Ein Hauch von Ascot im Schloss

10.9.2012, 12:12 Uhr
Ein Hauch von Ascot im Schloss

Schlossherr Ferdinand von Schrottenberg hatte gut lächeln: Die Strategie, sein zum Premiumhotel umgebautes Prachtschloss mit spannenden Events über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus bekannt zu machen, ist im Fall des „Diner en Blanc“ voll aufgegangen: Autokennzeichen aus der Großregion auf den Parkplätzen des Schlosses deuten an, dass die Verbindung von hochkarätig interpretierten Klassikhappen in ungezwungener Gartenatmosphäre offensichtlich das Bedürfnis all jener befriedigt, denen die Nürnberger Klassik-Open-Airs längst zu überlaufen und zu wenig intim geworden sind.

Im Schlossgarten zwischen historischer Fassade und Hotelneubau bleibt man unter sich, ist das Publikum nicht nur kunstsinnig, sondern auch fachkundig. Kein Gedanke, dass hier jemand versehentlich zwischen den Sätzen klatschen würde. Oder dass der Hörgenuss durch lärmende Unterhaltungen gestört wird. Hoch konzentriert lauschen die Menschen den Streichquartett-Klängen, die manchmal so hauchfein wie ein dünner Gazeschleier über dem Gelände liegen.

Wenn hier auch dem Anlass entsprechend melodisch eingängige Wunschkonzert-Schlager wie Georg Friedrich Händels „Wassermusik“-Suite oder die rein instrumental kredenzte Arie „Schafe können sicher weiden“ aus Johann Sebastian Bachs „Jagdkantate“ im Mittelpunkt stehen, lässt sich das „Bamberger Streichquartett“ doch niemals zu Schludrigkeit oder Schwammigkeit hinreißen.

Primgeiger Raúl Teo Arias, Sekundgeiger Andreas Lucke, Bratschistin Lois Landsverk und Primarius Karlheinz Busch am Violoncello wissen um den guten Ruf, den sie als Mitglieder der Bamberger Symphoniker haben — und setzen ihn keine Sekunde lang aufs Spiel.

Als Joker und Sahnehäubchen fungiert der Solotrompeter Lutz Randow, ein dezidierter Virtuose und Schönklang-Experte, der selbst Petitessen wie den Adagio-Satz aus Joseph Haydns Es-Dur-Trompetenkonzert mit maximaler emotionaler Intensität aufzuladen versteht.

Hochgespanntes Musizieren

Die hochgespannte Musizierhaltung sorgt für den sprichwörtlichen Funken, der ganz schnell auch auf das Publikum überspringt und bei vielen Konzertgästen dafür sorgt, dass das Kopfkino auf Hochtouren läuft. Zudem gibt Karlheinz Busch locker plaudernd handfeste Infos zu den Komponisten und ihren Werken und findet locker eine tragfähige Balance zwischen launigem Entertainment und harten Fakten.

Die Stücke schlagen den Bogen vom 18. Jahrhundert bis in die Jetztzeit, vom reichverzierten Barock der Epoche, in welcher das Schloss gebaut wurde, bis zum biegsam erotischen Tango Argentino des 20. Jahrhunderts, wie ihn Astor Piazzolla gleichsam neu erfand und aus den Boudoirs und schummerigen Clubs in die Konzertsäle holte.

Oder in die Freiluft-Arenen, zu denen nun auch der Reichmannsdorfer Schlossgarten zu zählen ist. Angesichts der ausgesprochen guten Resonanz denkt Ferdinand von Schrottenberg bereits über ein ähnliches Konzertangebot im nächsten Jahr nach. Noch heuer soll die „Kulturschiene“ ausgebaut werden. Wenn die Witterung für Open-Airs zu unsicher wird, steht ein ausreichend großer Saal zur Verfügung.

Das Flair eines Klassikkonzertes unter freiem Himmel lässt sich allerdings nicht simulieren. Das erste „Diner en Blanc“ wurde von einem Hauch Ascot-Feeling umweht. Unvergesslich und eindrucksvoll.

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