Die Zukunft kommt aus Falkendorf

2.1.2021, 15:25 Uhr
Die Zukunft kommt aus Falkendorf

© Matthias Kronau

"Ich habe nie gezählt, wie viele Bücher es waren", sagt Andrea Ulbrich. Vielleicht 3000, überlegt sie. 3000 Science-Fiction-Bücher. Jetzt sind diese Bücher Vergangenheit, zumindest in dem Falkendorfer Wohnzimmer, wo es jetzt vorübergehend "hübsch-hässlich-leer" aussieht. "Und es hallt richtig."

Andrea Ulbrich hat ihre Bücher auf eine Reise in die Zukunft geschickt, oder besser, auf den Weg in das neue Zukunftsmuseum in Nürnberg, der neuen Zweigstelle des Deutschen Museums. Hier wird die Büchersammlung der Grundstock für die aufzubauende Präsenzbibliothek sein (siehe auch Kasten). "Wir sind Frau Ulbrich sehr dankbar für diese Schenkung", betonte das Museum auf NN-Anfrage. "Die Sammlung von Frau Ulbrich ist die wichtige Basis für die Bibliothek, weil sie sehr gut sortiert ist."

Aber warum eine Science-FictionBuchsammlung verschenken, für die man womöglich noch ein paar Tausend Euro erlösen könnte, wenn man sie denn überhaupt los haben wollte?

Darauf hat Andrea Ulbrich zwei Antworten. Eine davon: "Ich will mir gar nicht vorstellen, was das für ein zeitlicher Aufwand gewesen wäre, bis man alle Bücher einzeln oder in Teilen online verkauft hätte."

Ererbte, selbst erlesene Sammlung

Viel wichtiger ist ihr aber, dass sie die Bücher nun an genau der richtigen Stelle wähnt. "Für meine Bücher habe ich eine wunderbare Zukunft gefunden", sagt die 64-Jährige. "Denn was ich für meine von meinem Vater vererbte, aber selbst erlesene Science-Fiction-Sammlung auf keinen Fall wollte, war der Container, in dem sie nach meinem Tod wohl unweigerlich gelandet wäre."

Auf Qualität geachtet

Bücher waren eine dominante Konstante ihrer Kindheit. Vater Rolf, ein Flüchtling aus dem heutigen Tschechien, hatte früh nach dem Krieg in Vestenbergsgreuth begonnen, Science-Fiction-Bücher zu sammeln. "Ich glaube nicht, dass ich älter als zwölf Jahre war, als mein Vater mir den ersten, meinem Alter angemessenen SF-Roman zum Lesen gab." Allerdings achtete er durchaus auf Qualität, Perry Rhodan gab es zunächst nicht als Lesestoff. Aber "Bürgerin des Mars" von Robert A. Heinlein oder "Lancelot Biggs" von Nelson Bond verschlang das Mädchen Andrea mit Begeisterung. Oder auch "Die Weltraumabenteuer der Space Beagle". Ein Abenteuer davon war die Vorlage für den Kinohit "Alien".

Viele Lieblingsbücher

Unter den 3000 Büchern gibt es natürlich viele Lieblingsbücher, allerdings so viele, dass sie hier gar nicht alle aufgezählt werden können. "Allen voran fast alles von Stanislaw Lem, bei dem das Fremde auch fremd und unbegreifbar bleiben darf." Weitere Namen: Brian Aldiss, Arthur C. Clarke, Eric Frank Russel. Oder Anne McCaffrey, "deren Drachenwelt-Zyklus die Handlung von ,Game of Thrones‘ sehr banal aussehen lässt".

In den 1990er Jahren verloren Vater Rolf und Andrea Ulbrich das Interesse daran, die Sammlung weiter auszubauen. "Zum einen kam die Unart der Serien auf, ein Thema auszuwalzen", erinnert sich die Falkendorferin. "Zum anderen verlegten sich viele Autoren auf eine Schreibe ähnlich der Überblendtechnik bei Filmen, ein Stil, der mir gar nicht und meinem Vater nur mäßig gefiel".

Vom Trisolaris-Zyklus fasziniert

Der Vater starb 2000 – und erst vor zwei Jahren hat Andrea Ulbrich den Science-Fiction-Faden wieder aufgenommen. Sie war fasziniert vom Trisolaris-Zyklus von Cixin Liu. "Das ist grandios und lässt mich hoffen, dass die Science-Fiction wieder auf zukünftige Entwicklungen hinweisen könnte." Denn über die Frage "Was wäre, wenn?" nachzudenken, "ist heute wichtiger denn je".

Auch Andrea Ulbrich wird weiter über diese Frage nachdenken. Und sich vielleicht das ein oder andere neue Science-Fiction-Buch kaufen. Platz im Regal ist ja jetzt wieder.

Thema Zukunft im Blick

Die Zukunft kommt aus Falkendorf

© Eduard Weigert

In der Nürnberger Zweigstelle des Deutschen Museums München, die Anfang 2021 eröffnet werden soll, geht es um das Thema Zukunft. Die Ausstellungen teilen sich in einen Science-Teil, der in der Entwicklung befindliche Technologien zeigt, und den Fiction-Teil, der diesen Technologien Visionen, Hoffnungen und Ängste, Utopien und Dystopien gegenüberstellt.

Science Fiction und Fachliteratur

Die Bibliothek setzt dies fort und präsentiert Science-Fiction in Form von Romanen, Kurzgeschichten und Comics, aber auch Fachliteratur und -artikel. Die Präsenzbibliothek wird etwa 40 Quadratmeter umfassen. Man kann hier stöbern und schmökern. Der Großteil der Bücher steht den Besuchern vor Ort zur Verfügung, darf aber nicht ausgeliehen werden.

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