig.

Rasch war sie Sportgrößen, Großkunden wie auch den adidas-Mitarbeitern als "Vroni" geläufig, stets beliebt und respektiert. Typisch bis heute für sie: ihre Vitalität, das verschmitzte Lächeln und ihr "Markenzeichen" eine große Schürze.

Schon in ganz jungen Jahren lernte Bretting kräftig anzupacken, arbeitete in einer Niederndorfer Bäckerei, hat Kühe gemolken und beim Mähen geholfen. Waggons voll mit Briketts lud sie um in Säcke – bis eine Sehnenscheidenerkrankung das Aus bedeutete. Ein aus heutiger Sicht glücklicher Umstand, denn über die Dassler-Schwester Marie bekam sie jene Berufschance, die ihr ganzes Leben bestimmte: Am 1. März 1951 trat sie ihre Arbeit in und für die adidas- Familie an. "Anfangs war ich etwas unsicher, ob man mich Landpomeranze akzeptieren würde. Doch von Beginn an war der Umgang wohltuend leger und rasch ein wertvolles Vertrauensverhältnis hergestellt", so Vroni, auch wenn Dassler-Tochter Karin als Kind mal meinte "von der Neuen lasse ich mich nicht baden".

Die gegenseitige Zuneigung ging bald sogar so weit, dass zum Beispiel ein fest geplanter Hochzeitstermin von Tochter Inge extra ihretwegen verlegt wurde, weil "Vroni" zuvor ihren Urlaub in diesem Zeitraum geplant hatte, aber nicht fehlen sollte.

Chefin Käthe meinte gar, dass "Vroni die einzige ist, von der sich mein Mann etwas sagen lässt", und wer die immer konsequente Frau inmitten dieses Rundum-Stresses als immer ruhenden Pol erlebte, wusste wie das gemeint war. Bretting war ihr Leben lang viel Arbeit gewohnt, doch da sie uneingeschränkt von der ganzen Familie angenommen wurde, hat ihr dieses tägliche quasi Rundum-Engagement immer Freude gemacht. Letztlich begleitete sie nicht nur das Heranwachsen von allen fünf Kindern, sondern war auch bei den Enkeln als "gute Fee" beliebt.

Die Familie bevorzugte gutbürgerliche Kost und der "Chef" zudem täglich seinen Obstteller. Dieser Part war für Vroni also keine Herausforderung. Und die "Pomeranze" hatte sie rasch hinter sich gelassen, der persönliche Umgang mit Sepp Herberger, dem großen Torhüter Bert Trautmann, Uwe Seeler, Fritz Walter und unzähligen Größen des Weltsports ließ sie aufblühen. Noch heute erreichen sie Grüße aus aller Welt.

Letztlich aber war dieser Besucherandrang in der Villa doch nicht mehr zu bewältigen. So entstand der Plan für das 1972 eröffnete "adidas- Sporthotel". "Dies war natürlich eine große Entlastung sowohl für die Familie als auch für mich", sagt Bretting rückblickend. Dass sie aber nie vergessen wurde, belegen nicht nur unverändert gute Kontakte zu den Töchtern Inge und Sigrid, sondern auch Glückwünsche zu ihrem 90. Geburstag von Menschen aus allen fünf Kontinenten. Zu den tragischen Erinnerungen gehört für sie natürlich die rasche Todesfolge von Adolf und Käthe Dassler als auch nachfolgend den "viel zu früh verstorbenen" Sohn Horst. Auch Karin und zuletzt Brigitte mussten viel zu früh sterben. So blieb Vroni nur, die Villa instand zu halten, bis sie 1991 in Rente ging.

 

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