Hildegundis in Höchstadt: Lobgesang und Anklage

1.10.2019, 06:57 Uhr
Hildegundis in Höchstadt: Lobgesang und Anklage

© Foto: Christian Enz

"Hildegundis war völlig vergessen", erinnert sich Kilian Kemmer. Gemeinsam mit zahlreichen Unterstützern führte er Ende der 1990er Jahre die Verehrung der Heiligen wieder ein. "Damals wurde diese Bewegung von vielen belächelt", betont Kemmer. Nach 20 Jahren hat sie sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt, zu der Rüdiger Kaufmann nun ein weiteres Kapitel hinzufügt. Wobei die Welturaufführung von "Hildegundis – Legende einer Höchstadter Heiligen" eigentlich nur ein Schlusspunkt ist. "Seinen Anfang nahm alles im Jahr 2004", erklärt Kaufmann. Damals bat Kilian Kemmer den Höchstadter Komponisten, einen von ihm selbst verfassten Text zu Hildegundis zu vertonen. "Danach hat mich das Thema nicht mehr losgelassen", sagt Kaufmann. Zehn Jahre später, inspiriert durch seine Arbeit am Passionsoratorium "Simon von Cyrene" vertonte er dann die ganze Legende der Höchstadter Heiligen. Bis zur Erstaufführung sollten dann aber noch einmal fünf Jahre vergehen. "Weil das Werk für die Musiker besonders anspruchsvoll geraten ist", erklärt sein Schöpfer. "Insbesondere an der Fuge musste der Chor hart arbeiten".

Der erste Hilferuf

Tatsächlich haben Rüdiger Kaufmann und Georg Schlee einmal mehr alles um sich versammelt, was in der regionalen klassischen Musikszene Rang und Namen hat. Seit Pfingsten wurde intensiv geprobt. Dennoch ist leichte Nervosität zu spüren als Hildegund, gesungen von Tabea Feuerbach, ihren ersten Hilferuf gen Himmel schickt. Doch von Takt zu Takt steigt die Selbstsicherheit der Solisten. Das tut gut, denn Kaufmann will mit seinem Lobgesang auf Hildegundis nicht bloß eine Legende nacherzählen – er möchte bewegen. Dazu hat er eine filigrane Partitur entwickelt. Die kommt richtig zur Geltung, als Orchester und Gesang unbefangen zu Werke gehen.

Mit einfühlsam abgestimmten Läufen transportiert Kaufmanns Komposition die Gefühlswelt der Protagonisten. Zu diesen zählen neben der Heiligen auch die Zieh-Eltern Graf Goswin (Georg Schlee) und Gräfin Gertraut (Andrea Schlee). Bis es zum Finale noch einmal richtig bombastisch wird. Mit voller Stimmgewalt lässt Kaufmann, der selbst am Dirigentenpult steht, seinen Chor den Tod Hildegundis beklagen. Das Klangbild zeichnet dabei gleichzeitig zwei Skizzen. Vordergründig ist die einer Trauergesellschaft zu erkennen, die fassungslos vor einem toten jungen Mädchen steht. Hintergründig aber ist eine zweite Ebene eingearbeitet. Die ist als Anklage zu verstehen: Ihr, Graf und Gräfin, tragt die Schuld. Damit verwandelt Kaufmann die Legende auf den letzten Metern zu einer zeitgenössischen Parabel. Denn Goswin und Gertraut stehen exemplarisch für jeden Menschen, der die Folgen seines Handelns nicht sorgsam abschätzt.

Wird es eine Wiederholung geben? Vielleicht sogar in der Klosterkirche Münchaurachs, die aus der Mitgift der unverheiratet verstorbenen Hildegundis hervorging. Doch Kaufmann dämpft die Erwartungen. "Es wird immer schwerer, ausreichend gute Musiker zu begeistern. Denn ein solches Projekt fordert viel Fleiß und Zeit".

 

Hintergrund: Die Überlieferung berichtet von Hildegundis (*1110 in Höchstadt), dass sie Jungfräulichkeit gelobt hatte, aber von Ihrem Vater, dem Grafen Goswin von Höchstadt, zur Heirat gezwungen wurde. Als sie am Tag der Hochzeit im Jahr 1129 überraschend starb, habe der tief betroffene Vater an ihrem Todesort das Benediktinerkloster Münchaurach gestiftet.Hildegundis’ Gebeine ruhen in der Kirche in Münchaurach.

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