Herzogenaurach: So kommt das Theater Tausendkunst durch die Krise

29.3.2021, 06:00 Uhr
Herzogenaurach: So kommt das Theater Tausendkunst durch die Krise

© Foto: Theater Tausendkunst

Theater, Schauspiel, alles künstlerische Schaffen wird durch Corona ausgebremst. Was fehlt Ihnen am meisten?

Stellen Sie sich vor, Sie sind Läuferin oder Läufer. Sie laufen nicht nur einfach so, sondern das Laufen ist Ihre Berufung, Ihr Daseinszweck. Sie treten also zu einem Marathon an. Sie wissen: Das sind 42 Kilometer größter Herausforderung. Aber Sie sind sehr gut trainiert. Sie sind darauf vorbereitet, dass Sie am Ende unter Schmerzen, aber überglücklich am Ziel ankommen werden. Jetzt stellen Sie sich vor, während Sie laufen und schon das ein oder andere Ziehen spüren, kommt jemand und sagt: "Wir mussten die Strecke ändern, weil es plötzlich auftauchende Schlaglöcher gibt." Nichts weiter konkretes. Sie fangen an, sich Gedanken zu machen, wie der neue Streckenverlauf wohl sein wird, und dass die Streckenänderung wohl eine gute Idee ist, um Sie zu schützen. Das nimmt Ihnen natürlich etwas die Konzentration, aber Sie sind ja trainiert und denken sich: wird schon.

Nach einigen Kilometern kommt wieder jemand und sagt: "Ach ja, die Länge der Strecke haben wir jetzt auch geändert. Ein bisschen länger. Keine Sorge." Doch gerade das "keine Sorge" bereitet Ihnen Sorgen. Das führt unweigerlich dazu, dass Sie die Schwere der Beine jetzt mit jedem Schritt deutlicher fühlen. Die Angst, dass all das Training sich nicht auszahlen wird, steigt. Ihr Laufstil verschlechtert sich zusehends.


Theater "Tausendkunst" eröffnet in Herzogenaurach


Da kommt wieder jemand: "Wir haben zusätzliche Getränke bereitgestellt, wegen der Streckenänderung." Das lässt Sie wieder etwas Hoffnung schöpfen. Aber: "Nächstes Jahr müssen Sie diese Hilfsgetränke wieder zurückgeben." Am liebsten würden Sie jetzt einfach stehen bleiben, wissen aber, dass dann Ihre Existenz zerstört wäre, denn Sie und Ihre Familie sind – bei aller sportlicher Begeisterung – auf das Preisgeld angewiesen. Also laufen Sie weiter. Mit Magenschmerzen, schweren Beinen, ohne zu wissen wohin oder wie lange.

Die Fans am Straßenrand jubeln Ihnen auch nur noch halbherzig zu, da die ja auch auf diese Umleitungsstrecke geschickt wurden und genauso viel wissen wie Sie. Das trägt natürlich auch nicht gerade zu Ihrer Bestärkung bei. Und so geht es weiter und weiter und weiter. Fazit: Es fehlt also vor allem an Perspektive.

Sehen Sie auch Chancen für die Kunst in der Corona-Pandemie?

Man sagt das immer so dahin: "Jede Krise ist auch eine Chance". Aber tatsächlich geht es uns und vielen Kollegen aus dem Bereich der freien Theaterszene anders. Kreativität und Flexibilität, das gehört natürlich nach wie vor zu unserem Berufsbild. Aber wenn die wirtschaftliche Existenz massiv bedroht ist, man unverschuldet quasi ein "Berufsverbot" erhält, wird die kreative Leistung bald zum Strampeln, um nicht unterzugehen. Und irgendwann ist man auch erschöpft, diese Situation dauert schon viel zu lange an. Manche Kollegen geben auf und suchen sich Jobs in Branchen, die "systemrelevant" sind, kleine Bühnen müssen schließen. Da ist ein massiver Ausleseprozess im Gange. Und trotzdem macht man irgendwie weiter, weil Kunst eben ein Teil unseres Lebens, unsere Berufung ist.

