Herzogenaurach: Ein lautes „Nein“

7.12.2016, 08:56 Uhr
Herzogenaurach: Ein lautes „Nein“

© Foto: Horst Linke

Ein Bild von Shaho Penjwen macht deutlich, um was es an diesem Abend geht. Der geflüchtete Kurde aus dem Nordirak hat (s)eine christliche Familie gemalt, die am seidenen Faden hängt – unter ihr Halbmonde und blutverschmierte Schwerter, auf die sie zu stürzen droht. „Die deutsche Regierung hat unser Schicksal in der Hand“, sagt Shaho und beschreibt damit sowohl sein Bild als auch die Wirklichkeit.

Der Vater mit seiner Frau und zwei Kindern ist eine von vier bedrohten Familien, auf deren Schicksale die Flüchtlingsbetreuung beispielhaft hinweisen wollte. Sie alle berichteten von den guten Gründen, die sie zur Flucht bewegten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling (BAMF) aber hat ihre Asylanträge abgelehnt.

Wie können wir ihnen jetzt noch helfen?, fragten sich viele Besucher. Der Saal im Martin-Luther-Haus war sehr gut besetzt, das Podium hingegen spärlich. Die Veranstaltung sei wohl zu kurzfristig angesetzt gewesen, meinte Organisatorin Uschi Schmidt, die auch moderierte. So sei es zu erklären, dass kein Vertreter des Bundesamts Zeit gefunden habe, mit den anwesenden Landtagsabgeordneten Alexandra Hiersemann (SPD) und Christine Kamm (Grüne) zu diskutieren.

Zu wenig konkret

Auch deren CSU-Kollege Walter Nussel sei es nicht gelungen, einen wichtigen Termin zu verschieben. An seiner Stelle kam Stadtrat Konrad Körner, der allerdings auch erst hinzustoßen konnte, als die Debatte schon lief und die Schicksale bereits vorgestellt waren.

Für viele Zuschauer blieben die Antworten dann zunächst auch zu unkonkret. Alexandra Hiersemann, die stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses im Landtag ist, machte wenig Hoffnung auf einen Erfolg in München. „Ich würde mich für jeden dieser Fälle einsetzen“, sagte sie, „aber am Ende entscheidet die Mehrheitsfraktion“.

Das BAMF unterstehe dem Bundes-Innenminister, „auch da haben wir wenig Einflussmöglichkeiten“, sagte Christine Kamm. Sie schlug vor, sich an das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen zu wenden – besonders wegen der Fälle aus dem Nordirak. „Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage halte ich es für absolut nicht möglich, Menschen dorthin abzuschieben.“

Herzogenaurach: Ein lautes „Nein“

© Foto: Horst Linke

Hiersemann verwies auf den Rechtsweg und es wurde klar, dass bereits alle Familien Klage gegen die Bescheide erhoben haben. „Und wir brauchen die Öffentlichkeit“, meinte die Sozialdemokratin. Sie wird bald im Ausschuss die Petitionen zu den genannten Einzelfällen entgegennehmen.

Knapp 400 Namen stehen auch auf einer Liste, die in diesen Tagen an das BAMF übergeben werden soll. „Die Öffentlichkeit muss auch wahrnehmen, wie wichtig ein faires Verfahren ist“, meinte Kamm. „Momentan geht es nur um Schnelligkeit“.

Ganze 25 Minuten habe ein Flüchtling Zeit, um sein Schicksal darzustellen. Außerdem seien viele Mitarbeiter im Amt nicht ausreichend ausgebildet, es fehle außerdem an Dolmetschern, und nicht alle Entscheider hätten direkten Kontakt zu den Betroffenen.

Einen Blick in die Zukunft warf der zweite Teil des Abends. Denn anerkannte Asylbewerber werden wohl bald einer neuen Rechtslage begegnen. Am morgigen Donnerstag verabschiedet der Landtag aller Voraussicht nach das Bayerische Integrationsgesetz. Aus Sicht von Konrad Körner beinhaltet es „eine gute Mischung aus Fördern und Fordern“.

Eine „gute Idee“ sei die Möglichkeit, Nachhilfestunden oder Geldbußen aufzuerlegen für den Fall, dass jemand die Rechts- und Werteordnung nicht anerkenne. Der Christsoziale verteidigte auch den „bösen Begriff“ Leitkultur, der sich durch den Gesetzestext zieht. Hiersemann hielt entgegen, die CSU habe ihn „erfunden“. „Wir haben unser Grundgesetz und das reicht“, meinte sie. Das neue Gesetz sei nicht auf Integration angelegt, sondern auf Assimilation. „Es baut eine Drohkulisse auf“, sagte sie. „Nichts in dem Gesetz entspricht dem, was die Gesellschaft will.“ Körner argumentierte dagegen: 53 Prozent der Bayern seien in Sorge, dass die christliche Prägung ihrer Heimat verloren gehe.

Der Text sei unverständlich und stifte Unsicherheit, meinte Christine Kamm. Sie erklärte: „Er geht an der Praxis vorbei.“ Auch für eine Petition gegen den Gesetzesentwurf lagen Unterschriftenlisten aus.

„Das Gesetz

geht an der

Praxis vorbei.“

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