Der Kinobesuch gehörte zum Sonntagsvergnügen

19.1.2018, 18:21 Uhr
Curd Jürgens als Clown in "Manege frei": Ein Enkel des Gründers hat alte Szenenfotos gesichert, mit denen das Höchstadter Kohler-Kino für sein Programm warb.

© Foto: Edgar Pfrogner Curd Jürgens als Clown in "Manege frei": Ein Enkel des Gründers hat alte Szenenfotos gesichert, mit denen das Höchstadter Kohler-Kino für sein Programm warb.

"Der Tiger von Eschnapur" hat gleich zur Premiere Schaden angerichtet. Die Höchstadter drängten sich derart an der Kassenkabine der brandneuen Schauburg Lichtspiele, dass sie die Trennscheibe eindrückten.

Hildegard Schmidt erinnert sich mit Schmunzeln an die erfolgreiche Zeit des Höchstadter Kinos. Sie und ihre Schwester Helene sind die beiden Töchter des Gründer-Ehepaars Hans und Maria Kohler und haben die Kino begeisterten 50er Jahre erlebt — als die Mutter an der Kasse saß, Schöller-Eiscreme verkaufte und Schokoriegel — und der Vater im Zuschauerraum am Regler saß, um die Lautstärke des Film-Tons für die bis zu 400 Ohrenpaare gut anzupassen.

Popcorn und Sexfilme gab es nicht. Letztere den Höchstadtern zu zeigen, lehnte Mutter Maria Kohler strikt ab, und dies mag einer der Gründe sein, warum die Schauburg Lichtspiele schon Ende der 60er Jahre nicht mehr überleben konnten.

Der Kinobesuch gehörte zum Sonntagsvergnügen

Ins Leben gerufen hatte sie ein Kriegsheimkehrer mit Geschäftssinn. Hans Kohler kam 1949 zurück in seine Heimatstadt und spürte förmlich die Sehnsucht der Leute nach Filmen, nach etwas Ablenkung vom nicht sehr rosigen Alltag.

Und er fand ein Grundstück in Bestlage mitten in der Stadt. An der Kapuzinerstraße bauten Kohlers ihr Lichtspielhaus. 400 Plätze hatte der Neubau, natürlich eine technische Ausstattung auf dem neuesten Stand.

Der Kinobesuch gehörte zum Sonntagsvergnügen

© Foto: Edgar Pfrogner

Schon der Andrang bei der Premiere mit dem Abenteuerfilm gab Kohler Recht. Es folgte die Fortsetzung "Das indische Grabmal", Heimatfilme, wie "Schwarzwaldmädel", und Western — und bald hatte sich das Höchstadter Kino an der Kapuzinerstraße eingebürgert. Vor allem am Sonntag, erzählen die Töchter der Gründer, gehörte der Spaziergang mit anschließendem Kinobesuch fest zum Freizeitprogramm vieler Familien in der Kreisstadt. Drei Vorstellungen gab es jeden Sonntag, mittags, nachmittags und abends. Am Samstag wurde abends gespielt — und in der besonders beim jüngeren Publikum beliebten "Nachtvorstellung" ab 22 Uhr. Da kamen dann die spannenderen Streifen auf die Leinwand — Thriller und "Cowboyfilme", wie der Franke das Western-Genre nennt.

Die Karl-May-Verfilmungen mit Pierre Brice und Lex Barker, erinnern sich die Schwestern, waren mit die erfolgreichsten Familien-Filme im Kino der Kohlers während der 60er Jahre. Riesen-Andrang habe es dafür gegeben.

Die 400 Plätze hatten drei Kategorien: den Sperrsitz, für dessen Komfort man schon 2 Mark bezahlen musste, die zweite Klasse und die billigsten "Rasiersitze" vorn.

Die Schauburg Lichtspiele dienten aber nicht nur den Filmfans. Das Gebäude wurde auch für andere Kulturveranstaltung genutzt und auch Festakte fanden in dem geräumigen Saal statt.

Im Filmgeschäft arbeiteten Kohlers mit allen Verleihern zusammen, von der "Constantin" bis zur "Bavaria". Deren Vertreter besuchten regelmäßig die Eltern, erinnern sich die beiden Töchter, und verkauften ihnen Filmstaffeln, also keine einzelnen Filme auf Wunsch. Wenn die Lichtspiele also einen der angesagten Streifen zeigen wollten, mussten sie auch die Zweite Wahl mit ausleihen.

Die Rollen kamen mit der Bahn per Express nach Höchstadt Hans Kohler holte sie am Bahnhof direkt aus dem Zug ab.

Als immer mehr Sex-Streifen in den Staffeln waren, die die Kohlers nicht spielen wollten, beschleunigte dies neben der Verbreitung des Fernsehens mit das Ende des Kinos.

Nach dem Ende der Schauburg zog ein Einzelhandelsgeschäft in das Haus an der Kapuzinerstraße ein. Heute ist es Sitz der WAB Kosbach in Höchstadt. Die hat als Andenken an das alte Kino das Vorführgerät als Skulptur davor aufgestellt.

Neben der Schauburg gab es ein zweites Haus in Höchstadt, in dem Filme vorgeführt wurden. Max Brehm, erster frei gewählter Nachkriegsbürgermeister, hatte an der Abzweigung der Bamberger Straße ein Gebäude einrichten lassen, das den vielen Flüchtlingen nach dem Krieg die Begegnung untereinander und auch mit den Einheimischen ermöglichen sollte. In diesen sogenannten "Flü-Bau" (Flü für Flüchtling) gastierte regelmäßig eins der Wanderkinos, die an Aisch und Ebrach Gast- und Kulturhäuser bespielten. Der "Flü-Bau" brannte 1958 nieder.

Gut 20 Jahre nach dem Ende von Höchstadts Kino-Geschichte gab es indes erneut ein Filmtheater-Projekt. Der Hemhofener Rechtsanwalt Roland Wersal trat Anfang der 80er Jahre mit dem Plan an den Stadtrat heran, in der Brannerstatt unweit des Kommunbrauhauses, ein altes Gebäude abzureißen und ein Kino zu bauen. Der Plan scheiterte.

 

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