Eine Herzogenauracherin im Zentrum von adidas

5.8.2019, 11:57 Uhr
Eine Herzogenauracherin im Zentrum von adidas

© Foto: Ralf Rödel

Der Chef – wie Adi Dassler von den Mitarbeitern genannt wurde – nannte sie "Dirndl". Sie empfand ihre Schreib-Arbeit anfangs als recht "trocken", weil es sich um detaillierte schuhtechnische Themen handelte; damals wurde ja alles in Stenografie aufgenommen. "Der Chef hatte viel Geduld mit mir", weiß sie heute.

Offensichtlich war Adi Dassler zufrieden mit ihrer Arbeit. Jedenfalls wurde es nichts mit einer längeren Baby-Pause für die Frau des späteren Bürgermeisters Hans Lang: Adi Dassler ließ nach einiger Zeit die junge Mutter kommen und bat sie, doch weiterzuarbeiten. Denn "mit den anderen komm ich nicht zurecht", zitiert sie seine Offerte. So machte sie weiter.

Ein Sohn und vier Töchter hatten auch Käthe Dassler nicht daran gehindert, ab den fünfziger Jahren die Firma kaufmännisch zu leiten. Den Aufstieg zur Weltgeltung hat aus Helga Langs Sicht zwei Wurzeln: Adi Dasslers Gabe, gute Mitarbeiter zu finden und an sich zu binden, auch und gerade in der Fabrik, und sein Genie, ein Schuhmodell bis zum letzten Detail funktionell zu verbessern.

Darauf fußte, so sieht es Helga Lang, die Entscheidung des ersten Bundestrainers Sepp Herberger für adidas als Ausrüster der Fußball-Nationalmannschaft. Bekanntlich hat adidas aber auch Herbergers Geld-Forderung erfüllt. Dass der Chef in jungen Jahren viele Sportarten, vom Hochsprung über Hürdenlauf, Eishockey und Skispringen im Winter, selbst ausgeübt hat, sei ihm bei Entwicklungen zugute gekommen.

Die Leidenschaft, mit der er an Details arbeitete, hebt die ehemalige Sekretärin besonders hervor. Ein Tüftler? Der Ausdruck passt nicht, sagt Helga Lang, "dafür war er zu intelligent".

Die Sekretärin hat es täglich erlebt. Ihr Chef hatte weder eine Werkstatt noch ein Büro, sein Arbeitszimmer war beides zugleich. Auf den breiten Fensterbänken, erinnert sie sich, lagen alle möglichen Schuhteile, Prototypen, Musterstücke. Und es sei oft vorgekommen, dass Adi Dassler den "Schachers Franz" (Franz Schacher, siehe erste Folge unserer Serie) zu sich gerufen habe und beide ihr aus dem Stegreif und dem reinen Augenschein eine seitenlange technische Beschreibung des neuen Schuhmodells diktierten.

Die ganze Familie hat für adidas gearbeitet, und Helga Lang legt Wert darauf, die großen Leistungen zu würdigen, die Sohn Horst und die vier Töchter für den Erfolg des Unternehmens gebracht haben. Sohn Horst habe sich die Sporen 1956 in Melbourne verdient, als er mit knapp 20 Jahren die Firma bei der Olympiade vertreten musste. Seine Arbeit wurde belohnt durch den Medaillenregen für das Haus adidas. Horst Dassler übernahm die Leitung der neugegründeten Fabrik in Dettwiller im Elsaß. Inge (Bente) oblagen die Kontakte mit den inländischen Sportlern, den Sportvereinen und den Funktionären. Sie sorgte dafür, so Helga Lang, dass adidas auch bei den kleinen Vereinen einen guten Namen hatte. Karin (Essing) war für Werbung und Public Relations zuständig. Über ihren Schreibtisch gingen alle Werbe- und PR-Texte.

Brigitte (Baenkler), kümmerte sich um die sportlichen Kontakte in die damalige Sowjetunion. Dabei, so Helga Lang, kam ihr nicht nur ihr Sprachtalent, sondern auch ihre Diplomatie zugute. Sie übernahm nach dem Verkauf des Hauses adidas das Hotel HerzogsPark. Sigrid, die jüngste, leitete die Textil-Sparte.

Dasslers Tod als Zäsur

Helga Lang hat für alle geschrieben. Nach dem Tod von Adi Dassler erledigte sie die mehr private Post der Chefin. Sie hat Käthe Dassler als gezielt arbeitende, auf die Mitarbeiter bedachte Frau kennengelernt, die korrekt und freundlich gewesen sei, aber auch viel Leistung verlangt habe. Käthe Dassler verstarb völlig unerwartet am Silvestertag 1984.

Der Tod von Horst Dassler im Jahr 1987 sei eine Zäsur gewesen, von der sich das Haus adidas lange Zeit nicht erholt habe.

Drei Jahre hat Helga Lang danach noch bei "ihrer Firma" gearbeitet und den Schweizer Manager René C. Jäggi auf dem Chefsessel erlebt. Mit zwiespältigen Erinnerungen: "Er wollte die Familie ausbooten".

Heute sieht sie den Erfolg der Aktiengesellschaft adidas und auch die neue World of Sports mit Respekt. Wegen des traditionsreichen Hauses am Buck wird sie fast täglich von alten Mitarbeitern angesprochen. Dort wo alles begann, bestimme jetzt Schaeffler – "gottseidank eine Herzogenauracher Firma", so Helga Lang – als neuer Besitzer über die Zukunft dieses geschichtsträchtigen Gebäudes.

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