Gerichtsprozess fahrlässige Tötung: Therapie nötig

5.2.2020, 18:28 Uhr
Gerichtsprozess fahrlässige Tötung: Therapie nötig

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Unter Tränen schildert die 20-Jährige, was sich im September 2019 zugetragen hat. Am Morgen war die junge Frau mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit. Vom Schleifweg in Heßdorf kommend wollte sie nach rechts in die Erlanger Straße abbiegen. Sie registrierte eine alte Frau auf der Querungshilfe und wollte diese passieren lassen. Doch dann machte die Seniorin eine Bewegung mit der Hand – möglicherweise als Dank.

Die 20-Jährige jedoch interpretierte die Geste als Aufforderung, weiterzufahren. In dem Moment, als die junge Frau anfuhr, setzte sich jedoch auch die Fußgängerin in Bewegung – und wurde von dem Auto touchiert. Durch den Anstoß stürzte die Seniorin so unglücklich auf den Asphalt, dass sie sich schwere Kopfverletzungen zuzog und wenig später starb.

Eine hinzugerufene Polizeibeamtin bestätigt vor Gericht, dass es sich um einen "minimalen Anstoß" gehandelt haben müsse – aber der habe wohl ausgereicht, um die 93-Jährige zu Fall zu bringen. "Bei einer jüngeren Person wäre es vielleicht gar nicht zum Sturz gekommen", meint die Polizistin.

Auch eine andere Autofahrerin, die entgegenkam und den Unfall beobachten konnte, schildert, die Dame sei "umgeklappt wie in Zeitlupe". Sie habe erst gedacht, sie sei einfach in Ohnmacht gefallen. Dass ein Auto involviert war, habe sie zunächst gar nicht registriert.

Die 20-Jährige betont, sie sei sofort ausgestiegen, habe um Hilfe gerufen und sich um die Seniorin gekümmert. Die junge Frau sei sehr aufgewühlt gewesen und habe geweint, unterstreichen die beiden Zeuginnen.

Lange Zeit habe sie sich danach nicht getraut, alleine Auto zu fahren, gesteht die Angeklagte. Außerdem quälten sie seitdem Schlafstörungen. Richter Christian Kretschmar tut sich mit diesem Fall schwer. Er moniert, dass damals kein Sachverständiger hinzugezogen wurde und spricht von einem "Zusammentreffen ungünstigster Umstände". Ohne ein Gutachten sehe er die Voraussetzungen für einen Schuldspruch nicht erfüllt.

Schließlich einigt sich Kretschmar mit der Staatsanwältin auf Einstellung des Verfahrens – mit den Auflagen, dass die 20-Jährige unverzüglich eine Traumatherapie beginnt und mindestens sechs Monate fortführt. Zudem muss sie noch 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Richter Kretschmar abschließend: "Manchmal gibt es dramatische Situationen, die durch nichts wiedergutzumachen sind."

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