Herzo und die Rockmusik: Gründerzeit ohne Kommerz

11.2.2015, 18:44 Uhr
Herzo und die Rockmusik: Gründerzeit ohne Kommerz

© Archivfoto: Niko Spörlein

Ein „Hotspot“ wie es nun vielleicht heißen würde, war die Blaue Traube in Haundorf, gegründet „so etwa“ 1979 von Roland „Joe“ Bretting und Dieter Schmidt, die „mal so nebenher“ eine Studentenkneipe im Herzogenauracher Ortsteil Haundorf eröffnen wollten, wie sich Wirtin Rita Müller schon 2004 zum 25-Jährigen erinnerte. Damals hatten Jugendliche und junge Leute noch Probleme, einen Treffpunkt zu finden. Welch ein Unterschied zur Event-Kultur, die der heutigen, nunmehr extrem kaufkräftigen Jugend geboten wird.

1976 wurde das erste Test-Altstadtfest in Herzogenaurach gestartet, noch zu Zeiten von Bürgermeister Hans Ort, dem Vorvorgänger des jetzigen Amtsinhabers. Eine Art Türöffner für Bands und die Jugendkultur.

Fast schon 40 Jahre Geschichte geschrieben hat die Herzogenauracher Stimmungsband „Candys“, jahrzehntelang beim Faschingstreiben, der Sommerkirchweih oder als KCH-Hausband tragende Säule Herzogenauracher Musiklebens.

Die „Candys“ wurden vor annähernd 40 Jahren auf Initiative von Rudi Bauerfeld im Hinterhof des Anwesens des früheren Bürgermeisters Hans Ort gegründet und musizierten in wechselnder Besetzung vor ihrer riesigen Fanfamilie bei ungezählten Auftritten.

Bei der Namensgalerie – Bauerfeld, Körner, Ort, Nagel, Schwab, Mehler, Pfannerer – assoziiert der Herzogenauracher mitunter schon mehrere Musiker-Generationen. Akteure in der Stadtjugendkapelle und Initiatoren der Gründer der music base waren dabei. Rudi Bauerfeld, Jahrgang 1949, sagt: „Mein musikalisches Leben begann 1965“. Später von Beruf Elektromaschinenbauer, Datentechniker und vieles mehr, schraubte er schon als Teenager an Verstärkern herum. Als bei einem Auftritt der Bassist ausfiel, folgte sein erster Einsatz.

Eine der Keimzellen für die Rockmusikszene im Landkreis war das Gymnasium Höchstadt, wo Bauerfeld auch Schüler war und bis 1978 der ganze westliche Landkreis in einem Gymnasium zusammenkam.

Schüler gründeten Gruppen wie die „Baronetts“oder „The Times“. In der Turnhalle an der Kerschensteiner Straße traten beim nächtlichen Schulfest Gruppen auf wie „Phallus Dei“ – ein kleiner Skandal. Den Unterstufenmitschülern übersetzte man lieber nicht, was der Bandname bedeuten sollte.

"Sex, Drugs and Rock'n'Roll"

Unter dem alten Volkshaus in Herzogenaurach, später Puma an der Würzburger Straße, rief Franz Reimann den „Beatclub“ Mitte der 1960er Jahre ins Leben. Bands, die nur drei Songs spielen konnten, traten auf. In einer dabei: Gerd Engert, später Vorsitzender des Karnevalsclubs Herzogenaurach. Zu dessen Hausband entwickelten sich die Candys später .

Im Ätna in der Hinteren Gasse, zum Nachmittagstanz bei Bert Stecker im Vereinshaus oder natürlich auf den Tanzböden Frankens traten die Bands auf: Weisendorf, Kersbach, Adelsdorf, Uehlfeld, Gunzendorf waren die angesagten Treffpunkte, förmlich Wallfahrtsorte der Jugend und eine Art regionale Vorwegnahme späterer Rockhöllen.

Bei den „Bambis“, wo Bauerfeld Gitarre oder Bass spielte, war schon Kurt Reiß dabei – noch heute bei Motion Sound, der Band, die auf den Weihersbach-Kirchweihen in den vergangen Jahren Renaissance feiert.

Schön, doch auslaugend, waren 25 Jahre Candy, blickt Bauerfeld zurück. Alle Musiker hatten „nebenbei“ einen Beruf. Auf Dauer nicht zu schultern.

Auch Abgründe taten sich auf: Die US-Soldaten, damals mit einem Dollarkurs von 4:1 finanziell ausgestattet für „Sex, Drugs und Rock’n’Roll“, waren Erstkontakt bei mancher Drogenkarriere – nicht alle aus der Musikerszene schafften den Absprung. Manch Schatten eines traurigen Schicksals wandelt heute als sozialer Absteiger durch die Welt. Auch Sucht und Tod durch Drogen verschonte die fränkische Provinz nicht.

Gleichwohl: Ein völlig neuer Lebensstil wurde von der Jugend der 1960er und 1970er Jahre begonnen. Mit dem Abhören von Rockmusik-Texten am Radio („Music is your only friend until the end“, The Doors) und dem Abschauen der Gitarrenriffs bei Auftritten von professionellen Bands wie den „Lords“ entwickelten sich auch neue Geschäftsfelder, neue Einkünfte, neue Berufe.

„Die Musik wurde unser Schlüssel zur weiten Welt“, blickt Rudi Bauerfeld zurück. Bands wie „Ihre Kinder“ aus Nürnberg, die bundesweit Berühmtheit erlangten, waren nur die Spitze einer Massenbewegung. „Revolver“, „Bentox“, „Mogadan Roche“, „September“, die „Rondos“ – teils mehr, teils weniger bekannter Gruppen bespielten die Szene. Tonstudios entstanden – etwa das von Tom Wild in Obermembach, später Zweifelsheim, Haundorf, jetzt Herzogenaurach.

Bauernfeld ernüchtert

„Mitte der 1970er Jahre, als die Coverrockszene zu leben begann, war es klar, dass das ein Beruf sein konnte“, analysiert Rudi Bauerfeld: Für die Candys war es „ein Quantensprung“, als sie „vom Rockkeller der Hubmänner im Weihersbach auf die Hauptbühne“ wechselten. Dort bespielten sie Jahr um Jahr die Bühne „bis das Pferd totgeritten war“.

Dann kam nach der Schiene der Amateurbands die Zeit der Profi-Gruppen, verbunden mit musikalischer Annäherung der Musikstile zwischen „Underground/Alternativ“ und „Mainstream/Professionell.“ Und heutzutage gehe es nur noch darum, dass um 21 Uhr alle auf den Tischen stehen, bilanziert Bauerfeld ernüchtert und mit leisem Sarkasmus.

Der Rudi, der Crazy und der Ralf: Als RCR machen die hiesigen Rockmusiker der ersten Stunde heute noch Sound – zum Beispiel beim Spring Break Kneipenfestival. Bands wie „Rootskillah“ (zur Eröffnung des Ratskellers) formierten sich aus der selben Szene, die sich in permanentem Wandel befindet. Aus den Rockmusikern der ersten Stunde entstand auch die MIH, die Musikinitiative Herzogenaurach auf der music base an der Nutzung. Junge Leute und ihre Bands wuchsen wie selbstverständlich ins Milieu von Rock’n’Roll und seinen Weiterentwicklungen hinein.

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