70 Jahre Puma: Wie aus einem Streit eine Weltfirma wurde

30.9.2018, 05:40 Uhr
70 Jahre Puma: Wie aus einem Streit eine Weltfirma wurde

© Foto: Puma

"Wenn der Chef das hier von oben sieht, dann trifft ihn der Schlag". Georg Hetzler, der letzte noch lebende Mitarbeiter, der im Dezember 1947 in der denkwürdigen Betriebsversammlung mit fünf weiteren Männern und sechs Frauen sich Rudolf Dassler anschloss, drückt es respektvoll aus. Helmut Fischer, wandelndes Firmengedächtnis, spricht von Rudolf Dassler als "den geizigsten Menschen, den ich kennengelernt habe".

Fischer kann dem einstigen Leiter der Zuschneiderei auf der Puma-Brücke über dem Hans-Ort-Ring mit Schuhen und Kleidungsstücken die Geschichte der Firma Puma eindrucksvoll präsentieren.

Und in der Jubiläumswoche hat er diese Ausstellung auch schon Tommie Smith gezeigt, dem Faust zeigenden Sprint-Olympiasieger von 1968, Boris Becker, dem ersten deutschen Wimbledon-Sieger von 1985 und einigen Sport-Legenden mehr, die mit der Raubkatzen-Marke Erfolge errangen und Geld verdienten.

Themenausstellungen soll es bei Puma künftig öfter geben – öffentlich zugänglich im künftigen Puma House auf der Südseite der jetzigen Plaza.

Bald kommt die Großbaustelle 

Dort haben die Mitarbeiter wohl zum letzten Mal mit so viel Platz gefeiert. In zwei bis drei Wochen soll mit dem Bau begonnen werden. Ausstellungsräume und eine neue Gastronomie für die Kunden des Outlets entstehen unter anderem; das Gebäude nimmt einen großen Teil der offenen "Plaza" weg.

Dafür aber gibt es Möglichkeiten, das gerade mit professioneller Hilfe entstehende Archiv, jeweils in Teilen, öffentlichkeitswirksam aus dem Keller zu holen. Dessen Schätze, allein etwa 7000 Schuhe, verdankt man im Wesentlichen Helmut Fischers Sammel- und Marken-Leidenschaft. Was derzeit intern auf der Puma Bridge gezeigt wird, ist sportgeschichtlich spektakulär genug, dass immer wieder heutige Mitarbeiter die Exponate mit dem Smartphone ablichten.

Rudolf Dassler-Souvenirs vom Aschenbecher über das Sturm-Feuerzeug in Form eines Fußballstiefels bis zum Puma-Taler und der alten Fabrik an der Würzburger Straße als Schneekugel markieren den Eingang. Dann wird in Dekaden die Markengeschichte erzählt. Aus der gemeinsamen Anfangszeit der Dassler-Brüder Rudolf und Adolf sind für heutige Augen klobige Fußballstiefel zu sehen. Kaum zu glauben, dass FCN-Linksaußen Baptist Reimann in solchen Ungetümen die 100 Meter in 11,0 Sekunden laufen konnte, wie Helmut Fischer erzählt.

Georg Hetzler ist der letzte noch lebende Mitarbeiter der Gründer-Generation.

Georg Hetzler ist der letzte noch lebende Mitarbeiter der Gründer-Generation. © F.: Puma-Archiv / Groh

Mysterium um das Wunder von Bern

Ferenc Puskãs aus Ungarns Wunder-Elf hat vor der Weltmeisterschaft 1954 Rudolf Dassler besucht, wie ein Ausstellungsfoto belegt. Er interessierte sich sehr für den 1952 entwickelten "Super Atom", den ersten Fußballschuh mit Schraubstollen. Die stalinistische Regierung Ungarns verbot dem Nationalteam freilich jedes West-Produkt. Spekulationen über das "Wunder von Bern" mit Schraubstollen an allen 22 Final–Füßen enthält sich Helmut Fischer. Ihm genügt es auf die Erfindung von Puma hinzuweisen. Genau wie auf die große Geschichte der Marke in der Leichtathletik. Vom Weltrekord-Schuh Heinz Fütterers bis zu den 9,58-Sekunden-Spikes von Usain Bolt.


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Der erste Computer-Schuh, ein Modell von 1986, entwickelt mit dem Erlanger Fraunhofer-Institut, wurde freilich nur 400 Mal verkauft. In den USA, denn seine Daten konnten auf den damaligen Heimcomputern nicht ausgelesen werden.

Der speziell für die neuen Tartanbahnen 1968 entwickelte Bürsten-Laufschuh mit 68 kurzen Nägeln wird gezeigt, den der internationale Leichtathletik-Verband nach vier Weltrekorden verbot, weil er angeblich den Kunststoff auf der Laufbahn schädigte. Dazu weitere Entwicklungen wie der vom Skischuhhersteller Weinmann übernommene Drehverschluss – und vor allem der erste – "und einzige" (Helmut Fischer) – Sport-Lifestyle-Schuh.

Wie Puma den eigenen Lifestyle erfand

Die Mode-Designerin Jil Sander bestellte ihn 1998. Oben der Fußballschuh "King" – den übrigens Lothar Matthäus trug – unten die Sohle des Laufschuhs "Easy Rider". Sander bestellte 400 Paar, erzählt Fischer, und kündigte an, das Paar für 400 Mark zu verkaufen. Als Sander wenig später 4000 Paar bestellte, wusste man bei Puma, dass sich ein neuer Markt aufgetan hatte. Gefertigt wurde dieser Schuh noch in Herzogenaurach an der Bamberger Straße – als einer der letzten.


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Weitere Meilensteine der Firmengeschichte, wie sie die Ausstellung markiert: Der genau 50 Jahre alte erste flache Basketballschuh der Welt und Pumas neue Modelle zum Wiedereinstieg in die NBA, Boris Beckers Original-Wimbledonschuhe und das Racket mit verstellbarer Grifflänge, das Puma kurzzeitig zum Weltmarktführer bei Tennisschlägern machte. Außerdem das Fußball-Trikot von Johan Gruyff aus dem WM-Finale 1974 mit zwei Streifen. Nicht zuletzt das einteilige Fußballdress Kameruns, dessen nachträgliches Verbot zur ersten Klage eines Sportartikel-Herstellers (Puma) gegen die Fifa führte. Natürlich auch Trikot und Schuh von Lothar Matthäus aus seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach und weitere Puma-Fußball-Ikonen von Pelé über Maradona, Materazzi bis Antoine Griezmann und Romelu Lukaku.

Dazu ein Schuh-Andenken an den Formel-eins-Helden Michael Schumacher. Der kleinste Schatz: Die Kontaktlinsen, Kaufpreis 7 Dollar, die Linford Christie auf einem der besten Werbefotos überhaupt die Raubkatze in die Augen zauberten. Der Guerilla-Marketing-Trick war, versichert Fischer, die Idee des zweifachen Sprint-Olympiasiegers 1996 selbst.

Mehrere Daten markieren Rudolf Dasslers Gründung. Auch Wikipedia würfelte die Daten bereits durcheinander. Am 23. Januar 1948 meldete er das Sportschuh-Fabrikationsgewerbe an, am 1. Juni nahm die Fabrik die Produktion auf, freilich unter dem Markennamen "RuDa". Puma heißt das Unternehmen seit dem 1. Oktober 1948, als die Marke ins Handelsregister eingetragen wurde.

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