Lampenfieber vor Live-Publikum – kennen Sie das? Wie gehen Sie damit um, haben Sie ein paar Tipps?

Alle Künstlerinnen und Künstler kennen Lampenfieber. Manche bewusst, manche unbewusst. Das "Fieber" muss aber nicht per se negativ sein. Man könnte auch positiv formulieren: "Mir wird ganz heiß auf die Bühne" oder "Ich brenne dafür, das zu zeigen, was ich über unendlich viele Stunden erarbeitet habe." Es gibt zirka sieben Milliarden Arten von Lampenfieber. Einen generellen Tipp abzugeben, ist da eher schwierig. Der einzige Tipp, der mir einfällt: machen, machen, machen. Je mehr das Auftreten zur Routine wird, desto leichter könnte es werden. Und was vielleicht noch helfen könnte: Sei dir deiner selbst bewusst. Im Sinne von: Will ich gesehen, gehört oder überhaupt wahrgenommen werden?

Was wünschen Sie sich für den Moment? Und für die Zeit nach Corona?

Uns hat Corona ja im ersten Geschäftsjahr erwischt. Wir haben in den elf Monaten nach unserer Eröffnung gemerkt, dass viel Interesse, dass ein Bedarf für unser Konzept da ist. Wir wünschen uns eigentlich nur, gesund durch diese schwierige Zeit zu kommen, und dass unser Publikum mit uns zusammen wieder da anknüpfen kann, wo wir im Februar 2020 aufhören mussten. Ob es eine Zeit "nach Corona" gibt, bleibt die Frage. Alle, die sich beruflich mit Gesang, Stimme und Live-Musik beschäftigen, werden sich wohl noch längere Zeit als andere mit dem Thema auseinandersetzen müssen, Stichwort: Aerosole.

Was hat das Theater Tausendkunst momentan im Programm?

Momentan sind wir hauptsächlich auf der pädagogischen Seite unseres Unternehmens aktiv. Wir sind beide professionell ausgebildete Gesangspädagogen, erfahrene Chorleiter und Instrumentalpädagogen. Unser Schülerstamm, den wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, hat mit uns den Wechsel in den digitalen Unterricht mitgetragen, das ist nicht selbstverständlich, und wir sind dafür sehr dankbar dafür.

Das Theater Tausendkunst plant für den Sommer ein bis zwei Open-Air-Konzerte, die im Stile unseres "Grusel-Spaziergangs durch den Dohnwald" vom Herbst 2020 ablaufen werden. Weiterhin planen wir, wieder eine Oper aufzuführen, dieses Mal eine der ganz großen. Es geht darin um eine Flöte, die zaubern kann. Es wird aber ganz anders werden, als man es sich jetzt vielleicht vorstellt. Darüber hinaus wollen wir versuchen, die Gastspiele, die für 2020 geplant waren – Tina Essl mit ihrem Kindertanztheater "Zirkus Phantasia", Marla Saris mit ihrem Märchenkabarett "Der Spiegelsaal" sowie die Vortragsreihe "101 Meisterwerke" von und mit Norbert Engelmann – in irgendeiner Form nachzuholen. Abgesehen davon wollen wir uns der Initiative "Kultur vor dem Fenster" anschließen, einer Online-Plattform, die den Künstlerinnen und Künstlern in der Metropolregion kleine Auftritte unter freiem Himmel vermittelt.

Aufführungen in unseren eigenen Räumen kann es wahrscheinlich in 2021 nicht geben. Wir haben zwar bereits im letzten Jahr ein tragfähiges Hygienekonzept erarbeitet, der damit verbundene Aufwand plus eventuelle Testungen für das potenzielle Publikum sprengen aber tatsächlich unseren momentan sehr bescheidenen finanziellen Rahmen bzw. das Verhältnis von Kosten zu Nutzen ist mehr als ungünstig. Bei den aktuell geltenden Abstandsregeln dürften wir lediglich 12 bis 15 Personen zu unseren Vorstellungen indoor zulassen.

 

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